Will Kim Jong Un Raketen aus Nordkorea nach China verlegen?
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Von Felix Lee und Michael Backfisch
Peking/Berlin. Der nordkoreanische Diktator holt sich Rat in China. Dort bereitet Kim Jong Un einen zweiten Gipfel mit US-Präsident Donald Trump vor.
Ungewöhnlich schnell berichten die nordkoreanischen Staatsmedien über die Reise von Machthaber Kim Jong Un nach China. Noch bevor er am Dienstagmorgen mit dem Zug in Peking eintrifft, wissen die Menschen des weithin abgeschotteten Landes schon, dass Kim in Sachen Gipfeldiplomatie unterwegs ist. Sonst erfahren sie das erst nach erfolgreicher Rückkehr.
Kim kommt mit dem berühmten gepanzerten Luxuszug – bereits sein Vater und Großvater waren damit nach Moskau oder Peking gereist. Bei dem Treffen zwischen Kim und Chinas Staatschef Xi Jinping geht es um die Entschärfung des Atomstreits zwischen Nordkorea und den USA. Der Besuch soll bis Donnerstag dauern.
USA: Pjöngjang arbeitet weiter an Atomprogramm
In Pekings Innenstadt galt die höchste Sicherheitsstufe. Kim, der am Dienstag seinen 35. Geburtstag feierte, wurde von seiner Frau Ri Sol Ju, seinem Außenminister und dem Chefunterhändler der Gespräche mit den USA begleitet.
Kim und Xi haben nach südkoreanischen Agenturberichten die Perspektiven für ein neues Treffen des Nordkoreaners mit US-Präsident Donald Trump erörtert. Der Chef des Weißen Hauses hatte bereits am Wochenende entsprechende Gerüchte bestätigt. „Es wird möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft verkündet“, sagte der US-Präsident. Nur über den Ort werde noch verhandelt.
Im Gespräch ist unter anderem Vietnam, wo sich Unterhändler beider Länder in den vergangenen Tagen bereits getroffen hatten. Der chinesischen Führung kommt in dem Konflikt eine Schlüsselrolle zu.
Anders als sein Vater und Großvater hatte der junge Kim nach seiner Amtsübernahme 2012 fünf Jahre lang den Kontakt zu Peking gemieden. Das hat sich geändert. Seit Kim vor einem Jahr seine Entspannungspolitik mit Südkorea und den USA eingeleitet hatte, hat er Xi bereits dreimal getroffen.
In den vergangenen Monaten sind die Verhandlungen über Nordkoreas Atomprogramm ins Stocken geraten. Washington fordert von dem Regime in Pjöngjang, dass es unabhängige Kontrolleure ins Land lässt.
US-Geheimdienste werfen Nordkorea vor, Trump mit vagen Zusagen zur nuklearen Abrüstung hinters Licht führen zu wollen. Sie berufen sich dabei auf Satellitenaufnahmen. Die Bilder belegen angeblich, dass Arbeiten an nordkoreanischen Atomreaktoren und Urananreicherungsstätten weiter stattfinden.
Kim bestreitet das. Sein Land habe bereits die ersten Schritte getan und Anlagen geschlossen. Er verlangt im Gegenzug eine Lockerung der Sanktionen gegen sein wirtschaftlich gebeuteltes Land. In seiner Neujahrsansprache schlug Kim denn auch wieder deutlich aggressivere Töne an.
Die USA sollten die Geduld der Nordkoreaner nicht mit Sanktionen ausreizen, warnte er. „Ansonsten werden wir keine andere Wahl haben, als einen neuen Weg auszuloten.“ Eine kaum verhüllte Drohung, das Atomprogramm weiterzutreiben.
China gibt Kim Rückendeckung
Kim kann sich in wichtigen Punkten auf die Rückendeckung durch China verlassen. Denn einige seiner Kernforderungen werden vom großen Nachbarn geteilt. So wollen beide einen Stopp der gemeinsamen Manöver zwischen den USA und Südkorea sowie das Ende der Lieferung strategischer Waffen an Südkorea.
Peking betrachtet das Südchinesische Meer als seinen maritimen Hinterhof und verlangt dort den Abbau der amerikanischen Militärpräsenz. Eine völlige Schwächung Nordkoreas ist nicht im Interesse Pekings.
Donald Trump und Kim Jong Un in Singapur
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Gleichwohl möchte China eine Eskalation des Konflikts vermeiden – allein, um die handelspolitischen Spannungen mit Amerika nicht weiter anzuheizen. Cheong Seong Chang, Nordkorea-Experte am Sejong Institute in Seoul, vermutet, dass Kim und Xi gemeinsam an einer Strategie arbeiten, die Trump zufriedenstellen soll.
Hoffnung auf Durchbruch ist verfrüht
Ein mögliches Szenario: Die Verlegung von Nordkoreas Interkontinentalraketen nach China. Die Atomsprengköpfe sollen aber in Nordkorea bleiben. Die Gefahr eines unmittelbaren nuklearen Angriffs auf US-Territorium wäre auf diese Weise gebannt. Nordkorea könnte sich aber weiter als Atommacht bezeichnen. Offiziell hat sich über diese Möglichkeit aber noch niemand geäußert.
Nach außen trägt Peking die von den UN verhängten Sanktionen gegen Nordkorea mit – das isolierte Land bestreitet rund 90 Prozent seines Außenhandels mit China. Doch bereits in der Vergangenheit hatten sich chinesische Händler und Zollbeamte nicht oder nicht vollständig daran gehalten.
Und auch jetzt gibt es Hinweise, dass die Grenze am Yalu-Fluss wieder deutlich durchlässiger geworden ist. Die Hoffnung auf einen bevorstehenden Durchbruch ist jedenfalls verfrüht.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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