Berlin. Kritik an Verfassungsschutz-Gesetz: Reporter ohne Grenzen spricht von „Schein-Dementi“ von Seehofer. Es geht um Überwachung von Medien.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat die Kritik am Verfassungsschutzgesetz von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bekräftigt. „Seine Abwehrversuche bestätigen geradezu unsere Kritik, anstatt sie zu entkräften“, sagte der Geschäftsführer der Organisation, Christian Mihr, unserer Redaktion.

Der Fall erinnere an die Landesverrat-Affäre, als der damalige Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen strafrechtliche Ermittlungen gegen das Blog netzpolitik.org eingeleitet hatte, „indem er ihre Arbeit kriminalisierte“, sagte Mihr.

„Die öffentliche Empörung in der Landesverrat-Affäre war zu Recht groß. In ähnlichen Fällen könnte der Inlandsgeheimdienst künftig die Arbeit von Medien still und heimlich kriminalisieren, verdeckt ihre Server hacken und nach ihren Informanten suchen – und niemand würde etwas davon mitbekommen“, so Mihr.

Bundesinnenministerium: Online-Durchsuchungen auch ohne Richterbeschluss?

Noch schwerwiegender ist aus Sicht von Reporter ohne Grenzen, dass der deutsche Inlandsnachrichtendienst auch ohne Richterbeschluss Online-Durchsuchungen einsetzen könne. „Im BKA-Gesetz steht eindeutig, dass die Online-Durchsuchung von einem Richter genehmigt werden muss. Ein solcher Richtervorbehalt fehlt in Seehofers Verfassungsschutzgesetz-Novelle.“

Stattdessen solle die sogenannte G10-Kommission zustimmen, sagt Mihr: „Ein geheim tagendes Gremium, besetzt mit vier ehrenamtlich arbeiten Personen, die sich alle paar Wochen treffen und zuständig sind für die Kontrolle Tausender Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland. Ihre Entscheidungen werden nie öffentlich, der Rechtsweg dagegen ist de facto ausgeschlossen.“

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Novelle soll Nachrichtendienst Abhörung digitaler Kommunikation erlauben

Die Novelle des Gesetzes für das Bundesamt für Verfassungsschutz soll dem Nachrichtendienst ermöglichen, auch digitale Kommunikation abzuhören, was bislang nicht möglich ist. Reporter ohne Grenzen hatte kritisiert, das Redaktionsgeheimnis werde ausgehebelt. Diese Lesart macht das Bundesinnenministerium sich ausdrücklich nicht zu eigen.

Bundesinnenminister Seehofer hat angekündigt, auf die Kritik von Journalistenorganisationen an seinem geplanten Verfassungsschutzgesetz einzugehen. Der CSU-Politiker sagte in Berlin, er wolle Terroristen und Extremisten bekämpfen, keine Journalisten. Der Entwurf für das Gesetz soll nun entsprechend geändert werden.

Seehofer möchte auch, dass Anbieter von Messengers wie Telegram und Whatsapp zwingen, Chats weiterzugeben. (fmg)