Berlin. Auch Frauen mit geringem Einkommen haben ein Recht auf Verhütung, finden Grüne und Linke. Familienministerin Giffey reagiert darauf.

Sex ohne Schwangerschaftsabsicht kann nicht nur Spaß machen, es ist auch ein von den Vereinten Nationen festgelegtes Menschenrecht – ein Recht, das man sich in Deutschland leisten können muss. Denn Verhütung hat ihren Preis: Die Pille kostet bis zu 22 Euro im Monat, eine Packung Kondome gibt es für rund zehn Euround die Kosten einer Hormonspirale liegen bei bis zu 400 Euro.

Einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge führt das dazu, dass finanzschwache Frauen weniger verhüten – obwohl sie nicht schwanger werden wollen. Verhüten sie doch, greifen sie zu günstigen Mitteln.

Diesen Zustand bewerten Linke und Grüne als ungenügend und fordern einen kostenlosen Zugang für Verhütungsmittel. Bisher können sich unter 20-Jährige verschreibungspflichtige Methoden erstatten lassen. Das halten die beiden Oppositionsparteien aber für nicht ausreichend.

Die Linke möchte Verhütung für alle kostenfrei gestalten, unabhängig von Einkommen oder Alter. Dafür sollen nach Vorstellung der Partei die Krankenkassen alle Verhütungsmittel, von der Pille über Kondome bis hin zu Temperaturmesssystemen und Verhütungs-Apps sowie die „Pille danach“ bezahlen.

Millionen an Mehrausgaben

Die Mehrausgaben der Krankenkassen würden sich auf rund 600 Millionen Euro belaufen, schätzt die Linke. Jeder Beitragszahler müsse demnach 0,043 Beitragssatzpunkte mehr zahlen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hält diese Rechnung für unrealistisch. Allein für die Abgabe der Verhütungsmittel an unter 20-Jährige würden rund 56,5 Millionen Euro jährlich fällig. Die Kosten für den Linken-Vorschlag siedelt der Verband bei über einer Milliarde Euro an.

Doch die Linke ist überzeugt, dass bei einer Finanzierung über die Krankenkassen alle ein Anrecht auf die Erstattung hätten: „In die Krankenkasse zahlen – im Regelfall – alle ein, daher sollten auch alle von den gleichen Leistungen profitieren“, so Frauensprecherin Cornelia Möhring.

Entlastung für finanziell Schlechtgestellte

Die Grünen sehen das anders. Sie wollen nur verschreibungspflichtige Verhütungsmittel an Bezieherinnen von Sozialleistungen und finanziell Schlechtgestellte ausgeben. Im Hartz-IV-Satz sind derzeit 18 Euro im Monat für Gesundheitsausgaben vorgesehen, eine separate Bezuschussung für Verhütungsmittel gibt es seit 2005 nicht mehr.

Auch die Grünen möchten die Ausgaben über die Krankenkassen finanzieren, im Gegensatz zum Vorschlag der Linken soll das Geld aber durch einen Steuerzuschuss an die Kassen zurückfließen. Um Kondome kostenfrei zur Verfügung stellen zu können, fordern die Grünen Bund und Länder auf, die Präservative über Gesundheitsämter, Familienplanungszentren oder die Aids-Hilfe auszugeben.

Staat übernimmt teilweise Kosten für Abtreibungen

Auch die Regierungsparteien haben erkannt, dass das aktuelle System seine Schwächen hat. Denn es schränkt Menschen nicht nur in ihrer Sexualität ein, es schadet auch dem System. Ungewollte Schwangerschaften passieren häufig finanziell Schlechtgestellten.

Deren Kinder haben ein erhöhtes Risiko, in Armut aufzuwachsen. Jedes fünfte Kind ist laut einer Bertelsmann Stiftung in Deutschland von Armut betroffen. Diese Kinder wiederum hätten gesellschaftliche Nachteile und schlechtere Chancen in der Schule. Entscheiden sich Frauen dagegen für eine Abtreibung, so werden die Kosten von denjenigen, die sich diese nicht leisten können, bereits heute vom Staat übernommen.

„Frauen müssen unabhängig von ihrem Status Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln und ärztlicher Beratung über Fragen der Empfängnisverhütung haben. Darüber sind wir uns einig“, meinte CDU-Gesundheitssprecherin Karin Maag.

Giffey: „Jede Frau hat ein Recht auf Verhütung.“

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). © dpa | Jens Büttner

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte unserer Redaktion: „Jede Frau hat ein Recht auf eine sichere und gut verträgliche Empfängnisverhütung. Aber nicht alle Frauen können sich die Kosten für die Pille oder Spirale leisten.“

Franziska Giffey verweist auf ein vom Familienministerium gefördertes Projekt mit dem Namen „Beratung, Information, Kostenübernahme bei Verhütung“, kurz biko.

Seit Anfang 2017 können sich Frauen mit Anspruch auf Sozialleistungen an sieben Standorten in Deutschland verschreibungspflichtige Verhütungsmittel erstatten lassen, über 4000 Frauen haben davon Gebrauch gemacht.

100.000 Schwangerschaftsabbrüche jährlich

Das Projekt wird von dem Beratungsstellenverbund pro familia in Kooperation mit Ärzten und Apotheken durchgeführt und beinhaltet auch ein mehrsprachiges Beratungsangebot. Ende Juni 2019 läuft biko aus, anschließend soll es ausgewertet werden. „Wir werden im Ergebnis prüfen, ob und wie der Bund Frauen, die wenig Geld haben, dabei unterstützen kann zu verhüten“, kündigte Giffey an.

Rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüche werden in Deutschland jährlich vorgenommen. Entsprechend wollen die Grünen nicht auf eine Auswertung von biko warten. „Die biko-Projekte können keinen Aufschluss darüber geben, wie eine unkomplizierte Kostenübernahme für ärztlich zu verordnende Verhütungsmittel bundesweit einheitlich geregelt werden kann, und spielen insofern für unseren Antrag keine Rolle“, sagt Gesundheitssprecherin Maria Klein-Schmeink.

Zu der kostengünstigsten Alternative, einfach auf Sex zu verzichten, vertrat Cornelia Möhring bei der Bundestagsdebatte eine klare Meinung: „Kein Sex ist auch keine Lösung.“