Berlin. Viele Menschen hätten gerne Greta Thunberg als Friedensnobelpreisträgerin gesehen. Die Klimaaktivistin ging aber zu Recht leer aus.

Gefühlt die halbe Menschheit hat der schwedischen Klimaschützerin Greta Thunberg die Daumen für den Friedensnobelpreis gedrückt. Doch viele haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gefleht: Hoffentlich bekommt sie ihn nicht.

Die 16-Jährige hat die Auszeichnung zu Recht nicht erhalten – aus mehreren Gründen. Laut dem Testament des Stifters Alfred Nobel soll gewürdigt werden, wer „am besten für die Verbrüderung der Völker“ und „die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere“ gewirkt hat. Diese Kriterien treffen auf Greta Thunberg nicht zu. Die Umweltaktivistin hat weder einen Beitrag zur Lösung der Konflikte in Syrien, am Persischen Golf oder im Jemen geliefert, noch hat sie einen anderen politischen Spannungsherd abgemildert.

Was man Greta Thunberg zugutehalten muss: Sie ist ein Katalysator für weltweite Diskussionen über Klimapolitik. Sie hat an vielen Orten das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Begrenzung von Treibhausgasen geschärft. Und sie hat die Defizite des klassischen Politikbetriebes offengelegt. Missionarischer Eifer – und sei er auch für eine noch so gute Sache – ersetzt aber nicht das mühsame politische Ringen zwischen Washington, Rio, Neu-Delhi und Peking.

Abiy Ahmed verdiente sich Friedensnobelpreis mit umfassenden Reformen

Abiy Ahmed wird mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Abiy Ahmed wird mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. © Reuters | TIKSA NEGERI

Vor diesem Hintergrund ist der Friedensnobelpreis für den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed eine nachvollziehbare Entscheidung. In Afrika sind autokratische Regime, korrupte Gesellschaften und Bürgerkriege der Normalzustand. Abiy hat umfassende Reformen im Osten des Kontinents in Angriff genommen.

Er löste Schritt für Schritt die Fesseln in dem Vielvölkerstaat, der jahrelang mit harter Hand geführt worden war. Der 43-jährige Regierungschef beendete den Ausnahmezustand, ließ politische Gefangene frei, strich Oppositionsgruppen von der Terrorliste und liberalisierte die Wirtschaft.

• Mehr zum Thema: Der Friedensnobelpreis geht an Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed

Ein außenpolitisches Meisterstück ist der Abschluss des Friedensvertrags mit dem Nachbarstaat Eritrea im Juli 2018. Beide Länder, die in einen blutigen Grenzkrieg mit rund 70.000 Toten verstrickt waren, reichten sich die Hand. Die Symbolkraft dieser historischen Versöhnung reicht über Äthiopien und Eritrea hinaus. Abiys Kurs des Ausgleichs sorgte im krisengeschüttelten Sudan zumindest für eine Stabilisierung.

Das Nobelkomitee hat den politischen Mut Abiys anerkannt. Die Messlatte für den Preis war in der Vergangenheit nicht immer erkennbar. So haben sich die Juroren zuweilen von einer hohen Erwartungshaltung mitreißen lassen. Bei der Verleihung des Preises an den frischgebackenen US-Präsidenten Barack Obama 2009 etwa waren viele Vorschusslorbeeren im Spiel. Nach der Militarisierung der amerikanischen Außenpolitik unter George W. Bush wurde Obama zur riesigen Projektionsfläche für Sehnsüchte. Am Ende stand oft Desillusionierung.

• In der Bilderstrecke sehen Sie prominente Friedensnobelpreisträger:

Berühmte Friedensnobelpreisträger

Der Friedensnobelpreis ist der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo verliehen wird. 2009 bekam ihn der damalige US-Präsident Barack Obama. Er erhielt ihn gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit. Eine höchst umstrittene Entscheidung, auch wegen des massiven internationalen Militärengagements der USA. Seit 1901 hat die Jury einige weltberühmte Preisträger gekürt – wir zeigen sie.
Der Friedensnobelpreis ist der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo verliehen wird. 2009 bekam ihn der damalige US-Präsident Barack Obama. Er erhielt ihn gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit. Eine höchst umstrittene Entscheidung, auch wegen des massiven internationalen Militärengagements der USA. Seit 1901 hat die Jury einige weltberühmte Preisträger gekürt – wir zeigen sie. © imago | JOHN GRESS
Obama wurde 2009 „für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen Völkern“ geehrt.
Obama wurde 2009 „für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen Völkern“ geehrt. © imago | imago stock&people
Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) erhielt den Preis 1964 im Jahr nach seiner berühmten „I have a dream“-Rede (engl. „Ich habe einen Traum“), die er anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt.
Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) erhielt den Preis 1964 im Jahr nach seiner berühmten „I have a dream“-Rede (engl. „Ich habe einen Traum“), die er anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt. © imago | United Archives
Vier Jahre später wurde er ermordet.
Vier Jahre später wurde er ermordet. © imago | imago stock&people
Mutter Teresa (1910 – 1997) wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen.
Mutter Teresa (1910 – 1997) wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen. © REUTERS | Paolo Cocco
Die Helferin der Armen und Kranken bekam den Nobelpreis 1979.
Die Helferin der Armen und Kranken bekam den Nobelpreis 1979. © reuters | Scanfoto Scanfoto
Der südafrikanische Nationalheld Nelson Mandela (1918 – 2013), der mit seinem Kampf für die Freiheit die Apartheid beendete, bekam den Nobelpreis noch vor seiner Zeit als erster schwarzer Präsident des Landes.
Der südafrikanische Nationalheld Nelson Mandela (1918 – 2013), der mit seinem Kampf für die Freiheit die Apartheid beendete, bekam den Nobelpreis noch vor seiner Zeit als erster schwarzer Präsident des Landes. © Getty Images | Sion Touhig
Er teilte sich die Auszeichnung 1993 mit dem weißen Präsidenten Südafrikas, Fredrik Willem de Klerk.
Er teilte sich die Auszeichnung 1993 mit dem weißen Präsidenten Südafrikas, Fredrik Willem de Klerk. © © epd-bild / Keystone | Keystone
Der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1913 – 1992) ist der wohl bekannteste deutsche Träger des Friedensnobelpreises.
Der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1913 – 1992) ist der wohl bekannteste deutsche Träger des Friedensnobelpreises. © Getty Images | Terry Fincher
Er wurde 1971 für seine Ostpolitik geehrt, die zur Entspannung im Kalten Krieg beitrug.
Er wurde 1971 für seine Ostpolitik geehrt, die zur Entspannung im Kalten Krieg beitrug. © imago | Sven Simon
Der Dalai Lama, das im indischen Exil lebende geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, bekam 1989 den Friedensnobelpreis verliehen.
Der Dalai Lama, das im indischen Exil lebende geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, bekam 1989 den Friedensnobelpreis verliehen. © Reuters | REUTERS / JESSICA RINALDI
„Seine Vorschläge sind wohl der einzige realistische Weg für das tibetanische Volk, die eigene Freiheit, Kultur und Identität zurückzugewinnen“, so der Vorsitzende des norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik. Das Foto zeigt den buddhistischen Mönch während einer Rede, nachdem er die Auszeichnung in Empfang genommen hatte.
„Seine Vorschläge sind wohl der einzige realistische Weg für das tibetanische Volk, die eigene Freiheit, Kultur und Identität zurückzugewinnen“, so der Vorsitzende des norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik. Das Foto zeigt den buddhistischen Mönch während einer Rede, nachdem er die Auszeichnung in Empfang genommen hatte. © imago | imago stock&people
Das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow wurde 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, mit dem Nobelpreis geehrt.
Das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow wurde 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, mit dem Nobelpreis geehrt. © imago | imago stock&people
Der Gründer der Hilfsorganisation Das Rote Kreuz, Jean Henri Dunant (1828 – 1910), bekam 1901 den allerersten Friedensnobelpreis. Seitdem wurde Das Rote Kreuz, noch dreimal ausgezeichnet. Niemand erhielt den Friedensnobelpreis häufiger.
Der Gründer der Hilfsorganisation Das Rote Kreuz, Jean Henri Dunant (1828 – 1910), bekam 1901 den allerersten Friedensnobelpreis. Seitdem wurde Das Rote Kreuz, noch dreimal ausgezeichnet. Niemand erhielt den Friedensnobelpreis häufiger. © imago | WHA UnitedArchives
Der israelische Altpräsident Schimon Peres (M., 1923 – 2016) bekam den Preis 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Izchak Rabin (r., 1922 – 1995) und dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat (1929 – 2004) für ihre Bemühungen um ein Ende des Nahost-Konfliktes.
Der israelische Altpräsident Schimon Peres (M., 1923 – 2016) bekam den Preis 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Izchak Rabin (r., 1922 – 1995) und dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat (1929 – 2004) für ihre Bemühungen um ein Ende des Nahost-Konfliktes. © Getty Images | Government Press Office
Die Vereinten Nationen und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan erhielten den Preis 2001 „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“. Der damalige südkoreanische Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen Uno-Präsident Han Seung-soo (r.) nahm den Preis für die Uno entgegen.
Die Vereinten Nationen und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan erhielten den Preis 2001 „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“. Der damalige südkoreanische Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen Uno-Präsident Han Seung-soo (r.) nahm den Preis für die Uno entgegen. © REUTERS /
Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan war erst 17 Jahre alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam. Damit ist sie bis dato die jüngste Preisträgerin in allen Kategorien des Nobelpreises.
Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan war erst 17 Jahre alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam. Damit ist sie bis dato die jüngste Preisträgerin in allen Kategorien des Nobelpreises. © REUTERS | REUTERS / POOL
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Abiy Ahmed kann der Welt Hoffnung geben

Auch bei der Auszeichnung der 17-jährigen pakistanischen Schülerin und Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai 2014 ließ sich das Nobelkomitee von Illusionen leiten: Man sah in dem Mädchen, das den islamistischen Talibanmilizen im Kampf für Bildung die Stirn geboten hatte, ein Vorbild für die Dritte Welt. Doch Malalas Heimatland Afghanistan versinkt heute wieder im Chaos von Warlords, Clans und Korruption.

Der äthiopische Premier Abiy Ahmed hat ein Werk begonnen, das noch lange nicht zu Ende ist. Politische Widerstände, ethnische Spannungen und die Obstruktion der Kräfte, die sich die alte Ordnung zurückwünschen, werden ihm das Leben schwer machen. Aber der Friedensnobelpreis will ein Zeichen setzen. In einer Welt, in der es von Gewalt, Kriegen und Autokraten wimmelt, gibt es Hoffnung – ein bisschen zumindest.

• Weitere Entscheidungen des Nobelkomitees aus dieser Woche:

Literatur-Nobelpreise für Peter Handke und Olga Tokarczuk

Chemie-Nobelpreis für die Väter der Lithium-Ionen-Akkus

Physik-Nobelpreis: Warum das Universum eine Tasse Kaffee ist

Medizin-Nobelpreis für die Hoffnung auf neue Krebstherapien