Berlin. Nationalismus, Propaganda, religiöse Intoleranz: Constantin Schreiber kritisiert das, was Kinder durch islamische Schulbücher lernen.

Viele seiner Freunde in Ägypten haben Kinder im schulpflichtigen Alter. Als ihn eine Bekannte, die aus Deutschland stammt und noch nicht so gut Arabisch spricht, darum bat, sich doch einmal die Schulbücher ihrer Kinder anzuschauen, war er zunächst geschockt. „Das war ganz scheußlich, was ich da zu lesen bekam“, sagt Constantin Schreiber am Donnerstag bei der Buchvorstellung in Berlin.

„Was in diesen Büchern steht, sagt viel über die Gesellschaft aus, in der die Kinder aufwachsen.“ So sei die Idee für das neue Buchprojekt von Tagesschau-Moderator Constantin Schreiber entstanden. Für „Kinder des Koran“ hat der Grimme-Preisträger 100 Schulbücher aus Afghanistan, dem Iran, Ägypten, Palästina und der Türkei gesichtet und sei mit einem „heiklen Weltbild“ konfrontiert gewesen.

„Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber kritisiert islamische Schulbücher


Sein Fazit: Viele Seiten sind gespickt mit Geschlechterklischees, übersteigertem Nationalismus, politischer Propaganda und religiöser Intoleranz. (Schreiber, Constantin: „Kinder des Koran. Was muslimische Schüler lernen“, Econ-Verlag)

„Kinder des Koran“ ist das neue Buch von Tageschau-Moderator Constantin Schreiber. Dafür hat er mehr als 100 Schulbücher gesichtet und ausgewertet.
„Kinder des Koran“ ist das neue Buch von Tageschau-Moderator Constantin Schreiber. Dafür hat er mehr als 100 Schulbücher gesichtet und ausgewertet. © dpa | --

„In diesem Sinne dienen die Bücher nicht der Bildung, sondern der Ideologisierung beziehungsweise der Festigung eines Narrativs.“ In Afghanistan zum Beispiel verstärken die Schulbücher die „extrem konservative islamische Gesellschaftsordnung“.

Schüler werden indoktriniert, kritische Auseinandersetzung nicht gelehrt

„Es werden versteckte Botschaften vermittelt“, sagt Schreiber und erklärt wie die Regierung des Irans Schulbücher benutze, um ihre Weltsicht zu untermauern. Ähnlich stark würden die Schüler auch in Afghanistan „indoktriniert“.

Schreiber erzählt von einem Beispiel aus einem afghanischen Schulbuch. Darin berichtet eine verhüllte Frau aus Wilhelmshaven, warum sie jetzt auch einen Schleier trage. Im Schulbuch reiche dieses Beispiel als Beleg dafür, dass sich jetzt auch immer mehr Frauen im Westen verhüllen würden.

Auch kritisierte er die Selbstdarstellung der Türkei, die sich in den Lehrmaterialien als „funktionierende Demokratie“ stilisiere. „Das hat mit der Realität in diesem Land überhaupt nichts zu tun“, sagt Schreiber. In der Türkei sind seit dem Putschversuch 2016 rund 77.000 Menschen in diesem Zusammenhang verhaftet worden, rund 140 Medienhäuser wurden geschlossen und die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ berichtet von derzeit 35 Journalisten in Haft.

Fakten sind falsch, wichtige Personen der Zeitgeschichte werden weggelassen

In einem ägyptischen Geschichtsbuch seien Fakten falsch dargestellt worden. „Darin hat Ägypten den Sechs-Tage-Krieg gegen Israel gewonnen. Das Gegenteil ist der Fall.“ Zudem würden wichtige Personen in der Geschichte Ägyptens nach dem Zweiten Weltkrieg einfach ausgelassen.

„In diesen Schulbüchern wird Ideologie, Nationalismus und Religion durcheinander geworfen.“ Immer wieder würden auch judenfeindliche Inhalte propagiert. Wenig überraschend sei das zwar aufgrund der politischen Situation zwischen Israel und Palästina, trotzdem präge solch ein Weltbild die Menschen für Jahrzehnte.

Den Herrschenden des System in den Kopf schauen

Constantin Schreiber, der zur Buchpräsentation unter anderen auch die Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen eingeladen hatte, wurde von ihr für seine Recherche gelobt: „Ich bin dankbar dafür, durch dieses Buch haben wir nun Zugang zu den Gedanken der Herrschenden dieser Länder“. Denn, so Dagdelen, die Herrschenden eines Systems transportieren über Lehrbücher ihre Weltsicht und versuchen so ihre Position zu legitimieren und zu sichern.

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Das Wissen, wie Schüler in diesen Ländern manipuliert würden, sei auch wichtig für Fragen der Migration und Integration in Deutschland. Schreiber sagte dazu: „Ich kann mir vorstellen, dass es für deutsche Lehrer sehr spannend ist, zu sehen, welchen Einflüssen ihre Schüler oder deren Eltern früher ausgesetzt waren.“

Finanzielle Hilfe für Bildung einfrieren

Die ebenso anwesende Generalsekretärin der FDP, Linda Teuteberg, kritisierte, dass viele dieser Schulbücher über Entwicklungshilfe durch Deutschland finanziert werden. Denn Schreiber spricht in seinem Buch auch an, dass Länder wie Ägypten, Afghanistan und Palästina von westlichen Ländern unterstützt werden und sogar abhängig sind. Diese Finanzhilfe sollte es seiner Meinung nach nur noch gegen inhaltliche Mitsprache bei der Gestaltung der Schulbücher geben.

Außerdem warnte er vor einer zu laxen, kulturrelativistischen Sicht auf solche Länder und fragt: „Was nutzen Demokratieförderungsprojekte, wenn gerade dort, wo junge Menschen die Welt verstehen lernen – an den Schulen – mittelalterliche Unterweisungen stattfinden?“ Die finanzielle Förderung müsse von Deutschland aus besser kontrolliert werden und das Geld dürfe erst fließen, wenn die Schulbücher vorgelegt und bestimmte Vorgaben wie religiöse Toleranz erfüllt worden sind. (Diana Zinkler)