Berlin. Die populistische FvD ist der Gewinner der niederländischen Senatswahlen. Ihr Chef ist jung, charismatisch und steht sehr weit rechts.

Die niederländischen Senatswahlen finden normalerweise außerhalb des deutschen Nachbarlands keine große Beachtung – bis Mittwochabend. Da gelang es der rechtspopulistischen Partei Forum voor Democratie (FvD) von Thierry Baudet, die größte Partei zu werden. Baudet hat in den letzten Jahren mit Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht, in denen er menschlichen Einfluss auf den Klimawandel leugnete, Frauen und Feminismus ablehnte und auf eine linke Verschwörung innerhalb des Journalismus und der Hochschulbildung anspielte.

Am Mittwochabend wurde klar, dass der FvD mit dreizehn Sitzen die größte Partei im Senat sein wird. Dort werden Gesetze beurteilt und genehmigt oder abgelehnt. Das ist ein Sitz mehr als die liberale Partei VVD von Premierminister Mark Rutte erringen konnte. Baudet warb die meisten Wähler von der VVD und der PVV von Geert Wilders ab, der vier von neun Sitzen verlor. Außerdem verloren die Christdemokraten, Sozialdemokraten und vor allem die Sozialisten, während die Grünen einen Gewinn erzielten.

Thierry Baudet: Wie tickt die neue niederländische Rechte?

Wer ist dieser 36-jährige Thierry Baudet, dessen Partei erst 2016 gegründet wurde und der 2017 mit zwei Sitzen ins Parlament kam?

Thierry Baudet beim Neujahrsempfang des Königs im Jahr 2018. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY
Thierry Baudet beim Neujahrsempfang des Königs im Jahr 2018. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY © imago/Richard Wareham | Richard Wareham

Baudet studierte Geschichte und Recht und promovierte 2012 zum Doktor unter der Leitung des britischen Philosophen Roger Scruton, einem der wichtigsten konservativen Denker der letzten Jahrzehnte. Danach lehrte Baudet an mehreren Universitäten und schrieb Bücher und Essays zu Nationalismus, Geschichte und klassischer Musik. Er kritisierte die Europäische Union in dieser Zeit, ging aber nicht sofort in die Politik.

Erster Erfolg beim Referendum

Seine ersten Schritte in der nationalen Politik machte er 2016, nachdem er einen Think Tank gegründet hatte. Als in den Niederlanden per Volksentscheid über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine abgestimmt wurde, setzte Baudet sich mit einigen anderen Rechtspopulisten erfolgreich gegen diesen Vertrag ein: Eine Mehrheit der Niederländer lehnte ihn ab. Da dieses Referendum jedoch nicht bindend ist, hatte es keinen Einfluss auf die Vereinbarung mit der Ukraine. Aber: der erste Erfolg war da.

Gestärkt durch den Erfolg des Referendums verwandelte Baudet seinen Think Tank im selben Jahr in eine Partei, die überraschend zwei (von 150) Sitzen bei den Parlamentswahlen 2017 gewann. Dem FvD gelang es in kurzer Zeit, 33.000 Mitglieder zu gewinnen: ein beeindruckendes Ergebnis in einem Land, in dem nur wenige Leute einer Partei beitreten.

Thierry Baudet bei einer früheren Wahl.
Thierry Baudet bei einer früheren Wahl. © imago/Hollandse Hoogte | imago stock&people

Baudet: Anschlag in Utrecht ist Schuld der Regierung

Dem jungen Politiker mit seiner kleinen Partei gelang es allerdings kaum, konkrete politische Ergebnisse zu erzielen. Trotzdem verkauften die niederländischen Medien kontroverse Äußerungen des extravaganten Politikers als große Neuigkeit. So weigerte er sich etwa, sich von der Aussage eines Parteimitglieds distanzieren, die einen Zusammenhang zwischen Hautfarbe und IQ herstellte. Das Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Hautfarben bezeichnete Baudet als „homöopathische Verdünnung“ der westlichen Kultur.

Im Jahr 2017 sagte der Politiker, es sei das Beste, „wenn wir absolute Herrscher sind“, um es nach Kritik als Scherz abzutun. Auch der Anschlag in Utrecht war laut Baudet die Schuld der niederländischen Regierung, die nichts gegen Masseneinwanderung und Unsicherheit auf den Straßen tun würde. Baudet spricht sich außerdem für einen „Nexit“ aus und bezweifelt, dass Russland am Abschuss des Flugs MH17 beteiligt war – ein in den Niederlanden sehr empfindliches Thema.

Thierry Baudet wird zum Meme

Baudet erlangte in den letzten Jahren weitere Bekanntheit mithilfe von „Memes“. 2015 ließ er sich auf einem Klavier liegend fotografieren. 2018 setzte er noch eins drauf, als er auf Instagram ein Nacktfoto von sich am Beckenrand eines Pools teilte. Er selbst hat es inzwischen gelöscht, doch es kursiert weiterhin. Viele Parodien davon machten in den sozialen Medien die Runde. Obwohl viele Leute über die Bilder lachen, sorgten sie dafür, dass Baudet weiterhin im Scheinwerferlicht stand.

Die überproportionale Aufmerksamkeit, die die niederländischen Medien einer Partei mit 1,33 Prozent der Parlamentssitze widmeten, wurde in letzter Zeit oft kritisiert. Aufgrund dieser Aufmerksamkeit sei Baudet populär und groß geworden, so sagen Kritiker. Dieselbe Debatte gab es nach den Präsidentschaftswahlen in den USA, wo Medien kritisiert wurden, weil sie Donald Trump zu viel Aufmerksamkeit schenkten – er sei so von einem kleinen republikanischen Kandidaten zu einem großen Anwärter und einem späteren Gewinner geworden.

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Baudets umstrittene Freunde

Obwohl er noch nicht viel konkret umsetzen konnte, sorgten Baudets umstrittene Kontakte für Angst in den Niederlanden. Er traf sich etwa heimlich mit Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen, der mehrmals wegen Antisemitismus und Holocaust-Leugnung verurteilt wurde.

Er sprach auch mit Jared Taylor, einem der einflussreichsten Denker der „White Supremacy“ in den USA. Im niederländischen Fernsehen verteidigte Baudet Julien Blanc, den Schweizer Dating-Trainer, der zu Zwang und sexueller Gewalt ermutigt. Baudet argumentierte, dass Frauen „einen starken Mann“ bräuchten und dass „nein manchmal ja“ bedeute.

Thierry Baudet von der rechtspopulistischen Partei Forum für Demokratie scheint inzwischen für viele Wähler attraktiver zu sein als Geert Wilders.
Thierry Baudet von der rechtspopulistischen Partei Forum für Demokratie scheint inzwischen für viele Wähler attraktiver zu sein als Geert Wilders. © dpa | Jacek Bednarczyk

Aufgrund seines akademischen Hintergrunds profiliert sich Baudet in der öffentlichen Debatte gerne als intellektueller und Verteidiger der westlichen Hochkultur. Anfangs schlossen sich auch mehrere Professoren der Partei an, die diese jedoch fast alle schnell wieder verließen. Baudet zitiert gern klassische Denker und Dichter und spielte einst neuen Mitgliedern der Partei bei einem Treffen seinen Lieblingskomponisten Chopin vor. Er begann seine Siegesrede am Mittwochabend mit einer Metapher aus der griechischen Mythologie. Trotzdem sieht er sich als jemanden, der gegen „die Elite“ kämpft.

Die frische Alternative zu Geert Wilders

Baudet bietet ein völlig anderes Bild als Geert Wilders, der seit 2004 mit seiner rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) im Parlament sitzt. Obwohl die PVV seit fünfzehn Jahren aktiv ist und zwischen 2010 und 2012 sogar ein Minderheitenkabinett duldete, konzentriert sich Wilders weiterhin einseitig auf sein festes Thema: Islam und „Masseneinwanderung“. Nach anderthalb Jahrzehnte ist das nicht mehr neu und Wilders scheint erschöpft zu sein.

Hat derzeit gut lachen: Thierry Baudet.
Hat derzeit gut lachen: Thierry Baudet. © imago/Hollandse Hoogte | imago stock&people

Ein starker Kontrast zu Thierry Baudet, der voller Energie ist. Die Wähler der PVV als auch der FvD beklagen sich gerne darüber, was mit der aktuellen Politik nicht in Ordnung ist. Aber wo sich die Wähler der PVV immer wieder beschweren, scheinen die jungen und leidenschaftlichen Anhänger von Baudet sich wirklich zu Veränderungen verpflichten zu wollen. Das gibt der FvD weitaus mehr Ehrgeiz und Zukunftsbewusstsein und ist attraktiver als der Defätismus der PVV. Darüber hinaus konzentriert sich Baudet auf weit mehr und unterschiedliche Themen als Wilders, einseitig fixiert auf den Islam.

Formal haben die Niederländer am Mittwoch die Mitglieder der Provinzialstaaten gewählt, die Volksvertreter auf Provinzebene. Diese Politiker entscheiden jedoch direkt darüber, wer im Senat sitzt, daher werden die Wahlen oft als Senatswahlen angesehen. Die derzeitige Koalition hat durch die Wahlen ihre Mehrheit im Senat verloren. Dort muss sie jetzt ein Bündnis mit den Grünen oder den Sozialdemokraten schließen – denn der FvD ist für sie keine Option.

Und jetzt?

Was kann man von diesem Baudet erwarten, der sich „wichtigster Intellektueller in den Niederlanden“ nennt? In seiner Siegesrede richtete Baudet seine Pfeile auf Premierminister Rutte, den er „wirtschaftlich dumm“ nannte. Er versprach, „unser Land zurückholen“ und sich gegen teure Klimapolitik, unkontrollierte Einwanderung und schwache Sicherheitspolitik zu wehren.

Baudet hat jetzt die Macht, im Senat Kontra zu geben, auch wenn es viele andere Parteien gibt, die die Regierung unterstützen können. Das Ergebnis des Mittwochabends ist in erster Linie eine Warnung für die nächsten Parlamentswahlen im März 2021. Baudet und seine Ideen sind zu einem ernsthaften politischen Faktor geworden – niederländische Politiker und Bürger müssen dies berücksichtigen.