Berlin. Nach dem erneuten Absturz einer Boeing 737 Max 8 sind sehr viele Fluggäste verunsichert. Welche Schuld trifft dabei den Flugzeugbauer?

Selten hat ein Absturz eines Flugzeugs solche Schockwellen in der weltweiten Luftfahrt ausgelöst. Schon wieder eine Boeing 737 Max 8. Dieses zweite Unglück nur wenige Monate nach dem Lion-Air-Absturz in Indonesien mit dem gleichen neuen Flugzeugtyp und einem auffallend ähnlichen Absturzmuster alarmiert die gesamte Airline-Industrie.

Mehrere Länder und Fluggesellschaften lassen Max-8-Maschinen fortan am Boden, bis klar ist, ob das Flugzeug ein Sicherheitsrisiko in sich trägt. Man kann so eine Entscheidung panisch finden – und vorschnell, da die jüngste Katastrophe noch lange nicht aufgeklärt ist. Doch die Entscheidung ist richtig. Alle Airlines mit dem Flugzeugtyp sollten ihr folgen.

Die Maschine der Ethiopian Airlines, die sich am Sonntag mit 157 Menschen an Bord nach dem Start in Addis Abeba in den Boden bohrte, ist eine ganz besondere. Es handelt sich um die nächste Weiterentwicklung des Flugzeugklassikers schlechthin: Boeings ewige Cashcow, ein Garant für Qualität und Sicherheit, beliebt bei Piloten und Fluggästen gleichermaßen.

Designveränderung hat offenbar gravierende Folgen

Während sich Boeing bis zuletzt rühmte, konventionelle „Piloten-Flugzeuge“ zu bauen, setzt Airbus seit 30 Jahren auf computerbasierte „Ingenieurs-Flugzeuge“, deren Piloten sich wegen der dominierenden Automatisierung mitunter als dressierte Affen verspotten lassen müssen.

Wer dagegen eine Boeing fliege, der steuere sie wirklich. So haben Fachleute lange Zeit den entscheidenden Unterschied zwischen den großen konkurrierenden Flugzeugmarken aus den Vereinigten Staaten und Europa erklärt.

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Nun aber steht der Verdacht im Raum, dass es ausgerechnet Boeing mit einer Optimierung ihrer 737 zu weit getrieben haben könnte. Eine für Laien kaum erkennbare Designveränderung bei den Max-Modellen hat offenbar gravierende Folgen für die Luftstabilität.

Boeing hat daher eine Software eingebaut, die einen Strömungsabriss an den Tragflächen bei zu geringem Flugtempo verhindern soll. Das System greift im Notfall selbstständig ein und senkt die Spitze des Flugzeugs nach unten, so dass es wieder an Geschwindigkeit gewinnt.

Flugzeug wurde wieder und wieder aufgefrischt

Doch was passiert, wenn die Sensoren falsche Daten liefern? Was, wenn die Piloten machtlos dem Computer ausgeliefert sind? Und was, wenn Boeing den Piloten der Max-Maschinen den Umgang mit dem System nicht ausreichend erklärt hat? Dass der Hersteller nun die Steuerungssoftware schnell erweitern will, wirkt wie ein Schuldeingeständnis.

Für Boeing steht viel auf dem Spiel, moralisch wie monetär. Die erste 737 des amerikanischen Herstellers wurde 1967 in Dienst gestellt. Die äußere Form ist seitdem nahezu gleich geblieben. Bis heute wurden mehr als 10.000 Exemplare des Typs an Fluggesellschaften ausgeliefert – und von Boeing immer wieder der Versuch unternommen, den Dauerbrenner den Marktanforderungen anzupassen.

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So wurde das alte Flugzeug wieder und wieder aufgefrischt. Offenbar war es Boeing schlicht zu teuer, in die Entwicklung eines komplett neuen Mittelstreckenfliegers zu investieren. Eine Strategie, die sich jetzt rächen könnte.

Selbst, wer frei von Flugängsten ist, fragt sich: Würde ich heute freiwillig in eine 737 Max steigen? Und das in einer Zeit, in der die Flugbranche ihren Kunden mit regelmäßigen Verspätungen, Pleiten oder immer engeren Sitzabständen schon genug zumutet.

Dafür wird Fliegen günstiger, das Angebot wächst. Als letzte Konstante der Luftfahrt aber gilt ihr Sicherheitsversprechen. Kein anderes Verkehrsmittel der Welt kann ein gefahrloseres Reisen garantieren. Mit diesem Vertrauen ihrer Kunden darf die Luftfahrt niemals spielen.