Berlin. Das Verteidigungsministerium plant einen Haarerlass für Soldaten. Der Bundestag muss entscheiden: Dürfen kurze Haare verlangt werden?

Wo ist eigentlich das Pro­blem mit den Haaren bei der Bundeswehr? Marie-Agnes Strack-Zimmermann hätte es längst gelöst. „Soll der Soldat doch lange Haare tragen“, sagt die FDP-Verteidigungsexpertin. „Spätestens im Einsatz wird er merken, wie angenehm und praktisch es ist, kurze Haare zu haben“, erklärte sie unserer Redaktion.

Der sogenannte Haar- und Barterlass der Bundeswehr sorgt für Diskussionen nicht nur bei Parlamentariern, sondern auch im Verteidigungsministerium und vor allem in der Truppe. Im renommierten Militärblog „Augen geradeaus!“ überbieten sich die User mit Kommentaren darüber, ob die Haarlänge etwas mit der Schlagkraft der Bundeswehr zu tun hat oder nicht.

Bundeswehr erlaubt nur kurze Haare? Das Wichtigste in Kürze

  • In der Bundeswehr ist eine Debatte um die Länge des Haares und Bartes entbrannt
  • Laut einem Gerichtsurteil fehlt für einen Erlass über kurze Haare die Gesetzesgrundlage
  • Darf die Bundeswehr überhaupt kurze Haare vorschreiben?

Die Debatte tobt seit dem 31. Januar. An dem Tag hatte das Leipziger Bundesverwaltungsgericht befunden, dass dem bisherigen Erlass eine gesetzliche Grundlage fehle. Für eine Übergangszeit gilt er weiterhin.

Gleichwohl wird der Bundestag bald klären müssen – vermutlich noch in diesem Jahr –, ob die Bundeswehr ihren Soldaten kurze Haare vorschreiben, Soldatinnen aber lange Haare im Dienst erlauben darf.

Wehrbeauftragter mahnt eine „zeitnahe Lösung“ an

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels. © dpa | Wolfgang Kumm

„Ich wünsche mir für unsere Soldatinnen und Soldaten eine zeitnahe Lösung, um Rechtssicherheit zu wahren“, fordert der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) im Gespräch mit unserer Redaktion.

Schon aus Respekt vor dem Gericht dürfte das Verteidigungsministerium erst mal die ausführliche Urteilsbegründung abwarten. Sie wird erfahrungsgemäß nach etwa zwei Monaten nachgereicht.

Ministeriumssprecher Jens Flosdorff kündigte bereits an, dass man zügig daran gehen werde, „innerhalb einer angemessenen Frist die gesetzliche Grundlage zu schaffen“.

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Ein Stabsfeldwebel, der als Gothic-Anhänger das Recht auf lange Haare durchsetzen wollte, war vor Gericht gezogen. Er arbeite im Ministerium ohne repräsentative Wirkung, ist nach eigenen Angaben Anhänger der Gothic-Szene und würde gerne selbst lange Haare tragen.

Außerdem hielt er die Regelung für diskriminierend, weil Soldatinnen – anders als Männern – durchaus erlaubt ist, die Haare lang und am Hinterkopf zusammengebunden zu tragen.

Es geht also auch um Gleichstellung und um die viel beschworene Vielfalt in der Bundeswehr. Schon 2013 – ein Jahr später wurde der heute beanstandete Erlass verabschiedet – hatten die Leipziger Richter sich mit der Haarfrage befasst. Offenbar ein Dauerbrenner.

Wie wirkt sich die Haarlänge auf Soldaten aus?

Der Stabsfeldwebel, der zuletzt geklagt hat, ging zwar leer aus, aber setzte den Gesetzgeber unter Zugzwang. Für den AfD-Abgeordneten Rüdiger Lucassen ist das Ministerium „zunächst zuständig“. Bartels ergänzt: „Die Regierung sollte hier nachbessern und einen Entwurf für eine Gesetzesergänzung vorlegen. Denkbar wäre die Anpassung des Soldatengesetzes.“

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am vergangenen Freitag auf der Sicherheitskonferenz in München.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am vergangenen Freitag auf der Sicherheitskonferenz in München. © dpa | Sven Hoppe

Womöglich sind die Abgeordneten froh darüber, dass erst mal Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) die Abwägung treffen muss. Aber worüber eigentlich? Für den Grünen-Politiker Tobias Lindner wäre es sinnvoll, „wenn das Ministerium dem Verteidigungsausschuss die Gründe darlegt, wie bei Männern Haare eine gewisse Länge nicht überschreiten sollen“.

Ein Grund könnte das einheitliche Erscheinungsbild sein, ein anderer praktische Nachteile im Gefecht und im Umgang mit Waffen sowie der Arbeitsschutz.

„Es besteht keine Lebensgefahr“

Matthias Höhn von der Linksfraktion meint, „mündige Soldatinnen und Soldaten sollten selbst über ihre Frisuren entscheiden“. Er sagte unserer Redaktion: „Auf die Qualität ihrer Arbeit hat sicher vieles Einfluss, aber nicht die Haare oder der Bart.“

Bartels beschreibt den Spannungsbogen: „Diese rechtssichere Lösung muss sowohl die Persönlichkeitsrechte unserer Soldatinnen und Soldaten als auch die militärischen Bedürfnisse sowie Aspekte des Arbeitsschutzes berücksichtigen.“

Arg unvermittelt hatte das Leipziger Urteil die Abgeordneten erwischt. „Dachte, diese Diskussion sei seit den 70ern erledigt“, entfuhr es Strack-Zimmermann. Falsch gedacht. Bartels spottete: „Es besteht keine Lebensgefahr.“ Die Truppe hat andere Sorgen, größere. Für Höhn beginnen die Probleme der Armee zwar „am Kopf, aber nicht bei den Frisuren der Soldaten“.

Dienstvorschrift ist für Frauen weniger streng

Nach der zentralen Dienstvorschrift müssen die Haare von Soldaten kurz geschnitten sein:

  • „Ohren und Augen dürfen nicht bedeckt sein.“
  • „Das Haar ist so zu tragen, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden.“

Bei Frauen liegt die Toleranzschwelle höher:

  • „Die Haartracht von Soldatinnen darf die Augen nicht bedecken.“
  • „Haare, die bei aufrechter Körper- und Kopfhaltung die Schulter berühren würden, sind am Hinterkopf komplett gezopft auf dem Rücken oder gesteckt zu tragen.“
  • Dabei sind Form und Farbe der Haarspangen/Bänder dezent zu halten.“

In einer Fußnote wird definiert, was ein Knoten ist: „Ein Zopf ist ein Haarstrang, der durch Flechten, Knüpfen oder Zusammenbinden entsteht. Auch ein offener Zopf, der durch ein Haarband am Zopfansatz zusammengehalten wird (sog. ‚Pferdeschwanz‘), kann den allgemeinen Grundsatz einer ‚sauberen‘ und ‚gepflegten‘ Haartracht (Nr. 201 Satz 2) erfüllen. Dies ist im Einzelfall auch unter Beachtung der jeweiligen Haarlänge zu entscheiden.“

Weniger strenge Haar-Regeln bei Nato-Partnern

Grünen–Politiker Lindner geht nicht davon aus, dass eine gesetzliche Regelung politisch haarig wird. „Ich glaube, es lässt sich hier eine vernünftige und zeitgemäße Regelung finden.“ Das dachte das Verteidigungsministerium vermutlich auch, als es im Februar 1971 den Haarnetzerlass verkündete.

Soldaten durften damals erstmals längere Haaren haben, wenn sie ein olivfarbenes Haarnetz darüberzogen. 740.000 Stück wurden angeschafft. Nach viel Hohn und Spott wurde der Erlass alsbald einkassiert.

Auch in anderen Streitkräften, zum Beispiel bei der US-Army, waren Frisuren schon häufig ein Streitthema – auch dort sollte auf den Köpfen Zucht und Ordnung herrschen.

Andere Nato-Partner sind lockerer, speziell in Skandinavien. Kurz nach dem Leipziger Spruch postete der Blog ­“Augen geradeaus!“ ein Foto aus dem Insta­gram-Account von Lasse Løkken ­Matberg, Leutnant der Königlich Norwegischen Marine. In Uniform und mit einem schönen langen Haarzopf.

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