Berlin. Die Bundesregierung prüft ein Verbot von Kopftüchern an Schulen. Bußgelder für Eltern dürften aber nur die allerletzte Option sein.

Vorweg gesagt: Man tut vielen Musliminnen Unrecht, wenn man das Kopftuch generell als Symbol für Unterdrückung und Zwangsehe betrachtet. Unter dem Stoff stecken häufig durchaus selbstbewusste, emanzipierte Köpfe, die für ihre Rechte eintreten und – auch vor Gericht – dafür kämpfen. Viele Musliminnen in Deutschland tragen aus tiefer religiöser Überzeugung ein Kopftuch. Die Verhüllung als Ausdruck eines gefährlichen politischen Islam zu betrachten, spricht erwachsenen Kopftuchträgerinnen ihre Religionsfreiheit ab.

Bei Kindern hat das Kopftuch aber eine ganz andere Symbolkraft. Es nimmt ihnen die kindliche Unbeschwertheit und macht aus ihnen kleine Erwachsene. Da sie noch Jahre von der Geschlechtsreife entfernt sind, entfällt obendrein der eigentliche Sinn: das Verdecken der sexuellen Reize.

Kindern fehlt die Reife für das Kopftuch

Die Sorge der Integrationsbeauftragten vor Indoktrination ist also durchaus berechtigt. Schließlich wird selbst von strengen Imamen das Kopftuch vor der Pubertät gar nicht verlangt, und auch in vielen muslimischen Ländern tragen Mädchen kein Kopftuch – so wie Kinder auch während des Ramadans eigentlich nicht fasten.

Doch immer wieder berichten Lehrer etwa an Schulen mit mehrheitlich muslimischer Schülerschaft von Mobbing gegenüber Mädchen ohne Kopftuch. Lehrer klagen, sie würden immer öfter mit acht, neun, zehn Jahren das Kopftuch tragen und nicht erst, wenn die Pubertät einsetze. Gleichzeitig nehmen es mehr muslimische Kinder auf sich, während des Ramadans zu fasten, also tagsüber weder zu essen noch zu trinken – was einen konzentrierten Unterricht, das Toben auf dem Schulhof oder gar Sport stark behindere, klagen Lehrer.

Hintergrund: Integrationsbeauftragte will Kopftuchverbot an Schulen prüfen

So wächst das Gefühl in der Gesellschaft, dass ein Islam an Bedeutung gewinnt, der unserer freiheitlichen Grundordnung zuwiderläuft und sich politisiert. Natürlich kann es sein, dass ein Mädchen in der Mutter ein Vorbild sieht und wie sie endlich ein Kopftuch tragen will. Doch fehlt Kindern noch die Reife und Lebenserfahrung zu einem freien Bekenntnis. Nicht umsonst sind Kinder erst mit 14 Jahren in Deutschland und Österreich religionsmündig.

Die Pflicht, Kinder Kinder sein zu lassen

Eine gute religiöse Erziehung bereitet sie darauf vor, sich im jugendlichen Alter zu bekennen – zum Beispiel bei der Firmung (bei Katholiken), bei der Konfirmation (bei Protestanten) oder mit dem Einhalten der Fastenzeit und dem Tragen des Kopftuchs (bei Muslimen). Religiöse Eltern, Pfarrer und Imame haben die Verantwortung, Jungen und Mädchen bis dahin ein Kind Kind sein zu lassen.

Mehr zum Thema: Österreich beschließt Kopftuchverbot an Grundschulen

Unser Bildungswesen selbst lässt der Religionsfreiheit viel Raum. In den meisten Schulen wird (mehr oder weniger erfolgreich) Vielfalt gelebt und Rücksicht gelehrt, Eltern können und sollen aktiv mitmachen und ihr Kind durch den Alltag begleiten. Im Idealfall stehen Mütter mit Kopftuch neben Müttern im Sommerkleid beim Schulfest am internationalen Buffet, verkaufen Falafel und Frikadelle, Marmorkuchen und Baklava. Wenn es richtig gut läuft, dann sind Fatma und Marie beste Freundinnen, spielen zusammen in der Pause und treffen sich am Nachmittag zu Hause.

Unterschiede von Burka, Niqab und Co.

Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind...
Burka, Niqab, Hidschab: In der islamischen Welt tragen Frauen verschiedene Verschleierungen. Sie unterscheiden sich stark voneinander. Die extremste Form der Verschleierung ist die Burka. Das Ganzkörpergewand, das die Augen mit Stoff verdeckt, ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. In Afghanistan sind die Burkas meist blau, sie werden aber auch in anderen Farben gefertigt. Am meisten verbreitet in europäischen Ländern sind... © imago/Paulo Amorim | imago stock&people
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung.
... die schwarzen Burkas. Die Vollverschleierung dient auch dazu, ärmere Kleidung zu verbergen. Bis zum Ende der Taliban-Herrschaft in Afghanistan galt eine Burka-Pflicht. Trotzdem verlassen die meisten Frauen das Haus nach wie vor nicht ohne die Verschleierung. © REUTERS | © Gonzalo Fuentes / Reuters
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem...
Das zweite traditionelle Kleidungsstück der Vollverschleierung ist der sogenannte Niqab. Der Unterschied zur Burka besteht darin, dass die Augenpartie sichtbar ist. Seinen Ursprung hat der Niqab in der Beduinen-Kultur auf der Arabischen Halbinsel, er diente in erster Linie als Sonnenschutz. Es gibt wie auch bei den anderen Kleidungsstücken diverse Variationen. Der einfache Niqab wird hinter dem Kopf verknotet, eine andere Variante wird mit einem Stirnband befestigt. Vor allem... © Gwendoline Le Goff / PanoramiC
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ...
... in Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak tragen Frauen den Niqab. Aber auch in anderen nordafrikanischen Ländern ist die Vollverschleierung verbreitet. Die Verbote in den europäischen Ländern betreffen die Burka und auch die Niqabs – und somit alle Formen der Vollverschleierung. Der Niqab wird gewöhnlich kombiniert mit dem sogenannten Tschador. Dieser wird auch allein getragen, ... © dpa | Boris Roessler
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen.
... so dass die Frauen sehr viel mehr Gesicht zeigen. Der Tschador ist vor allem im Iran verbreitet. Die Frauen tragen diesen Umhang um Kopf und Körper, wobei die Motive dafür ganz unterschiedlich sind. Für einige Berufszweige ist diese Verschleierung sogar verpflichtend, zum Beispiel in Schulen. © imago / Xinhua
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt.
Vor der islamischen Revolution galt im Iran vorübergehend ein Verbot des Hijabs und somit jeglicher Verschleierung. Später durften Frauen nur noch mit Hijab für staatliche Institutionen arbeiten und letztlich wurde der Tschador für alle Mädchen und Frauen ab neun Jahren verpflichtend eingeführt. © imago/JOKER | imago stock&people
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht.
Der Hidschab, das Kopftuch, ist die häufigste Form der Verschleierung. Ein einfaches Kopftuch bedeckt Haare, Ohren und den Hals. In zahlreichen muslimischen Ländern ist diese Form der Verschleierung Pflicht. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein.
Für viele Frauen ist das Kopftuch nicht nur Bekenntnis zu ihrer Religion, sondern auch ein Ausdruck von Modebewusstsein. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
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Zuviel „die“ und „wir“

Leider ist der Alltag oft härter. Da gibt es viel „die“ und „wir“: Die einen Eltern – das ist von der Autorin dieser Zeilen so erlebt – schimpfen etwa über Förderunterricht für „die Migrantenkinder“, aus Sorge, „unsere Kinder“ würden benachteiligt. Die anderen Eltern kapseln die Familie ab, Töchtern werden Klassenfahrten, Ausflüge, Schwimm– und Sportunterricht verweigert. Und eben auch das Kopftuch aufgezwungen.

Es wenigstens aus der Grundschule zu verbannen, ist sinnvoll. Die ganz große Keule – Bußgeld oder gar Haft – gegenüber uneinsichtigen Eltern zu schwingen, kann aber nur die allerletzte Option sein.