Seebach. CDU-Mann Friedrich Merz schlägt vor, das Asylrecht einzuschränken. Dafür kassiert der Kandidat für die Merkel-Nachfolge viel Kritik.

Friedrich Merz hat eine Debatte über das Asylrecht losgetreten. Der Mitbewerber im Rennen um den CDU-Vorsitz stellte das im Grundgesetz festgeschriebene Individualrecht auf Asyl in Frage.

Deutschland sei das einzige Land auf der Welt, das ein solches Recht in der Verfassung stehen habe, sagte Merz bei der dritten innerparteilichen Regionalkonferenz am Mittwoch im thüringischen Seebach.

Er sei seit langer Zeit der Meinung, dass offen darüber geredet werden müsse, ob dieses Asylgrundrecht „in dieser Form fortbestehen“ könne, sagte Friedrich Merz. „Wir müssen irgendwann einmal eine große öffentliche Debatte darüber führen, ob man einen gesetzlichen Vorbehalt ins Grundgesetz schreibt.“

Am Donnerstag ruderte Merz dann zurück. „Ich stelle das Grundrecht auf Asyl selbstverständlich nicht in Frage, weil wir Politik aus christlicher Verantwortung und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte machen“, teilte Merz am Donnerstag via Twitter mit.

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SPD: Grundrecht auf Asyl darf nicht angetastet werden

„Für die SPD gibt es beim Grundrecht auf Asyl keinen Redebedarf. Das ist für uns unantastbar“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil unserer Redaktion. Auffällig sei, dass im CDU-internen Wettkampf alle drei Kandidaten verzweifelt versuchten, sich von der Politik Angela Merkels abzugrenzen.

Annegret Kramp-Karrenbauer polarisiert gegen die Ehe für alle, Jens Spahn verbreitet Verschwörungstheorien über den UN-Migrationspakt und Friedrich Merz stellt das Grundgesetz in Frage“, kritisierte Klingbeil. „Im Rennen um den CDU-Vorsitz scheint es nur noch darum zu gehen, sich möglichst weit von Angela Merkel zu distanzieren.“

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Grüne werfen Merz vor, falschen Eindruck zu vermitteln

Auch die Grünen kritisieren den Vorstoß von Friedrich Merz. „Es ist nicht klar, welches konkrete Problem er mit seinem Vorstoß lösen will. Jedenfalls scheint an Herrn Merz vorbeigegangen zu sein, dass das Asylgrundrecht in Deutschland bereits seit der Asylrechtsänderung von 1993 eingeschränkt ist“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock unserer Redaktion.

Im vergangenen Jahr hätten gerade einmal 0,7 Prozent der Schutzsuchenden Asyl auf Grundlage des deutschen Asylgrundrechts erhalten, so Baerbock weiter. Der Großteil, nämlich knapp 20 Prozent, habe dagegen Flüchtlingsschutz aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen. Diese gelte auch im Rest der EU.

„Herr Merz suggeriert also fälschlicherweise, das deutsche Asylrecht würde weit über das europäische Recht hinausgehen“, warf Baerbock dem Ex-Unionsfraktionschef vor. In allen EU-Staaten werde aber bereits heute das Asylrecht gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention gewährleistet. „Dieses geht zum Teil sogar über das deutsche Asylgrundrecht hinaus. Diese Fakten sollte auch Herr Merz wahrnehmen.“

Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann weist auf Asylzahlen hin. „Auch auf Grund der großen Asylreform Anfang der Neunziger Jahre kann sich mittlerweile nur noch ein sehr kleiner Anteil tatsächlich erfolgreich auf das Asylrecht im Sinne des Grundgesetzes berufen. Letztes Jahr haben bundesweit gerade einmal rund 0,7 Prozent der Anerkannten Asyl nach dem Grundgesetz erhalten“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. Im laufenden Jahr liege diese Quote bislang bei 1,3 Prozent. „Die Frage, ob sich aus unserem Grundgesetz ein Anspruch des Einzelnen auf Schutz ergibt, spielt also für die Masse der Fälle kaum eine Rolle“, sagte Herrmann.

Merz-Rivalen gehen auf Distanz

Jens Spahn (l-r), Gesundheitsminister, Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Generalsekretärin und Friedrich Merz, Ex-Unionsfraktionschef stellen sich bei der CDU-Regionalkonferenz für Thüringen und Hessen den CDU-Mitgliedern vor.
Jens Spahn (l-r), Gesundheitsminister, Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Generalsekretärin und Friedrich Merz, Ex-Unionsfraktionschef stellen sich bei der CDU-Regionalkonferenz für Thüringen und Hessen den CDU-Mitgliedern vor. © dpa | arifoto UG

Auch Kramp-Karrenbauer wies den Merz-Vorstoß zurück. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten ihre Formulierungen mit Bedacht gewählt und dabei auch den Blick auf die deutsche Geschichte und die Judenverfolgung gerichtet, sagte sie der „Bild“-Zeitung. Sie warne davor, leichtfertig am Grundgesetz zu schrauben.

Jens Spahn erklärte, er halte eine Debatte über den europäischen Grenzschutz für wichtiger als die Diskussion über das individuelle Grundrecht auf Asyl in Deutschland. „Im Kern ist das nicht die große Herausforderung bei der Migration“, sagte Spahn am Donnerstag dem MDR.

Merz hatte in Seebach zudem eine Klarstellung darüber verlangt, dass durch den UN-Migrationspakt keine neuen Asylgründe geschaffen werden. Das müsse in „geeigneter Weise klargestellt werden.“ Friedrich Merz schlug dafür eine Protokollerklärung der Bundesregierung oder eine Entschließung des Bundestags vor.

Grundrecht auf Asyl – was ist das?

  • Das Asylrecht ist in Deutschland im Artikel 16a des Grundgesetz verankert
  • Das Grundrecht gilt für politisch Verfolgte: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, heißt es im Gesetz
  • Anders als in anderen Ländern hat das Asylrecht Verfassungsrang

Diese Punkte kritisiert Friedrich Merz beim Asylrecht

Der Klimawandel zum Beispiel dürfe nicht als politische Verfolgung und damit als Asylgrund gelten. „Das sind Dinge, die wir in Deutschland auch durch die Hintertür nicht akzeptieren können.“ Der UN-Migrationspakt soll am 10. und 11. Dezember in Marokko beschlossen werden.

Spahn, Kramp-Karrenbauer, Merz – die drei aussichtsreichsten Kandidaten für den CDU-Vorsitz stellten sich erstmals auf einer Regionalkonferenz in Ostdeutschland vor. Der neue CDU-Vorsitz soll auf einem Parteitag in Hamburg gewählt werden.

In der vergangenen Woche hatte Friedrich Merz weniger mit seinen politischen Plänen, sondern mit seinem Vermögen Schlagzeilen gemacht. Er hatte sich als Teil der gehobenen Mittelschicht bezeichnet und dann auf wiederholte Nachfrage eingestanden, Einkommensmillionär zu sein.

Den Artikel 16a über das Grundrecht auf Asyl können Sie hier im Grundgesetz nachlesen. (dpa/jha/bekö)