Brüssel. Johnson wollte den Brexit um jeden Preis, auch unter Missachtung des Rechts. Dem haben die obersten Richter einen Riegel vorgeschoben.

Schlimmer hätte es für Boris Johnson nicht kommen können. Das Urteil des obersten britischen Gerichts ist nicht bloß ein Schlag für den Premierminister – es ist eine vernichtende Niederlage. Eigentlich müsste Johnson nach diesem Vorwurf der maßlosen Kompetenzüberschreitung und Rechtsverletzung sofort zurücktreten.

Seine Anordnung, das Parlament mitten in einer nationalen Krise für fünf Wochen auszuschalten, war rechtswidrig, nichtig, unbegründet – und berührte auf extreme Weise die Fundamente der britischen Demokratie, so die Richter.

Brexit: Johnson hätte das der Queen nicht zumuten dürfen

Der Queen, so viel ist klar, hätte Johnson niemals zumuten dürfen, eine solche Anordnung abzunicken. Mit einem derart harschen Urteil war nach der Gerichtsverhandlung vergangene Woche nicht unbedingt zu rechnen; viele Beobachter glaubten, die Richter würden sich aus der Affäre ziehen und sich für unzuständig erklären, weil der Fall eine politische Angelegenheit sei.

Von wegen. Das oberste Gericht legte es darauf an, dem Premierminister klar und schmerzhaft die Grenzen aufzuzeigen, ehe er weitere überschreitet. Wie mächtig du dich auch fühlst – das Recht steht über dir, das ist die Botschaft des Supreme Court an den Regierungschef.

Der Premier – ein notorischer Rechtsbrecher im Geiste

Es wurde höchste Zeit! Denn Johnson hat sich bereits als notorischer Rechtsbrecher im Geiste entlarvt: Das vom Parlament beschlossene Gesetz, das einen No-Deal-Brexit ohne Vertrag Ende Oktober eigentlich verbietet, will Johnson notfalls nicht befolgen, das hat er sehr deutlich und unbekümmert bereits angekündigt.

Christian Kerl, Korrespondent.
Christian Kerl, Korrespondent. © Privat

Jetzt dürfte er ahnen, dass er damit nicht durchkommen wird, weil das Gericht sich ihm dann erneut in den Weg stellen wird, sollte er den Durchmarsch „mit der Kettensäge“ wagen, wie es sein Chefberater formulierte hatte.

Die Verhandlungsposition gegenüber der EU ist geschwächt

Der Versuch, den Brexit unter allen Umständen durchzupeitschen, koste es was es wolle, dürfte also kaum noch gelingen. Gut so. Auch für die Europäische Union ist das eine gute Nachricht. Johnson kann glaubwürdig nicht mehr mit dem No-Deal-Brexit drohen, seine Verhandlungsposition ist geschwächt.

Wollte er Großbritannien wirklich Ende Oktober aus der EU führen, wie er es versprochen hat, dann müsste er jetzt in den Gesprächen mit Brüssel echte Zugeständnisse machen und nicht nur zum Schein verhandeln. Nur so käme es noch zu einem ordentlichen Brexit-Vertrag.

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Besser wäre es allerdings, Johnson würde jetzt sein Amt zur Verfügung stellen und den Weg für Neuwahlen freimachen. Gut möglich, dass das gestärkte Parlament den Premier auch zum Rückzug zwingt. Für Johnson war der Brexit vor allem ein großes Spiel. Wie es aussieht, hat er dieses Spiel verloren.