Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn will die Pflege stärken. Als Bewerber für den CDU-Parteivorsitz verspricht er einen Generationenwechsel.

In der CDU gilt Jens Spahn als Neokonservativer. Als Bundesgesundheitsminister dagegen erarbeitet sich der 38-Jährige gerade den Ruf eines zupackenden Sozialpolitikers. Das könnte ihm helfen bei der Bewerbung für den CDU-Parteivorsitz. Doch die Konkurrenz ist stark.

Herr Spahn, glauben Sie, dass Sie noch CDU-Vorsitzender werden können? In allen Umfragen landen Sie hinter Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer.

Jens Spahn: Seit 1971 gibt es zum ersten Mal mehr als einen Kandidaten für den Vorsitz der CDU. Drei oder sogar noch mehr gab es noch nie. Die nächsten Wochen wird die CDU zeigen, wie innerparteiliche Demokratie geht. Ich bin überzeugt, dass das nicht nur für unsere Mitglieder sehr attraktiv ist. Denn es werden Alternativen – im Inhalt und in der Person – herausgearbeitet. Mein Angebot ist der Generationenwechsel. Am Ende gewinnt auf jeden Fall die Partei. Auf diesen Wettbewerb freue ich mich sehr. Entschieden wird erst am 7. Dezember in Hamburg.

Gibt es ein Szenario, bei dem Sie entscheiden würden, Ihre Kandidatur zurückzuziehen? Oder schließen Sie das aus?

Spahn: Gerade unter solchen taktischen Überlegungen leidet doch die Glaubwürdigkeit von Politik. Jetzt geht es um die Frage, wohin will die CDU und mit wem. Wie gewinnen wir neues Vertrauen? Wie organisieren wir Parteiarbeit im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts? Was ist unser Plan für unser Land, für Europa? Das sind Fragen, die mich, meine Mitbewerber und die Mitglieder beschäftigen.

Kann Angela Merkel noch drei Jahre lang Kanzlerin bleiben?

Spahn: Warum nicht? Angela Merkel ist bis 2021 als Bundeskanzlerin gewählt. Ich würde mit ihr als Vorsitzender so vertrauensvoll zusammenarbeiten wie bisher. Da besteht kein Zweifel, bei mir nicht und bei ihr nicht. Und Neuwahlen wären aus meiner Sicht ein großer staatspolitischer Fehler.

Als Gesundheitsminister haben Sie sich bislang besonders um die Verbesserung der Pflege gekümmert. Spürbar wird das bereits ab Januar, wenn die Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte teurer wird. Diese Beitragssteigerung soll bis 2022 reichen. Und dann? Müssen sich die Deutschen auf weitere Beitragserhöhungen einstellen?

Spahn: Wir müssen die sozialen Sicherungssysteme angesichts unserer immer älter werdenden Gesellschaft zukunftsfest machen. Das ist die zentrale soziale und wirtschaftliche Frage der nächsten Jahre. Ungedeckte Rentenversprechen wie bei Olaf Scholz helfen da nicht, damit verunsichern Sie nur Millionen von Menschen und Unternehmen. Wir brauchen Planbarkeit und Verlässlichkeit. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird allein in den nächsten zehn Jahren um fast eine Million Menschen steigen. Um dafür vorzusorgen, bin ich dafür, den Vorsorgefonds in der Pflege weiter aufzustocken. Und dass Eltern in der Pflegeversicherung weniger zahlen, ist ein richtiges Prinzip. Davon brauchen wir mehr. Denn Eltern ziehen die Beitragszahler von morgen groß.

Die Bundesregierung will 13.000 neue Pflegekräfte in der Altenpflege finanzieren – an diesem Freitag steht das Gesetz zur Abstimmung im Bundestag. Doch der Arbeitsmarkt ist leer gefegt. Für viele Bürger klingt das Stellenprogramm nach bloßer Symbolpolitik ...

Spahn: Wir tun viel mehr. Es sind nicht nur 13.000 Stellen. Wir finanzieren außerdem noch jede neue Pflegestelle in den Krankenhäusern. Dieses Gesetz ist ein Signal an alle, die in der Pflege arbeiten: Wir meinen das ernst. Wir tun alles dafür, dass mehr Pflegekräfte in den Beruf einsteigen. Dass mehr Pflegekräfte in den Beruf zurückkehren. Und dass Heimbetreiber vermehrt Vollzeit- statt Teilzeitstellen anbieten. Und drittens: Dieses Gesetz ist nur der Anfang. Die Konzertierte Aktion Pflege läuft auf vollen Touren. Kommendes Jahr werden wir aus den Plänen Gesetze machen. Alle Betroffenen können sich sicher sein: Wir stehen an der Seite der Pflegekräfte und Pflegebedürftigen. Auch wenn klar ist, dass nicht alles von heute auf morgen perfekt sein kann.

Seit Jahren warten Betroffene und ihre Angehörigen auf einen zuverlässigen Pflege-Tüv für Heime und ambulante Anbieter. Wann kommt er?

Spahn: Wir starten damit im Herbst kommenden Jahres. Dann stellen wir endlich das Bewertungssystem um und im Anschluss die Informationen über die Heime. Es kann nicht mehr darum gehen, wer am besten die Häkchen in der Dokumentation macht. Entscheidend ist, dass es den Pflegebedürftigen gut geht. Da müssen die Unterschiede zwischen den Angeboten deutlich werden. Ein Tüv, bei dem heute fast jedes Heim ein „sehr gut“ bekommt, verdient seinen Namen nicht. Das werden wir ändern.