Donald Trump macht zum Wahlkampf-Auftakt Wutbürger mobil
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Donald Trump hat seinen Wahlkampf mit verantwortungslos diffamierenden Worten gestartet. Ob sein Kalkül aufgeht, ist aber fraglich.
Wenn die Weisheit noch gilt, dass Präsidentschaftswahlen in Amerika über die Attraktivität und Überzeugungskraft von Zukunftsentwürfen entschieden wird, dann hat sich am Dienstagabend in Orlando/Florida das glatte Gegenteil abgespielt.
Donald Trump, der amtierende Mann im Weißen Haus, hat seine offizielle Wiederwahl-Kampagne 17 Monate vor dem nächsten Urnengang mit einem unversöhnlichen, rückwärtsgewandten Zungenschlag begonnen. An keiner Stelle seiner 75 Minuten langen Rede vor 20.000 eingefleischten Anhängern ließ der New Yorker Geschäftsmann erkennen, mit welchen Inhalten er eine zweite Amtszeit bis 2024 zu füllen gedenkt.
Donald Trump verunglimpft Demokraten als Landesverräter
Statt des Versprechens von 2015, Amerika „wieder groß zu machen“, erklärte Trump, dass es nun darum gehen müssen, Amerika „groß zu halten”. Wie? Auf welchen Feldern? Mit welchen Mitteln angesichts eines politisch mehr und mehr in Blockade-Haltung verfallenden Kongresses? Fehlanzeige.
Weite Teile der bis auf wenige Improvisationen vom Teleprompter abgelesenen Rede bewegten sich nicht nur in den seit Wahlkampfzeiten bekannten Mustern. Der politische Konkurrent, die Demokraten, wurden von Trump de facto als Landesverräter verunglimpft, die alle Errungenschaften wieder rückgängig machen würden, die sich Trump in seinen ersten zweieinhalb Amtsjahren in gewohnter Unbescheidenheit ans Revers heftete.
Nicht nur das. Indem sie ihn, den Präsidenten – siehe das gerade laufende Nachspiel zur Russland-Affäre – mit der „größten Hexenjagd in der Geschichte der USA” überziehen, wolle die Opposition einem „wütenden, linksgerichteten Mob” gleich seine Wähler von 2016 geradezu eliminieren.
„Sie haben versuchten, eure Wahl auszuradieren”, sagte Trump. „Sie wollen euch zerstören und sie wollen unser Land, wie wir es kennen, zerstören.“
Trump hält nur seine Basis bei Laune – reicht das?
Seine in einem ohnehin bis in die Haarspitzen polarisierten Land verantwortungslos diffamierenden Worte können nicht anders verstanden werden als latente Mobilmachung jener Wutbürger, die auch nach vier Jahren in einer Art pawlowschem Reflex noch immer die Inhaftierung der damaligen Widersacherin Hillary Clinton fordern.
Spekulationen, dass Trump eine laut aktuellen Umfragen sehr wohl mögliche Niederlage 2020 als Wahlbetrug bezeichnen und eine Art nationalen Notstand heraufbeschwören könnte, haben in Orlando neue Nahrung erhalten. Mit seinem unverändert konfrontativen Stil, in dem die pauschale Verunglimpfung der meisten Medien und politisch Andersdenkender weiter integrale Bestandteile sind, hat Trump gewiss seine Basis bei Laune gehalten – aber seine Attraktivität in anderen Wählerschichten nicht vergrößert.
Das sind die US-Präsidenten seit 1945
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Ob dieses Kalkül aufgeht, bleibt abzuwarten. Interne Umfragen sehen Trump derzeit gerade in jenen Schlüssel-Bundesstaaten im Mittleren Westen auf dem absteigenden Ast, die ihn 2016 ins Weiße Haus gebracht haben.
Konservative Zeitung will Trump nicht mehr zur Wahl empfehlen
Symptomatisch für den diffusen Stimmungsumschwung: Die erste Zeitung am Ort, der „Orlando Sentinel“, der seit über 50 Jahren mit einer Ausnahme republikanischen Präsidenten die Stange gehalten hat, ließ vor Redebeginn seine Leser in einem spektakulären Leitkommentar wissen, dass man 2020 keinesfalls mehr die Wahl Trumps empfehlen wird. Warum?
„Nach zweieinhalb Jahren haben wir genug gesehen. Genug vom Chaos, von der Spaltung, den Schulhof-Gemeinheiten, der Selbstverherrlichung, der Korruption und insbesondere den Lügen.“ Amerika müsse noch 18 Monaten Trump „aushalten“. Aber es sollte nicht noch vier Jahre darüber hinaus „leiden“. Wir können das besser, schließt der Kommentar, wir müssen das besser machen.