Berlin. Die kommissarische SPD-Vorsitzende verteidigte das angeschlagene Bündnis bei Maybrit Illner. Grünen-Chefin Baerbock konnte sich zurücklehnen.

Für die Grünen könnte es kaum besser laufen. Die Partei ist dabei, die Vorherrschaft im Mitte-Links-Lager zu übernehmen. In den Umfragen liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union um Platz eins. Selbst der Alt-Linke Hans-Christian Ströbele hat schon die Idee eines eigenen Kanzlerkandidaten ins Spiel gebracht.

Wenn es einen großen Gewinner der GroKo-Krise gibt, ist es die Öko-Partei. Deren Chefin Annalena Baerbock gab sich am Donnerstagabend bei Maybrit Illner aber alle Mühe, den Ball flach zu halten, nur nicht den Eindruck zu erwecken, jetzt übermütig zu werden. „GroKo in der Sackgasse – letzte Ausfahrt Neuwahl?“, lautete das Thema der Sendung. Und vor allem eine Partei würde vom Aus der Regierung profitieren: die Grünen. Doch die naheliegende Frage nach einem Kanzlerkandidaten überging Baerbock lieber.

Aktuelle Umfrage: Die Grünen überholen erstmals die Union.

Mögen Union und SPD sich noch so sehr raufen, das Spitzenpersonal auswechseln, die Grünen stehen für Inhalte. Sagt die Parteichefin. Dazu gehörten, na klar, der Klimaschutz, aber auch der Kampf gegen Kinderarmut und für eine gerechte Rentenpolitik. Einzig der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stichelte in Richtung der grünen Spitzenfrau. „Die Modelle der Grünen sind damit verbunden, alles nur teurer zu machen. Eine Bestrafungsmentalität wird aber nicht funktionieren“, so der CSU-Chef.

Bei Maybrit Illner sprach sich auch Philip Amthor für einen CO2-Preis aus

Ganz klar: Protestbewegungen wie „Fridays for Future“ haben der Öko-Partei Aufwind verliehen. Und sie üben erfolgreich Druck auf die Politik aus. Selbst Philipp Amthor, Nachwuchs-Star der Konservativen in der Union, gab zu, beim Thema CO2-Bepreisung seine Meinung geändert zu haben. Es sei an der Zeit, das Thema anzugehen und eine ökologische Steuerreform umzusetzen, sagte er.

Auch Malu Dreyer, die kommissarische SPD-Vorsitzende, erhob den Anspruch, dass Klimapolitik natürlich ein sozialdemokratisches Thema sei. „Ohne ökologische Gerechtigkeit kann ich mir als Sozialdemokratin keine Gerechtigkeit vorstellen“, sagte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.

Auf einmal sind halt alle grün. Und das, so der Journalist Hajo Schumacher, trage nicht zur Glaubwürdigkeit der Politik bei. „Es wirkt unglaubwürdig, wenn auf einmal alle Klimapolitik machen“, sagte der Kolumnist. Die Wähler scheinen ohnehin ihre Zweifel zu haben: Bei der Europawahl haben Union und SPD zusammen knapp 18 Prozent verloren. Nach dem Abgang von Andrea Nahles ist auch die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, dass das Bündnis das Ende der Legislaturperiode 2021 nicht mehr erlebt. Wie es mit der großen Koalition weitergehen könnte, lesen Sie hier.

Malu Dreyer: „Ich habe Lust, noch etwas zu bewegen“

In Illners Runde gaben sich die Vertreter von Union und SPD trotzig optimistisch. Malu Dreyer sagte, dass die SPD-Basis für die Große Koalition votiert habe. Wichtige Vorhaben wie ein Klimaschutzgesetz und die Abschaffung des Solis für 90 Prozent der Steuerzahler stünden noch aus. „Ich habe Lust, noch etwa zu bewegen“, so Dreyer.

Philipp Amthor stimmte zu, die Regierung sei gewählt, um Probleme zu lösen – und nicht, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Neuwahlen? „Auf jeden Fall 2021“, sagte CSU-Chef Seehofer. Es liege an der SPD. Deren Führungsfrau Dreyer sagte zwar, dass die Koalition noch einiges umsetzen wolle. Allerdings stehe im Herbst eine Halbzeitbilanz aus.

Steigt die SPD dann aus oder bleibt sie? Die Partei, urteilte die Netzaktivistin Katharina Nocun, habe ohnehin ein anderes Problem. Sie habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Für die Bezieher kleiner Einkommen sei die SPD nicht mehr wählbar. Es fehle eine Vision. Nocuns Vorwurf: Schon im Wahlprogramm denke die Partei den Kompromiss mit. Mit „Sowohl-als-auch“ löse man keine Begeisterung aus.

Meinung: Warum die SPD nicht ängstlich sein sollte.

Viele Fragen, wenige Antworten

Wie geht es aber weiter, wer übernimmt in der SPD die Führung, was passiert, wenn die GroKo doch schneller scheitert als gedacht? Und hat Annegret Kramp-Karrenbauer überhaupt noch die Autorität, die Union erfolgreichen in einen Wahlkampf zu führen?

Alle diese Fragen riss Maybrit Illners Runde zwar an. Antworten aber, die über Allgemeinplätze hinausgingen, präsentierte sie nicht. Die Regierungsvertreter waren zu sehr darauf bedacht, das Gemeinsame in den Vordergrund zu rücken, ihr fragiles Bündnis stärker aussehen zu lassen, als es ist – und dem angeschlagenen Spitzenpersonal den Rücken zu stärken.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock musste da gar nicht mehr viel machen. Sie konnte den weichgespülten Ausführungen von Söder, Dreyer und Amthor an diesem Abend ganz entspannt lauschen.

Gefahr ging von diesem Trio keine aus.