Berlin. Der erste Tag in Berlin sollte für mich als niederländischer Hospitanten eigentlich anders laufen. Dann kamen Meldungen aus Utrecht.

Der erste Tag als niederländischer Stipendiat in Berlin – und dann gleich ein Anschlag in meiner Heimatstadt Utrecht mit mehreren Toten. Den Start meiner acht Wochen in der Online-Redaktion der Funke Zentralredaktion hatte ich mir anders vorgestellt.

Ich hatte den Morgen mit einer Mischung aus Enthusiasmus und Nervosität begonnen. Zwei Monate Berlin, im Rahmen eines Journalistenaustauschs der Internationalen Journalistenprogramme IJP – aufregend. Eigentlich arbeite ich als freier Journalist in den Niederlanden.

Schüsse in meiner Heimatstadt – da ging mein Autopilot los

Meine neue Kollegin erklärte gerade die Komplexität der Computerprogramme. Wer weiß, dachte ich da noch, vielleicht kann ich an meinem ersten Tag eine kleine Nachricht schreiben. Der Gedanke kam mir ein bisschen sehr ehrgeizig vor.

Am Ende war alles anders – und viel größer. Plötzlich die Nachricht von einer Schießerei in meiner Heimatstadt. In einer Straßenbahn waren Schüsse gefallen. Da ging sofort der Autopilot los. In einer Redaktion ist so eine Situation eine sogenannte Lage – eine Situation, die man nicht sofort einschätzen kann und die möglicherweise nachrichtlich recht groß wird. In einer Online-Redaktion umso mehr.

Meinen Freunden geht es gut – zum Glück

Ich habe also niederländische Quellen gesucht, sie versucht ins Deutsche zu übersetzen, habe die Pressekonferenzen verfolgt und so gut es geht geholfen an Informationen zu kommen, die nicht jeder hat.

Toll, dachte ich, kann ich mich ja schnell nützlich machen.

Casper van der Veen, freier Journalist aus Utrecht, Niederlande. In den kommenden acht Wochen in der Online-Redaktion der Funke Zentralredaktion.
Casper van der Veen, freier Journalist aus Utrecht, Niederlande. In den kommenden acht Wochen in der Online-Redaktion der Funke Zentralredaktion. © Johanna Rüdiger | Johanna Rüdiger

Die Erkenntnis, dass es da um einen Angriff in meiner Heimat ging, die sickerte erst viel später durch. Der Autopilot als Journalist eben. Verdammt, das ist meine Stadt! Die Stadt, in der ich seit fast 11 Jahren lebe und die ich immer als „schönste Stadt der Niederlande“ lobe.

Utrecht unter Schock- Die Bilder nach der Schießerei

Krankenwagen stehen auf einer Straße in Utrecht.
Krankenwagen stehen auf einer Straße in Utrecht. © dpa | Martijn Van Der Zande
Die Seite der Straßenbahn, an der die Schießerei stattfand, ist mit einem Sichtschutz abgesperrt worden.
Die Seite der Straßenbahn, an der die Schießerei stattfand, ist mit einem Sichtschutz abgesperrt worden. © Reuters | Piroschka Van De Wouw
Krankenwagen vor der gestoppten Straßenbahn.
Krankenwagen vor der gestoppten Straßenbahn. © dpa | Peter Dejong
Polizisten sicherten den Ort der Schießerei.
Polizisten sicherten den Ort der Schießerei. © Reuters | Piroschka Van De Wouw
Helfer bauten einen Sichtschutz vor einem Straßenbahnwagen auf.
Helfer bauten einen Sichtschutz vor einem Straßenbahnwagen auf. © dpa | Peter Dejong
Die Polizei hat dazu aufgerufen, die Straßen um die Haltestelle 24 Oktoberplein freizuhalten.
Die Polizei hat dazu aufgerufen, die Straßen um die Haltestelle 24 Oktoberplein freizuhalten. © dpa | Peter Dejong
Mehrere Opfer wurden ins Krankenhaus gebracht.
Mehrere Opfer wurden ins Krankenhaus gebracht. © Reuters | Piroschka Van De Wouw
Auch berittene Polizisten waren nahe des Vorfallortes am Einsatz.
Auch berittene Polizisten waren nahe des Vorfallortes am Einsatz. © Reuters | Piroschka Van De Wouw
1/8

Dann kamen all die Fragen: Sind meine Freunde in Sicherheit? Geht es den Menschen, die ich kenne, gut? Wie geht es weiter? Ich hatte noch nicht mal das Wlan Passwort der Redaktion, um meine Freunde zu fragen.

Ein Angriff in Utrecht? Das hätte niemand gedacht

Und muss ich vielleicht auch Freunden ein Signal geben, dass es mir selbst gut geht und ich gar nicht in Utrecht bin? Ein Freund, der in der Türkei wohnt, schrieb mir eine Nachricht: „Geht es dir gut?“

Ich glaube nicht, dass irgendein Niederländer geglaubt hat, dass Utrecht zum Schauplatz eines solchen Angriffs werden würde. Diese schöne Studentenstadt, wo es die meisten Fahrräder in den Niederlanden gibt. Amsterdam, Schiphol, Den Haag, Rotterdam – ja, alles denkbar, aber doch nicht Utrecht.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Es fühlt sich seltsam an, in Berlin zu sein, wenn 15 Minuten von meiner Wohnung entfernt ein Mann auf Menschen schießt. Es fühlt sich auch komisch an, den ganzen Tag über die Stadt zu schreiben, in der ich sonst jeden Tag aufwache, die aber jetzt 635 Kilometer entfernt ist.

Als ich den Zugang zum Wlan hatte, kam eine Nachricht nach der anderen. Meinen Freunden und Bekannten geht es gut. Zum Glück.

„Wenn sich herausstellt, dass dies tatsächlich ein terroristischer Akt ist, dann ist nur eine Antwort angebracht: Unsere Demokratie ist stärker als Fanatismus und Gewalt“, sagte der niederländische Premierminister Mark Rutte am Nachmittag. „Wir werden der Intoleranz nicht weichen. Niemals.“

Ich weiß, dass er Recht hat. Er muss.

Ich hatte geplant, in den nächsten Wochen über Berliner Themen wie Gentrifizierung, Politik, Protestbewegungen, die Berliner Luft und die kleinste Disco der Welt zu schreiben. Ich hoffe, dass ich bald damit anfangen kann.

Hintergrund: Schüsse in Straßenbahn in Utrecht – Was wir bisher wissen