Berlin. Der Scholz-Rivale um den SPD-Vorsitz, Walter-Borjans, legt die Messlatte für die Klimabeschlüsse hoch an und setzt auf mehr Staat.

Das Bewerberduo für den SPD-Vorsitz, Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, will die großen Stromautobahnen verstaatlichen, um die Blockaden beim Leitungsausbau von Nord nach Süd zu überwinden.

In einem dieser Redaktion vorliegenden Klimaschutzkonzept betonen der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister und die Bundestagsabgeordnete, alle politischen Kräfte müssten sich um eine deutliche Erhöhung der Akzeptanz vor Ort für benötigte Stromleitungen bemühen.

„Gerechter Fortschritt durch Klimaschutz“

„Wir wollen regionale private Gebietsmonopole bei den Übertragungsnetzgesellschaften in eine von Bund und Ländern gemeinsam kontrollierte Deutsche Netzgesellschaft überführen“, heißt es in dem sechsseitigen Konzept mit dem Titel „Gerechter Fortschritt durch Klimaschutz“.

Durch eine staatliche Netzgesellschaft könne der notwendige Netzausbau zielgerichteter vorangetrieben und die aus den Netzentgelten erwirtschafteten Gewinne verstärkt in Investitionen für die Energiewende umgelenkt werden. Der Aufbau einer Deutschen Netz AG wird seit Jahren kontrovers diskutiert.

Geplanter Ausbau stößt auf erheblichen Widerstand

Derzeit ist das überregionale Stromnetz in Deutschland in vier Gebiete aufgeteilt. Sie werden von den Netzkonzernen Tennet, Amprion, 50 Hertz und TransnetBW betrieben. Der geplante Ausbau der Stromautobahnen, die vor allem Windstrom von den Küsten in die Industriezentren im Südwesten bringen sollen, stößt auf erheblichen Widerstand von Anwohnern und Naturschützern.

Die GroKo-Gegner Esken und Walter-Borjans, die im SPD-Mitgliederentscheid derzeit als aussichtsreichste Rivalen von Finanzminister Olaf Scholz und seiner Co-Bewerberin Klara Geywitz gehandelt werden, legen mit ihrem Neun-Punkte-Plan die Messlatte für die erwarteten Klimabeschlüsse der Koalition hoch an.

Für Scholz, der zentrale Verhandler der SPD im Klimakabinett ist, wird es entscheidend darauf ankommen, ob die SPD-Mitglieder die Kompromisse mit der Union in der Klimapolitik mittragen. Ende Oktober stimmen die 425.000 Parteimitglieder über die Nachfolger von Andrea Nahles ab.

Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit sind untrennbar

Im Dezember entscheidet dann ein SPD-Parteitag in Berlin, ob die Fortsetzung der Regierung bis 2021 für die Sozialdemokraten noch Sinn macht. Esken/Walter-Borjans betonen, Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit gehörten untrennbar zusammen.

„Wer das Ende des Monats mehr fürchtet als das Ende der Welt, wird sich gegen neue Verbrauchssteuern oder Nebenkosten stemmen, ganz gleich, welche ökologische Lenkungswirkung sie haben mögen.“ Wenn der Schichtarbeiter aus Köln oder die alleinstehende Rentnerin in Dresden die EEG-Umlage zahlen müssten, aber in einem Umlagesystem immer mehr Unternehmen von der Zahlung befreit würden, sei das ungerecht.

Stromkunden sollen entlastet werden

Deshalb muss das System verändert werden, indem aus der Umlage eine steuerfinanzierte Förderung wird.“ Konkret sollte dafür ein „Investitionsfonds Energiewende“ aufgelegt werden. Der Fonds solle zunächst jährlich 10 Milliarden Euro über den Kapitalmarkt einsammeln.

„Dieses Geld wird zur Finanzierung der bislang allein über die EEG-Umlage bezahlten Förderkosten genutzt und die EEG-Umlage entsprechend reduziert. Damit sinkt der Strompreis.“ Auch die Koalition plant, die Umlage für den Ausbau der Erneuerbaren Energie, die derzeit jeder Stromkunde mit rund 6,4 Cent je Kilowattstunde bezahlt, zu verringern.

Auszüge aus dem vorliegenden Konzept von Walter-Borjans/Esken: „Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit gehören untrennbar zusammen. Wenn wir es nicht schaffen, die soziale Ungleichheit einzudämmen, dann wird sie aus unserer Gesellschaft die Kraft saugen, die wir brauchen, um aus Wandel Fortschritt zu machen.

Umlagesystem muss verändert werden

Wer das Ende des Monats mehr fürchtet als das Ende der Welt, wird sich gegen neue Verbrauchssteuern oder Nebenkosten stemmen, ganz gleich, welche ökologische Lenkungswirkung sie haben mögen. Wenn der Schichtarbeiter aus Köln oder die alleinstehende Rentnerin in Dresden die EEG-Umlage zahlen müssen, aber in einem Umlagesystem immer mehr Unternehmen von der Zahlung befreit werden, ist das ungerecht.

Deshalb muss das System verändert werden, indem aus der Umlage eine steuerfinanzierte Förderung wird. Das Stromnetz ist das Rückgrat der Energiewende. Seit Jahren hinkt der tatsächliche Ausbau der Übertragungsnetze hinter den Planungen hinterher.

Fond soll jährlich zehn Milliarden Euro sammeln

Alle politischen Kräfte müssen sich um eine deutliche Erhöhung der Akzeptanzbereitschaft vor Ort bemühen. Wir wollen regionale private Gebietsmonopole bei den Übertragungsnetzgesellschaften in eine von Bund und Ländern gemeinsam kontrollierte Deutsche Netzgesellschaft überführen.

Durch sie kann der notwendige Netzausbau zielgerichteter vorangetrieben und die aus den Netzentgelten erwirtschafteten Gewinne verstärkt in Investitionen für das gesellschaftliche Ziel der Energiewende umgelenkt werden.

Gerechte Verteilung der Lasten

Zum Zweck der gerechten Verteilung der Lasten zwischen den Generationen wollen wir daher, einen „Investitionsfonds Energiewende“ auflegen, der das Fördervolumen im Rahmen des EEG abdeckt. Der Fonds sammelt dabei zunächst jährlich 10 Mrd. € über den Kapitalmarkt ein.

Dieses Geld wird zur Finanzierung der bislang allein über die EEG-Umlage bezahlten Förderkosten genutzt und die EEG-Umlage entsprechend reduziert. Damit sinkt der Strompreis. Getilgt wird der Fonds ab 2050 durch eine neue Umlage, die auf die dann vergleichsweise niedrigen Strompreise aufgeschlagen wird. Die Höhe der jährlich über den Fonds aufzubringenden Entlastung sollte dabei von der weiteren Entwicklung der EEG-Förderung abhängen.“