Berlin. Als Merz und viele altgediente CDU-Herren zuletzt im Vordergrund standen, war die Republik eine andere. Das müssen sie berücksichtigen.

Friedrich Merz hat nicht plötzlich und aus einer Laune heraus beschlossen, Chef der CDU zu werden. Er hat lange mit diesem Schritt geliebäugelt, dann endlich hat er sich zur Kandidatur drängen lassen. Eine entscheidende Rolle dabei hat Wolfgang Schäuble gespielt, der große alte Mann der Partei. Auch Günther Oettinger, Roland Koch und andere ältere CDU-Politiker, deren beste Zeit hinter ihnen liegt, hatten ihre Finger mit im Spiel. Das kann eine Chance sein, aber auch ein großes Risiko.

Schäuble hat unschätzbare Erfahrung. Er ist seit mehr als 40 Jahren in der Politik, hat immer etwas weiter und offener gedacht als andere in der CDU. Er hat sich als Innenminister früh über die Integration von Migranten Gedanken gemacht, er hat die Islamkonferenz ins Leben gerufen und hat schwarz-grüne Koalitionen befürwortet.

Schäuble hat Friedrich Merz früh gefördert, als der noch ein politisches Talent war, und hat ihn zum Nachfolger an der Spitze der Unions-Bundestagsfraktion gemacht. Er hat auch Jens Spahn gefördert, einen anderen aussichtsreichen Kandidaten um den CDU-Vorsitz.

Schäuble und Merz mussten Plätze für Merkel räumen

Schäuble und Merz haben aber auch noch eine Rechnung offen mit Angela Merkel. Beide mussten ihre Plätze für sie räumen. Beiden hat sie die Macht genommen. Beide haben das nicht vergessen. Während Schäuble einen Weg gefunden hat, sehr loyal, aber distanziert mit Merkel zusammenzuarbeiten, kann Merz seinen Groll noch immer kaum verbergen – obwohl es 16 Jahre her ist, seitdem Merkel ihm den Vorsitz der Bundestagsfraktion nahm. Was folgt daraus?

Wenn Schäuble nun Merz zur Kandidatur ermuntert, dann sieht er in ihm jemanden, der durch Auftritt und Rhetorik enttäuschte CDU-Wähler zurückholen kann. Merz unterscheidet sich darin deutlich vom moderierenden Politikstil Merkels. Das kann der CDU guttun und könnte auch bei den Wählern gut ankommen.

Entscheidend wird aber sein, welche politischen Positionen Merz künftig vertritt. Wenn er Erfolg haben will, darf er nicht nahtlos an die Zeit vor zehn, zwölf Jahren anknüpfen, als er sich aus der aktiven Politik verabschiedete. Diese Zeit ist vorbei. Es war die Zeit, in der die Männer – und es sind offenbar nur Männer –, die ihm zur Kandidatur geraten haben, innenpolitisch aktiv waren.

Wenn die CDU Erfolg haben will, muss sie nach vorne denken

Deutschland hat sich seitdem massiv verändert, auch und gerade dadurch, dass die CDU in die politische Mitte gerückt und für SPD-Wähler attraktiv wurde. Diese Mitte darf die Partei nicht aufgeben, wenn sie weiter erfolgreich sein will. Dass die CDU bei den jüngsten Landtagswahlen viele Stimmen auch an die Grünen verloren hat, zeigt: Wer immer auch CDU-Chef werden will, der darf nicht in erster Linie alte Rechnungen aus der Vergangenheit begleichen. Er muss – wie es die größte Stärke der Grünen ist – nach vorn denken und einen überzeugenden Plan für die Zukunft haben. Das verlangen übrigens auch die Wähler, die die CDU an die AfD verloren hat.

Für Merz, der schon 62 Jahre alt ist, bedeutet das: Er muss sich gedanklich so flexibel zeigen, wie Schäuble es stets gewesen ist. Dazu gehört, dass Merz Distanz schaffen muss zu seinen alten Forderungen wie etwa der 42-Stunden-Woche, mit der die CDU schon damals scheiterte. Noch ist Merz vor allem der Hoffnungsträger für Merkel-Hasser in seiner Partei. Damit allein aber wird er nicht weit kommen, das hat – auf andere Weise – das Schicksal eines anderen vermeintlichen Heilsbringers gezeigt: das von Martin Schulz. Will Merz Erfolg haben, muss er das Erbe Merkels renovieren, aber nicht einreißen. Dafür aber muss er sich zum Teil selbst neu erfinden.