Wladiwostok/Berlin . Der russische Präsident hat Nordkoreas Machthaber getroffen. Den Atomkonflikt will er international lösen - mit Beteiligung von Moskau.

Kim Jong-un steigt aus der langen schwarzen Limousine. Er betritt den roten Teppich, läuft an Soldaten mit goldverzierten Schulterklappen vorbei, die das Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett kerzengerade hochrecken. Am Ende wartet Wladimir Putin auf den Gast aus Pjöngjang.

Der nordkoreanische Machthaber und der russische Präsident lächeln in die Kameras und schütteln sich lange die Hände. Danach reden sie zwei Stunden unter vier Augen – doppelt so lang wie geplant. Putin bezeichnet die Unterredung später als „inhaltsvoll“.

Putin und Kim nützt die internationale Bühne

Das Treffen am Donnerstag findet auf der abgeschotteten Insel Russki nahe der ostrussischen Stadt Wladiwostok statt. Die beiden Staatschefs scheinen den Auftritt im Rampenlicht der internationalen Presse zu genießen. Es ist eine Bühne, die beiden nützt.

Nordkoreas Machthaber Kim überreichte Putin ein Schwert – und bekam eine Münze.
Nordkoreas Machthaber Kim überreichte Putin ein Schwert – und bekam eine Münze. © Reuters | Sputnik

Der Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump im vergangenen Februar in Vietnam war spektakulär geplatzt; der selbst ernannte „Deal-Maker“ Trump hatte sich mit seiner Ankündigung einer kompletten De-Nuklearisierung Nordkoreas vergaloppiert. Bald könnte es ein drittes Treffen zwischen Kim und Trump geben.

Nun kann Kim in aller Öffentlichkeit demonstrieren, dass er weder von den USA noch vom mächtigen Nachbarland China völlig abhängig ist. Putin hingegen fühlt sich als starker geopolitischer Akteur. Wie im Syrienkonflikt will er die Fäden ziehen, ein Seitenhieb gegen Trump.

Putin wirbt für Souveränität Nordkoreas

Dass Russland über eine geringere Wirtschaftsleistung als Italien verfügt und in der Modernisierung hoffnungslos hinterher hinkt – außer Öl und Gas hat das Land nicht viel – blendet Putin gerne aus.

Der Kremlchef wirbt auch gleich mit einem neuen Vorschlag. Nordkorea brauche rechtlich bindende internationale Sicherheitsgarantien, so Putin. Es müsse für Nordkoreas Souveränität gebürgt werden. Zusicherungen nur der USA reichten nicht aus, um Pjöngjang zum Verzicht auf sein Atomwaffenprogramm zu bewegen, sagt Putin. Russland befürworte wie die Vereinigten Staaten eine völlige Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Auch die Nordkoreaner seien dafür.

Der Nuklearkonflikt zwischen Washington und Pjöngjang war nach mehreren Atom- und Raketentests Nordkoreas 2017 eskaliert. Trump drohte Kim in einem Krieg der Worte mit „Feuer und Zorn“, Kim verspottete den US-Präsidenten als „senilen Greis“.

Zwei Gipfel zwischen Trump und Kim scheiterten

Im Juni 2018 kam es in Singapur zu einem historischen Spitzentreffen der beiden Kontrahenten, das Hoffnungen auf eine rasche Entspannung nährte. Beide formulierten das Ziel einer vollständigen Ent-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Doch jede Seite verstand etwas anderes darunter. Am Ende verpufften die hochfliegenden Pläne. Die Frage bleib: War das Treffen historisch – oder eine Nullnummer?

Beim zweiten Gipfel im Februar 2019 in Hanoi pokerte Trump hoch: Er werde die harschen Sanktionen gegen das nordkoreanische Regime nur lockern, wenn Pjöngjang alle Atom- und Raketenanlagen verschrotte. Kim hatte zuvor Teststätten abgebaut und spekulierte zumindest auf einen Teilerlass der internationalen Strafmaßnahmen. Als die Amerikaner sich nicht darauf einließen, war das Scheitern der Begegnung besiegelt.

Putin bringt Neuauflage der Sechs-Parteien-Gespräche ins Spiel

Putin will die Blockade nun mit einer Internationalisierung des Konflikts lösen. „Wir müssen erste Schritte unternehmen, um Vertrauen aufzubauen“, betont er. In Wladiwostok bringt er eine Neuauflage der Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Nord- und Südkorea, China, Russland, Japan und den USA ins Spiel. Solche Beratungen würden helfen, zu internationalen Garantien zu gelangen.

Bereits in früheren Sechser-Gesprächen wurde über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm verhandelt. Die US-Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama hatten sich beim Versuch, den Nuklearkonflikt zu entschärfen, die Zähne ausgebissen. Pjöngjang hatte die Beratungen 2009 einseitig abgebrochen.

Kim habe die russische Führung gebeten, die USA über das Gespräch zu informieren, führt Putin weiter aus. Er werde das tun und auch China unterrichten. Mit dieser diplomatischen Scharnier-Funktion will der russische Präsident sein Land aufwerten.

Putin versucht sich als Vermittler

Im Gegensatz zu den Amerikanern verlangt Russland keine sofortige und komplette Aufgabe des nordkoreanischen Atomprogramms. Moskau setzt sich vielmehr für ein etappenweises Vorgehen ein. Für jeden Schritt bei der Abrüstung soll es eine Reduzierung der Sanktionen geben.

Neue Spannungen um die koreanische Halbinsel sind aber unübersehbar. Wenige Stunden vor dem Gipfel mit Putin kritisierte Nordkorea derzeit laufende Militärübungen Südkoreas und der USA. Die Luftmanöver gefährdeten die Beziehungen zwischen den koreanischen Staaten, sagte ein Regierungssprecher in Pjöngjang und kündigte „entsprechende Gegenmaßnahmen von unserer Armee“ an. Die Militärübung der USA und Südkoreas könne „die aggressive, anstößige und streitsüchtige Art ihrer feindseligen Handlungen nicht verbergen“.

Durch den geänderten Codenamen der Übung in Südkorea würden beide Staaten suggerieren, das Manöver sei im Umfang reduziert worden -dies sei aber nicht der Fall. Auch die Amerikaner scheinen mittlerweile zu begreifen, dass sich der Atomkonflikt mit Nordkorea nicht im Schnelldurchgang lösen lässt. US-Außenminister Mike Pompeo erwartet schwierige Gespräche mit Pjöngjang. Seine Prognose: „Es wird holprig, es wird herausfordernd.“ (Michael Backfisch)