Washington. Er warnte vor Nordkorea und attestierte dem Iran Vertragstreue, nun muss Dan Coats gehen. Trump war schon länger unzufrieden mit ihm.

Als Amerikas Außenminister noch Rex Tillerson, der Mann im Pentagon James Mattis, der Stabschef im Weißen Haus John Kelly, der Sicherheitsberater des Präsidenten H.R. McMaster und der oberste Geheimdienstler Dan Coats hieß, hielt sich in Washington die Erzählung von den „Erwachsenen”, die Donald Trumps erratische Außenpolitik zivilisieren und so das Schlimmste verhindern würden. Mit Coats ist jetzt der letzte „adult in the room” kurz vor dem Absprung.

In zwei Wochen zieht der 76-jährige Direktor sämtlicher 17 Geheimdienste von NSA bis CIA, ein Urgestein des moderaten, republikanischen Establishments, die Konsequenz aus einer schleichenden Zerrüttung mit Trump – und geht.

Sein Nachfolger wird vorbehaltlich parlamentarischer Zustimmung der zuletzt durch flammende Verteidigungsreden für Trump in der Russland-Affäre aufgefallene texanische Kongress-Abgeordnete John Ratcliffe (53). Republikaner, Ex-Staatsanwalt und früherer Bürgermeister eines Vororts von Dallas.

Dan Coats ist von Donald Trump übergangen worden

Coats Abgang ist der Schlusspunkt einer in dieser Form seltenen Fehde zwischen Commander-in-Chief und dem Leadsänger der für die Nationale Sicherheit zuständigen Chöre. Auch wenn Trump Coats via Twitter „für seine großen Verdienste für unser Land” dankte, war der Präsident spätestens seit der noch immer sagenumwobenen Begegnung mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Sommer 2018 in Helsinki mit dem früheren Senator aus Indiana und US-Botschafter in Berlin (2001 bis 2005) mehr als unzufrieden.

Coats, ein Mann alter Schule, war über die Anbahnung des Spitzentreffens offenbar komplett im Dunkeln gelassen worden. Als er später in einem Interview von einer Journalistin von einer angeblich bevorstehenden Einladung Putins ins Weiße Haus unterrichtet wurde, sagte Coats konsterniert: „Was? Sagen Sie das noch mal”. Und kurz darauf mit einem kopfschüttelnden Schmunzeln: „O.k. Na, das wird ja was Besonderes.”

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Dass Trump in Helsinki keinen Vertrauten mit in das nur von Dolmetschern begleitete Gespräch mit Putin nahm, hielt Coats dem Vernehmen nach für „unglaublich sorglos”. Ergebnis: Bis heute weiß niemand unabhängig von Trump und Putin, was die Staatschefs damals besprochen haben.

Russland-Affäre: Trump nannte Coats „naiv“

Ähnlich im Clinch lagen Coats und Trump, als es um die Bedrohung der amerikanischen Demokratie durch Moskau ging. Noch im Januar bekräftigte der dreifache Vater, dass Russland mit Macht dabei sei, auch die kommenden US-Wahlen 2020 mit den Mitteln der digitalen Kriegsführung unter anderem in sozialen Medien zu torpedieren. Trump streitet schon die klandestinen, wahlbeeinflussenden Aktionen Russlands 2016, für die sich sämtliche US-Geheimdienste verbürgen, ab.

Als Coats dem seinerzeit entgegenhielt, man werde weiter „ungeschminkte und objektive Informationen” zur Unterstützung unserer nationalen Sicherheit liefern, blaffte Trump zurück, seine Sicherheitsdienste seien „naiv”.

Dan Coats unter Verdacht, Trumps Politik zu sabotieren

Dass Coats bis vor wenigen Wochen dem Iran Vertragskonformität in Sachen Atomabkommen attestierte, passte Trump ebenso wenig ins Konzept wie Coats Warnungen vor Nordkorea. Dass Diktator Kim Jong-un seine Nuklear-Waffen komplett verschrotten werde, wie Trump der Öffentlichkeit suggeriert, sei unrealistisch, sagte er bei einer Anhörung im Kongress. Zitat: „Nordkoreanische Führer betrachten Atomwaffen als entscheidend für das Überleben des Regimes.”

Als im Herbst vergangenen Jahres ein Aufsehen erregender Artikel in der „New York Times“ erschien, geriet auch Coats im Weißen Haus inoffiziell unter Obstruktionsverdacht. Ein Anonymus der Regierung hatte sich öffentlich der Sabotage der Politik Trumps bezichtigt. Zitat: „Viele hochrangige Offizielle in seiner eigener Administration arbeiten gewissenhaft daran, Teile seiner Agenda und seiner schlimmsten Tendenzen zu hintertreiben. Ich muss es wissen. Ich bin einer von ihnen.”

Coats wäre wohl schon früher ausgemustert worden

Wäre nicht Vizepräsident Mike Pence gewesen, der wie Coats lange im Bundesstaat Indiana politisch aktiv war und ihm den Rücken stärkte, hätte Trump den für seinen trockenen Humor bekannten Polit-Routinier schon früher ausgemustert.

In politischen Kreisen in Washington wird erwartet, dass Coats designierter Nachfolger Ratcliffe im Verein mit Justizminister William Barr die Geheimdienste einspannen könnte, um angebliche Indizien für die von Trump behauptete Intrige des „tiefen Staates” (deep state) gegen seine Präsidentschaft in die Öffentlichkeit zu lancieren.

Coats hielt diese Annahme immer schon für Kokolores.