Dortmund. Mittlerweile geht jeder elfte Schüler auf eine Privatschule. Gewerkschafter fürchten dadurch eine Verschärfung der sozialen Spaltung.

Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder auf Privatschulen – oder haben zumindest den Wunsch, es zu tun. Die Schülerzahlen an Schulen in privater Trägerschaft sind in allen Bundesländern konstant oder steigend, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat.

Auch Carsten Linnemann hat mit seinen umstrittenen Äußerungen über Sprachkompetenzen vor der Einschulung ein Licht auf dieses Thema geworfen. Der „Rheinischen Post“ hatte der Unionsfraktionsvize gesagt: „Bis tief hinein in die Mittelschicht erlebe ich Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinkt.“

Ein Trend, der bei Gewerkschaftern Sorgen hervorruft: Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirken private Schulen „sozial selektiv“ und verschärfen die soziale Spaltung. Die GEW in Nordrhein-Westfalen kritisierte, auch der schlechte Zustand vieler öffentlicher Schulen habe zu der steigenden Privatschulnachfrage beigetragen.

„Bei vielen Eltern nimmt das Gefühl zu, dass das öffentliche Schulsystem überfordert ist“, sagte Klaus Klemm, Bildungsforscher an der Uni Duisburg-Essen und Autor einer umfassenden Studie über die Lage der Privatschulen in Deutschland, unserer Redaktion im vergangenen Jahr. Die GEW fordert die Politik nun auf, diesem Trend entgegenzuwirken.

Wir geben einen Überblick über die Lage der Privatschulen in den Bundesländern:

• Nordrhein-Westfalen: Für NRW meldet das Statistikamt IT.NRW steigende Zahlen. Zuletzt lernten dort demnach fast 163.100 Schüler an einer privaten Ersatzschule – 0,3 Prozent mehr als 2017/18. An der Schülergesamtzahl mache der Anteil der Privatschüler 8,6 Prozent aus – und sei vor allem bei Gymnasien mit 16,8 Prozent hoch.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sieht die Privaten als eine Ergänzung – eine „gute und erfolgreiche Bildungsbiografie“ sei an allen Schulformen möglich.

• Hamburg: Die Hansestadt meldet „konstanten Zulauf“ an Privatschulen.

• Berlin: In der Hauptstadt besuchen rund 37.000 Schüler Privatschulen – ein Anteil von rund 10 Prozent.

• Niedersachsen: Die Zahl der Privatschüler blieb zuletzt konstant.

• Bayern: Im Freistaat gingen im Schuljahr 2018/19 knapp 146.800 Kinder und Jugendliche in eine der 625 Privatschulen. Das macht einen vergleichsweise hohen Anteil von 11,7 Prozent aus.

Zur Motivation der Eltern heißt es beim dortigen Lehrerverband, viele wollten ihre Kinder vor dem in Bayern besonders leistungsorientierten System der öffentlichen Schulen bewahren. Es gebe aber auch elitär ausgerichtete Gründe. Von einer „bedauerlichen Entwicklung“ spricht der Landeselternverband. Eltern gingen wohl von besserer Förderung und Geborgenheit bei privaten Trägern aus.

• Hessen: Das hessische Kultusministerium verzeichnete einen leichten, kontinuierlichen Anstieg: Dort besuchten nahezu 54.700 Heranwachsende eine allgemeinbildende Schule in privater Trägerschaft – ein Anteil von gut 7 Prozent.

Viele Eltern hätten Interesse an Reformpädagogik, meint die Arbeitsgemeinschaft der freien Schulen. Auch die GEW in Hessen verlangt eine Stärkung des öffentlichen Systems. Die Privaten könnten mit kleinen Klassen und umfangreicher Betreuung punkten.

• Baden-Württemberg: Aktuell gibt es im Südwesten mehr Privatschüler als jemals zuvor. Rund 106.800 Schüler besuchten eine allgemeinbildende Privatschule – 0,8 Prozent mehr als 2017/18. Nach Einschätzung der dortigen GEW wollen Eltern über das Umfeld ihrer Kinder bestimmen. „Und private Schulen wählen nach Milieu oder auch nach Religion aus.“

• Rheinland-Pfalz: Dort bewegt sich die Privatschüler-Quote in Richtung 8 Prozent.

• Saarland: Knapp 8600 Privatschülern sind hier gemeldet. Die Zahl sei zuletzt konstant geblieben, heißt es.

• Bremen: Hier herrscht zwar große Unzufriedenheit mit den öffentlichen Schulen, einen Ansturm auf die Privaten gibt es trotzdem nicht. Laut Bildungsverwaltung besucht immerhin etwa jeder zehnte Schüler eine Privatschule.

Schleswig-Holstein: Das Bildungsministerium hält die Ersatzschulen für „eine gute Ergänzung des öffentlichen Bildungssystems“. Dort lernen nur 5 Prozent der Schüler an Privatschulen.

• Brandenburg: Dort ist der Anteil binnen zehn Jahren von 8 Prozent auf aktuell gut 11 Prozent geklettert – was nach Einschätzung des Bildungsministeriums an besonderen Konzepten oder schlicht am kurzem Schulweg liegen könnte.

• Thüringen: Hier geht mehr als jeder zehnte Schüler an einer privaten Schule lernt – Tendenz steigend. Das Milieu sei geprägt von einer gut situierten Elternschaft mit hohem Bildungsabschluss, meint die dortige GEW. Die Evangelische Schulstiftung verweist aber auf sozial gestaffeltes Schulgeld und gemischte Elternschaft.

• Sachsen-Anhalt: Auch von hier werden steigende Zahlen an Privatschulen gemeldet.

(dpa/ac)