Berlin/München. Die Grünen profitierten von einem Wahlkampf ohne Störfeuer aus Berlin. Jetzt könnten sie mit der CSU koalieren. Doch will die das?
Im Moment des Triumphs werden sie dann doch ein bisschen übermütig. Aus den Boxen tönt „Don’t stop me now“ von Queen, es regnet grünes Konfetti. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck schließt für einen Moment die Augen. So fühlt sich Gewinnen an.
Später springen Habeck und der Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann, sprangen am Sonntagabend bei der Wahlparty in München kopfüber von der Bühne und lassen sich von den Parteianhängern auf ausgestreckten Händen einige Meter durch den Saal tragen.
Ein paar Minuten später ist dann nichts mehr zu spüren von diesem Übermut. Habeck bedankt sich fast schon demütig bei den Wählern: „Das haben die Menschen in Bayern gemacht.“ Und Spitzenkandidatin Katharina Schulze freut sich: „Dieses Landtagswahlergebnis hat Bayern jetzt schon verändert.“ Sie legt die Hand auf die Brust, atmet tief ein, sichtlich bewegt, dass die absolute Mehrheit der CSU gebrochen wurde.
Nie zuvor waren die Grünen in Bayern so stark
Für die Grünen ist es ein historischer Sieg – das beste Ergebnis im Freistaat, seit sie 1986 zum ersten Mal antraten. Und nicht nur das: Die Grünen sind zweitstärkste Kraft, vor AfD, Freien Wählern und SPD. Sie haben also allen Grund zu jubeln – auch wenn es für die nur theoretisch diskutierte Regenbogenkoalition mit Freien Wählern, SPD und FDP nicht gereicht hat.
Die Grünen hatten einen Lauf. Es gab keine Störfeuer aus Berlin, die jungen Spitzenkandidaten Katharina Schulze (33) und Ludwig Hartmann (40) konzentrierten sich auf die Themen Ökologie und Europa, Datenschutz und Weltoffenheit.
Gern hätten sie noch länger Wahlkampf gemacht – in den vergangenen Wochen stiegen sie in fast jeder Umfrage. Sogar ehemalige CSU-Wähler gaben im Wahlkampf zu, Sympathie für die Grünen zu haben. Im benachbarten Baden-Württemberg regiert der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann seit 2011 seriös und mit ruhiger Hand – das dürfte so manchen Bayern überzeugt haben, dass die Grünen nicht mehr die politischen Träumer und Querdenker sind, die sie früher waren.
Jubel und Schrecken: Gesichter des Wahlabends in Bayern
Grüne würden mit der CSU regieren
Aber: Wenn die Grünen an die Macht wollen, müssen sie sich auf die CSU einlassen. Die Parteien stehen sich feindlich gegenüber. Das Unverständnis über das Weltbild des jeweils anderen sorgte schon bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin vor einem Jahr für schlechte Stimmung.
Mit dieser CSU, so sagen es viele Grüne, sei Regieren unmöglich. Sie hoffen auf christsoziale Chaostage, auf einen Umsturz, den Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Chef Horst Seehofer politisch nicht überleben. Dann könnte man, so der Traum, mit Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner oder der ehemaligen CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt einen flüchtlingsfreundlichen und ökologischen Koalitionsvertrag verhandeln.
Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass die CSU sich auf eine grundlegend andere Politik einlässt. Vor allem, weil sie eine Alternative hat: ein Bündnis mit den Freien Wählern.