Dresden. Sachsens AfD feiert ihren Wahlerfolg und greift zugleich das Ergebnis an. Sie spricht von einem „Politikskandal“. Was steckt dahinter?

Es ist erst ein paar Stunden her, da feierte sich die AfD als Wahlsieger in Sachsen. AfD-Chef Jörg Meuthen sprach von einem „vollen Erfolg“, Spitzenkandidat Jörg Urban nannte das Ergebnis in Sachsen „historisch“.

Und doch: Urban will juristisch gegen die Wahl vorgehen. Unabhängig vom Ergebnis, wie der AfD-Politiker am Montag in Berlin sagte. Der Grund für die Klage: Die AfD musste zur Landtagswahl in dem ostdeutschen Bundesland mit einer gekürzten Kandidatenliste antreten.

„Rechtswidriger Eingriff“

Der Landeswahlausschuss hatte so entschieden, weil die AfD vor der Wahl ihre Kandidaten auf zwei Parteiversammlungen und mit unterschiedlichen Verfahren gewählt hatte. Urban sprach nun wiederholt von einem „Politikskandal“ und einem „rechtswidrigen Eingriff“.

Diesen wolle die sächsische Partei in jedem Fall aufklären lassen. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis landet die AfD mit 27,5 Prozent der Stimmen auf Platz 2 hinter der CDU. Der AfD stehen somit eigentlich 39 Sitze im sächsischen Parlament zu.

Doch besetzt sie nur 38 Plätze. Ein Sitz im Landtag bleibt unbesetzt. Der Grund: Nur 30 statt 61 Bewerber ließ die Wahlleitung für die AfD zu.

Mängel im Verfahren

Acht Plätze konnte die Partei über Direktkandidaten zusätzlich besetzen, also mit Politikern, die nicht auf der Landesliste stehen, aber durch die Erststimme einen Wahlkreis direkt gewinnen. Macht insgesamt: 38 Sitze im Parlament.

Was war genau passiert? Mitte März schickte die AfD in Sachsen eine Pressemitteilung raus. „Die Landesliste der AfD Sachsen ist gewählt“, hieß es. Auf zwei Mitgliederversammlungen im Februar und März hatten sich Bewerber aufgestellt.

Erst wählten die Mitglieder 18 Kandidaten, dann noch einmal zwölf weitere Kandidaten, jede und jeder wurde einzeln gewählt. Die Bewerber 31 bis 61 stellte die AfD in Blöcken zur Wahl, damit das ganze Prozedere schneller geht.

Verstoß gegen Chancengleichheit?

Doch dann die schlechte Nachricht für die AfD: Der Landeswahlausschuss, ein Gremium aus Wahlleitern und Richtern, ließ nur 18 Kandidaten zu. Der Grund: Er sah gravierende Mängel – die Liste der AfD-Kandidaten wurde auf mehreren Versammlungen aufgestellt, mit jeweils unterschiedlichen Leitern.

Zudem änderte die AfD während der Wahl ihrer Listenplätze das Verfahren – von Einzelwahl auf Blockwahl. Die Chancen für alle Kandidaten der AfD seien damit nicht gleich gewesen, so der Ausschuss.

Die AfD hatte gegen die Entscheidung noch vor der Wahl Beschwerde eingelegt – zum Teil mit Erfolg. Das sächsische Verfassungsgericht ließ alle 30 Kandidaten für die Wahl zu, die im Einzelverfahren gewählt wurden.

Sachsens AfD-Chef Urban: „Ein Argument mehr“ für Klage

Schon vor der Wahl am Sonntag hatte Sachsens AfD-Chef Urban dennoch weitere juristische Schritte angekündigt. Dass nun ein Platz der AfD im Landtag unbesetzt bleibt, sei „ein Argument mehr“ für eine Klage.

Wie geht es nun weiter? Die AfD kann sich nun in einem sogenannten Wahlprüfungsverfahren mit einem Einspruch an den Sächsischen Landtag wenden. Der Ausschuss, der den Urnengang prüft, kann den Einspruch allerdings ablehnen. Die AfD wird dann nach eigenen Angaben Beschwerde vor einem Gericht einreichen.

Der Fall landet dann erneut beim sächsischen Verfassungsgerichtshof. Experten rechnen der Klage der AfD allerdings wenig Chancen aus. „Das von der AfD angekündigte Vorgehen dürfte deshalb nicht zuletzt politisch motiviert sein, um sich einmal mehr als vermeintliches Opfer von Justiz und Behörden zu inszenieren“, sagte Jochen Rozek, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Leipzig, im Gespräch mit unserer Redaktion.

„Risiken gering, Ertrag hoch“

Bereits im August habe sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung erklärt, dass die nachträglich beschlossene Änderung des Wahlverfahrens ab dem Listenplatz 31 „einen gravierenden Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip einer demokratischen Wahl“ darstellt, so Rozek.

Ähnlich sieht es auch Professor Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam. „Ich glaube nicht, dass eine Klage der AfD gegen die Wahl aussichtsreich ist“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Auch Schmidt sieht eine politische Taktik hinter der Androhung einer Klage durch die AfD. „Die Risiken der AfD bei dieser Klage sind gering, sie trägt allenfalls die eigenen Anwaltskosten. Der Ertrag allein durch die öffentliche Aufmerksamkeit aber ist groß.

Vorher neun Sitze, jetzt 38 für AfD

Auch Schmidt verweist auf die Entscheidung des Gerichts zu dem Fall im August. Im Detail heißt es dort: „Der Wechsel des Wahlverfahrens während des Wahlvorganges begründet einen zumindest abstrakten Verstoß gegen den Kerngehalt des Gebots der Gleichheit der Wahl und damit schon für sich genommen einen schweren Fehler bei der Auswahl, Aufstellung und Nominierung von Wahlbewerbern“, so das Urteil.

Vorerst bleibt es bei den 38 Sitzen der AfD im sächsischen Landtag. Schon das verändert die Lage gravierend. Bisher hatte die rechte Partei nur neun Politiker im Parlament.