Berlin. Olaf Scholz ist nun auch ein Kandidat auf den SPD-Vorsitz. Indes haben sich Gesine Schwan und Ralf Stegner zu ihren Plänen geäußert.
In das Rennen um den SPD-Vorsitz ist Bewegung gekommen. Neben Bundesvize Ralf Stegner und Gesine Schwan will nun auch Olaf Scholz an die Spitze der Partei, die um ihre Bedeutung kämpft. Der Finanzminister signalisierte seine Bereitschaft für eine Kandidatur am Montag dieser Woche in einer Telefonschalte mit den Interimsvorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel, wie es am Freitag in Parteikreisen in Berlin hieß.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs hat Scholz’ Pläne begrüßt. „Olaf Scholz hat Augenhöhe und Durchschlagskraft gegenüber Merkel, Söder und Kramp-Karrenbauer“, sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Er kann unsere SPD-Anliegen durchsetzen.“
Auch mehrere führende Hamburger SPD-Politiker haben die Nachricht positiv aufgenommen. Die SPD brauche Vorsitzende, die Ideen für das Land haben und Verantwortung übernehmen, erklärte die Landesvorsitzende Melanie Leonhard am Freitag auf Twitter. „Olaf Scholz hat mehrfach bewiesen, dass er das kann.“ Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt und Bundestagsabgeordneter, twitterte: „Das bringt uns wieder nach vorn: Olaf Scholz übernimmt Verantwortung und gibt der SPD eine klare Perspektive!“
Gesine Schwan und Ralf Stegner: „Wir sind ein Power-Duett“
Indes stellten sich Gesine Schwan und Ralf Stegner, die im Rennen um den SPD-Vorsitz kurz zuvor ihren Hut in den Ring geworfen hatten, am Freitagmittag in Berlin der Presse. Beide stünden für das Profil einer linken Volkspartei, die sich nicht über Koalitionen definiert, erklärte er.
Im Hinblick auf das Alter – Stegner ist 59 und Schwan 76 – sagte Stegner, Altersfragen und regionale Aspekte spielten eine Rolle, aber nicht die entscheidende. Zudem habe Schwan deutlich mehr Power, Ideen und Integrationskraft als viele Jüngere. „Es lohnt sich anzutreten“, sagte der Kieler SPD-Fraktionschef auf die Frage nach ihren Chancen.
Stegner und Schwan: Sie rechnen mit weiteren Bewerbern
„Wir sind ein Power-Duett“, betonten die Kandidaten. Es störe sie auch nicht, dass sich am Tag ihrer offiziellen Kandidatur mit Finanzminister Olaf Scholz und dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius zwei Hochkaräter für den Parteivorsitz ins Spiel gebracht hätten. „Wir haben da ganz viel Lust drauf, Gesine Schwan und ich“, sagte Stegner. „Wer uns abschreibt, der täuscht sich.“
Er rechne mit weiteren prominenten Bewerbungen, sagte Stegner. Prominenz allein entscheide aber nicht. Es komme viel auf die Veranstaltungen an, bei denen sich die Bewerber den Mitgliedern stellen. Er glaube, dass der Parteivorsitz sehr gut mit dem Posten eines Landtagsfraktionschefs vereinbar wäre, sagte Stegner. Er sei schon jetzt sehr viel in Deutschland unterwegs und oft in Berlin.
Die SPD müsse mehr innerparteiliche Demokratie wagen, sagte Stegner. Sie brauche auch mehr Selbstbewusstsein, Leidenschaft und direkte Sprache. „Wir überlassen die einfache Sprache den Populisten – das ist falsch.“ Eine Doppelspitze sei keine Patentlösung, könne aber zu einem etwas kollegialeren Führungsstil betragen.
Auch Scholz will Chef werden – auch, wenn er zuerst bestritten hat
Auch der Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist bereit, für den SPD-Vorsitz zu kandidieren. Er habe dies den drei Interimsvorsitzenden der Partei angeboten, bestätigte eine SPD-Sprecherin am Freitag einen entsprechenden Bericht des „Spiegel“. Scholz hatte zuletzt stets erklärt, aus zeitlichen Gründen nicht zur Verfügung zu stehen.
Seit Montag sondiere Scholz im Hintergrund das Feld und suche eine Tandempartnerin, mit der er als Doppelspitze antreten kann, berichtet der „Spiegel“. Seine Regierungsämter will Scholz nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland trotz der möglichen Bewerbung um den SPD-Parteivorsitz behalten.
SPD-Vorsitz: Boris Pistorius gilt seit Längerem als Kandidat
Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping haben intern ihre Kandidatur angekündigt. Ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums bestätige dies am Freitag.
Pistorius galt seit Längerem als möglicher Kandidat. Der 59-jährige Pistorius ist seit 2013 Ressortchef in Hannover und gilt als erfahrener Innenpolitiker der SPD. Eine Sprecherin der Staatskanzlei erklärte, es spreche nichts gegen eine Bewerbung eines Mitglieds aus einem Landeskabinett. „Ich gehe nicht davon aus, dass seine Amtsführung darunter leiden wird“, sagte sie weiter.
Boris Pistorius und Petra Köpping gegen Gesine Schwan und Ralf Stegner
Die 61 Jahre alte Köpping ist in Dresden seit 2014 Staatsministerin für Gleichstellung und Integration. Sie hat sich vor allem im Osten einen Namen gemacht. In dem Suchprozess für einen SPD-Vorsitz hatte sie sich bereits im Juni für eine Doppelspitze mit einem Vertreter aus dem Osten ausgesprochen. Während der Regierungsbildung war sie auch als Kandidatin für ein Bundesministerium im Gespräch.
Gesine Schwan und Ralf Stegner wollten am Freitag offiziell ihre Kandidatur als Duo erklären. Mit Stegner tritt damit der erste Vertreter der Parteispitze an.
Am Mittwoch wurde in Parteikreisen bestätigt, dass die zweimalige Kandidatin für das Bundespräsidentenamt Schwan und der stellvertretende SPD-Chef Stegner in das Rennen um die Nachfolge der zurückgetretenen Andrea Nahles einsteigen wollen. Damit dürfte das Bewerberkarussell, in dem bislang eher Genossen aus der zweiten Reihe Platz genommen hatten, richtig an Schwung gewinnen.
Über SPD-Grenzen hinweg prominent sind Schwan und Stegner. Aber sind sie populär und erfahren genug, um die Richtung Zehn-Prozent-Marke taumelnde Volkspartei zu stabilisieren? Beide stehen der großen Koalition kritisch gegenüber. Einige fragen sich bereits: Reißt die SPD die Bundesregierung in den Abgrund?
Gesine Schwan nannte ihre SPD „schrecklich mutlos“
Der unter Andrea Nahles nach der desaströs verlorenen Bundestagswahl 2017 gestartete Erneuerungsprozess war mit dem Versprechen an die Mitglieder gestartet worden, die SPD solle jünger, weiblicher und moderner werden. Viele Sozialdemokratinnen schätzen zwar Schwan, die die Grundwertekommission leitet und sich in der Wissenschaft einen Namen gemacht hat. Aber sie steht eher für eine sozialdemokratische Wohlfahrtspolitik aus dem vergangenen Jahrhundert.
In den vergangenen Wochen hatte Schwan, die mit dem Transparency-Gründer Peter Eigen verheiratet ist, einen Interview-Marathon hingelegt und den aktuellen Zustand ihrer Partei beklagt. „Wir sind so schrecklich mutlos“, hatte sie jüngst dem „Spiegel“ gesagt.
Dass nach dem Nahles-Rücktritt keiner aus der Schar der Ministerpräsidenten und Bundesminister antreten wollte, nannte Schwan „peinlich und bedrückend“. Indirekt kokettierte Schwan mit der Idee, gemeinsam mit Juso-Chef Kevin Kühnert die SPD retten zu wollen. Mit Kühnert selbst hatte sie zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht gesprochen.
• Die Bilderstrecke zeigt die SPD-Vorsitzenden seit 1946:
Die Vorsitzenden der SPD seit 1946
Ralf Stegner ist ein erfahrener und analytischer Kopf
Stegner ist in der SPD seit Jahren ein Aushängeschild des linken Flügels. In seiner Heimat Schleswig-Holstein war er Finanz- und Innenminister. Seit mehr als zehn Jahren führt er die Landtagsfraktion an. In den eigenen Reihen spürte Stegner seit längerem verstärkten Gegenwind. Etliche in der SPD sind genervt, weil Stegner zu jeder Tages- und Nachtzeit zu jedem Thema manchmal schneller twittert als er atmet. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann sagte einmal: „Nehmt dem Stegner das Handy weg!“ Das war nur halb scherzhaft gemeint.
Stegner ist aber ein analytischer Kopf, der vor allem bei der Inneren Sicherheit sowie der Asyl- und Migrationspolitik sehr erfahren ist. Den Landesvorsitz in Kiel gab er auf, auch weil der Druck nach einem Generationenwechsel wuchs. Die 44 Jahre alte Landtagsabgeordnete Serpil Midyatli übernahm die Spitze. 2012 wäre Stegner fast Ministerpräsident geworden. Doch er verlor einen Mitgliederentscheid gegen Torsten Albig, der 2017 dann von CDU-Mann Daniel Günther abgelöst wurde.
Schwan und Stegner, die am Freitag gemeinsam in Berlin auftreten wollen, benötigen für die Kandidatur noch die Nominierung durch einen Landesverband, einen Bezirk oder fünf Unterbezirke. Diese Hürde haben bislang nur Christina Kampmann, NRW-Landtagsabgeordnete, und Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, genommen.
SPD nimmt noch bis 1. September Bewerbungen an
Bis zum 1. September können sich Bewerber für den SPD-Vorsitz noch melden. Dann touren die Kandidaten bis Mitte Oktober durch Deutschland und stellen sich den SPD-Mitgliedern in 23 Regionalkonferenzen vor.
Die erste Reihe der Partei dürfte sich nun genau überlegen, ob sie einer Professorin ohne Regierungserfahrung und einem polarisierenden Vertreter des linken Flügels das Feld überlässt. Die Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig hatten abgewunken, ebenso Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil. Bei ihm soll die Absage aber noch nicht in Stein gemeißelt sein. Eine Kandidatur hält sich Generalsekretär Lars Klingbeil offen.
Unklar ist, was Oberjuso Kühnert macht. Auch die beliebteste aller Aspiranten zögert. Familienministerin Franziska Giffey belastet die Überprüfung ihrer Doktorarbeit.
(tb/ses/dpa)