Berlin. Beim Diesel-Gipfel wurde nun klar: Der Druck im Kampf gegen Fahrverbote ist groß. Die Grünen nennen die Ergebnisse „Augenwischerei“.

Da ist er wieder, der Satz, den Andreas Scheuer in den vergangenen Monaten schon oft gesagt hat: „Unser Ziel ist es, Diesel-Fahrverbote zu vermeiden.“ Gefühlt hundertmal hat der Bundesverkehrsminister diese Botschaft vorgetragen. Am Montag wiederholt der CSU-Politiker sie. Aber irgendwie ist die Wirklichkeit über diesen Satz inzwischen hinweggegangen.

Im Januar wird es in Stuttgart das zweite Fahrverbot für Diesel-Autos geben. Fast im Monatsrhythmus könnten Verbote in anderen Städten folgen, in denen die Werte für Stickoxid zu hoch sind. Verhindern lässt sich da erst einmal nichts mehr. Viel mehr wird die automatische Kennzeichenerfassung angekündigt.

Diesel-Gipfel im Kanzleramt

Kanzlerin Angela Merkel äußert sich zusammen mit Jochen Flasbarth (links), Staatssekretär im Bundesumweltministerium, und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.
Kanzlerin Angela Merkel äußert sich zusammen mit Jochen Flasbarth (links), Staatssekretär im Bundesumweltministerium, und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. © dpa | Bernd von Jutrczenka

65 Städte gibt es, in denen die Stickoxidwerte über den von der EU erlaubten 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. In 15 Städten ist die Lage besonders schlimm.

„Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit“, sagt Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Seine Stadt ist die erste, die vor einem halben Jahr auf zwei Straßen Fahrverbote für ältere Diesel einführen musste. Es gibt weitere Klagen auf weitere Verbote in Hamburg. Tschentscher sagt, das Diesel-Problem werde immer größer.

Entsprechend massiv ist der Druck, unter dem sich Bund, Länder und Kommunen am Montag zum vierten Diesel-Gipfel im Kanzleramt getroffen haben. Es sei ein „sehr sinnvolles Treffen“ gewesen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anschließend. Alle Beteiligten seien nun „fast täglich“ in Kontakt. Die Botschaft soll sein: Wir haben verstanden.

Das zeigt sich erst einmal daran, dass die Bundesregierung die Geldbörse weit öffnet und fast eine ganze Milliarde Euro zusätzlich spendiert, damit die Luft in den Städten besser wird.

Konkret bedeutet das:

  • Ein bereits existierendes Programm, mit dem Städte neue Elektrofahrzeuge anschaffen und Ladesäulen aufstellen können, wird um eine halbe Milliarde auf eineinhalb Milliarden Euro aufgestockt. Es läuft noch bis 2020.
  • Außerdem sollen weitere 432 Millionen Euro zur Verfügung stehen, damit die Abgasanlagen von Diesel-Lieferwagen und -Kleinlastwagen nachgerüstet werden.
  • Diese Fahrzeuge sind jeden Tag in den Städten unterwegs, weshalb vor allem Verkehrsminister Andreas Scheuer sich davon eine geringere Stickoxidbelastung verspricht.
  • Außerdem soll der Kauf von bundesweit 450 Elektrobussen gefördert werden.

Alle versprochenen Summen sind bereits im Bundeshaushalt für 2019 reserviert.

Bund unterstützt Kommunen, um Fahrverbote zu vermeiden

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    Zu erkennen ist der Ernst der Lage aber auch daran, dass Minister Scheuer seinen Widerstand gegen Hardware-Nachrüstungen endgültig aufgibt. Monatelang hat er sie abgelehnt. Jetzt sagt er, er werde dafür sorgen, dass die technischen Vorschriften für die Hardware-Nachrüstung älterer Diesel-Pkw „in Rekordzeit“ vorliegen würden.

    Bis Ende des Jahres werde es so weit sein, verspricht Scheuer. Dann würden die Hersteller der Nachrüstungs-Bausätze wissen, wie diese Bausätze auszusehen hätten.

    Ein halbes Jahr dauere es dann, bis die nötigen Teile entwickelt seien. Danach müsse das Kraftfahrtbundesamt sie prüfen und genehmigen. Wie lange das dauere, sei unklar, sagt Scheuer. Ob das noch 2019 gelinge oder ob es darüber 2020 werde, ließ er offen.

    Automatische Kennzeichenerfassung kommt

    Mindestens so unklar ist, wie die Fahrverbote überhaupt kontrolliert werden, wenn sie gelten. „Wir haben versucht, Klarheit im Umgang mit Fahrverboten zu bekommen“, sagte Kanzlerin Merkel auf der Pressekonferenz nach dem Treffen.

    Die Kontrolle der in die Städte fahrenden Autos solle „auf eine neuartige Weise durch automatische Kennzeichenerfassung vollzogen werden“.

    Merkel versprach, dass der Bund die Städte beim Kauf „mobiler Erfassungsgeräte“ fördern werde. Wie viel Geld dafür bereitstehen wird, was die Geräte kosten, wann sie einsatzbereit sein werden – alles das ist nach wie vor unklar.

    Dieselgipfel im Kanzleramt.
    Dieselgipfel im Kanzleramt. © dpa | Kay Nietfeld

    Die Kanzlerin kann die Fragen ebenso wenig beantworten wie ihr Verkehrsminister.

    Auch die Städte wissen nicht, ob und wann sie Fahrverbote elektronisch kontrollieren können. Scheuer weist darauf hin, dass die dafür nötige Gesetzesänderung erst noch vom Bundestag beschlossen werden muss. Er versichert, die automatische Erfassung der Autokennzeichen sei keine umfassende Überwachung. Die Daten würden schnell wieder gelöscht.

    Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), der in seiner Stadt ab Januar 2019 ein Fahrverbot für Diesel-Pkw der Schadstoffklasse Euro-4 durchsetzen muss, fordert zur Identifikation von sauberen Pkw erneut eine Blaue Plakette. Er lässt erkennen, dass das Fahrverbot in Stuttgart faktisch kaum überwacht werden wird.

    Die Polizei werde – anders als in Hamburg – keine extra Diesel-Kontrollen durchführen. Mitarbeiter des Ordnungsamts würden bei parkenden Autos nach persönlicher Einschätzung überprüfen, ob es sich um Euro-4-Diesel handele.

    Grüne halten Ergebnisse für „Augenwischerei“

    Außerhalb des Kanzleramts werden die Ergebnisse des Diesel-Gipfels mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol fordert die Bundesregierung auf, den Kommunen das versprochene Geld unbürokratisch und schnell zur Verfügung zu stellen. Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer nennt die Ergebnisse „Augenwischerei“.

    Die Nachrüstung der Lieferwagen mit neuen Abgassystemen bringe nicht genug: „Die Autokonzerne müssen von der Bundesregierung zu einer Hardware-Nachrüstung ihrer älteren Diesel-Pkw gezwungen werden.“

    Die AfD fordert, die Grenzwerte für Stickoxid zu ändern. Das sei die „einzige vernünftige Möglichkeit“, um Fahrverbote zu verhindern, so der AfD-Verkehrspolitiker Dirk Spaniel.