Abu Dhabi . Religionen dürfen niemals Gewalt rechtfertigen. Darin sind sich Papst Franziskus und einer der wichtigsten muslimischen Imame einig.

Ein mutiger Papst sprach im Kernland des Islams das aus, worauf die Christen lange gewartet haben. „Es ist eine schwere Entwürdigung Gottes, in seinem Namen Hass und Gewalt gegen Brüder und Schwestern zu rechtfertigen“, sagte Franziskus während des interreligiösen Treffens in Abu Dhabi. „Krieg schafft nichts als Elend, Waffen nichts als Tod.“

Kurz darauf unterzeichnete er zusammen mit dem wichtigsten Vertreter des Islam, dem Imam der Al-Azhar-Hochschule in Kairo, Ahmed al Tajib, eine gemeinsame Erklärung für den „Frieden in der Welt“. Auf Seite zwölf heißt es darin, dass der Terrorismus nichts mit der Religion zu tun hat, sondern auf „falschen Interpretationen der religiösen Texte“ beruht.

Unerwartet deutlich isolierte damit der Imam, die geistliche Autorität für etwa 900 Millionen sunnitische Muslime, die militanten Gruppierungen innerhalb des Islams.

Franziskus spricht auch den Jemen-Krieg an

Der Papst war nicht gekommen, um nur als Staffage zu dienen. Auf die Bitte, im Interesse der Gastgeber über den Krieg im Jemen zu schweigen, ließ er sich nicht ein, sondern sprach auch in diesem Punkt klare Worte: „Alle religiösen Leitfiguren dürfen niemals den Krieg gutheißen. Dabei denke ich vor allem an den Jemen, Syrien, den Irak und den Libanon.“

Die Vertreter des Islams können nicht den Krieg im Jemen rechtfertigen und militante Gruppen wie die Hisbollah im Libanon gutheißen, die zu Gewalt gegen Israel aufrufen und sich gleichzeitig als friedliche Religion darstellen: Entweder oder, mahnte der Papst.

„Gott verbietet den Mord“

Papst Franziskus (M.) und Scheich Ahmed al Tajib (r.), Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo, reichen sich in Abu Dhabi die Hände.
Papst Franziskus (M.) und Scheich Ahmed al Tajib (r.), Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo, reichen sich in Abu Dhabi die Hände. © dpa | Andrew Medichini

Der Scheich der Al-Azhar-Universität schloss sich überraschend nahtlos dem Appell des Papstes an. Zunächst mahnte er den „Westen“, dass Muslime nach dem Attentat vom 11. September in New York als Verbrecher dargestellt worden seien, obwohl nur einige wenige Verbrecher dieses Attentat verübt hatten.

Dann aber sagte er klipp und klar: „Gott verbietet den Mord. Das hat er Moses offenbart. Aber auch im Koran steht ganz klar an mehreren Stellen, dass man nicht töten darf.“ Er warnte alle, die sich nicht daran halten, dass sie vor dem Schöpfer Rechenschaft ablegen müssten. „Umarmt weiterhin überall eure christlichen Brüder, als seien sie eure Partner“, sagte der Großimam weiter. Er rief auch Muslime im Westen dazu auf, sich positiv in die Gesellschaften zu integrieren.

Hoffnung auf ein Ende islamistischer Gewalt

„Wir hoffen, dass jetzt ein Schritt getan wurde, der dazu führen wird, die militanten Gruppen innerhalb des Islams weltweit zu isolieren“, sagte der polnische Oberrabbiner Michael Schudrich in Abu Dhabi am Rande der Konferenz unserer Redaktion. Auch Professor Thomas Schirrmacher von der evangelischen Weltallianz der Kirchen WEA glaubt, dass die Verpflichtung der Spitzen des Islams die Welt sicherer machen wird.

„Ich glaube, den muslimischen Ländern ist noch gar nicht klar, was sie da lostreten“, so Schirrmacher. „Es wird im Laufe der Zeit zu einer Spaltung kommen, die Muslime werden die militanten Gruppen selbst bekämpfen. Ich glaube, das etwas eintreten wird, wie in Irland mit den militanten christlichen Kämpfern, wenn es keinen Rückhalt mehr gibt, wird die Gewalt von allein aufhören.“

Verfolgte Christen fordern klare Haltung

Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan (l.), Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate, und Papst Franziskus bei einer interreligiösen Feierlichkeit in Abu Dhabi.
Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan (l.), Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate, und Papst Franziskus bei einer interreligiösen Feierlichkeit in Abu Dhabi. © dpa | Andrew Medichini

Der Druck auf Franziskus war im Laufe der Jahre gewachsen. Mit jedem Massaker in einer christlichen Kirche in Ägypten oder auf den Philippinen, wann immer ein Attentäter „Allah ist groß“ rief und aus seiner Sicht „Ungläubige“ tötete, verlangten immer mehr Christen, dass der Papst endlich einmal an prominenter Stelle ausspreche, dass im Namen Gottes keine Gewalt ausgeübt werden darf.

Seit der Rede von Regensburg, in der sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 in einem Zitat Mohammed als Bringer des Unheils herabgesetzt hatte, herrschte zwischen katholischer Kirche und der Spitze des Islams eine Stimmung wie im kalten Krieg. Das konnte Franziskus jetzt beenden.

Erste Papst-Messe auf der arabischen Halbinsel

Denn während er auf absolute Gewaltfreiheit pochte, würdigte er die tiefe Religiosität des Islams und mahnte dann, dass es jetzt an der Zeit sei, dass die Religionen sich mehr „für die menschliche Familie einsetzen“. Der Papst warnte: „Entweder wir bauen zusammen eine Zukunft auf oder es wird keine geben.“

Auf dem Papier ist der Papst immer noch das absolutistische Oberhaupt einer Wahlmonarchie – und das gefällt den Prinzen Arabiens natürlich. Sie sehen ihn als einen von ihnen. Während des Besuchs des Papstes im Präsidentenpalast am Montag ließ Staatsoberhaupt Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan die Kampfbomber der Luftwaffe über dem Palast die weiß gelben Farben des Vatikans in den Himmel zeichnen.

An diesem Dienstag wird die mit Spannung erwartete erste Messe eines Papstes auf der arabischen Halbinsel stattfinden. Dann trifft der Papst auch endlich die, für die er eigentlich gekommen ist: die armen, ausgebeuteten Arbeiter, die meist von den Philippinen kommen und unter zum Teil unwürdigen Bedingungen in den Emiraten arbeiten müssen.