Athen. Beim Staatsbesuch in Griechenland will Bundespräsident Steinmeier nach vorne schauen. Doch die Reparationsfrage steht weiter im Raum.

Der Bundespräsident hat sich sehr früh von seinem Hotel am Syntagma-Platz unterhalb der Akropolis auf den Weg gemacht. Auf Frank-Walter Steinmeier wartet ein Besuch im „Herz der Hölle“.

Es sind nur knapp sechs Kilometer bis Chaidari im Westen der Hauptstadt. Dort pferchte die SS während der Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg Tausende Juden im größten deutschen Konzentrationslager auf hellenischem Boden ein. Wer das überlebte, wurde in die Vernichtungslager im Osten deportiert und dort ermordet. Auch griechische Widerstandskämpfer verloren ihr Leben.

Gedenken in früherem KZ ohne Journalisten

Chaidaris Bürgermeister Michaelis Selekos zeigt Steinmeier die zweistöckige Baracke mit den dunklen Zellen. Gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender legt Steinmeier Blumen nieder. Von dem Besuch gibt es viele Bilder. Mehr aber nicht.

Die deutschen Journalisten, die Steinmeier auf seiner dreitägigen Reise in das Euro-Krisenland begleiten, dürfen an dem Termin in dem ehemaligen KZ nicht teilnehmen. Es sei militärisches Gelände, keine öffentliche Gedenkstätte, es sollte ein stilles Gedenken sein, heißt es.

Steinmeier: „Wir verneigen uns vor den Opfern“

Ein paar Stunden später, nach seinem Treffen mit Ministerpräsident Alexis Tsipras vom linken Syriza-Bündnis, entschuldigt sich Steinmeier für die Nazi-Verbrechen. „Wir verneigen uns vor den Opfern, die Folterungen erlitten haben, die von Athen aus in KZs nach Dachau und Auschwitz geschickt worden und dort zu Tode gekommen sind. Aber vor allen Dingen bitten wir um Verzeihung, hier in Griechenland, für das, was geschehen ist.“ So eine Geste hatte es bereits 2014 vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck gegeben.

Die Karriere von Frank-Walter Steinmeier

Er ist der Ruhige und Besonnene, kein Polterer. Es ist da nur folgerichtig, dass Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck antritt. Am 12. Februar ist der 61-Jährige zum zwölften Bundespräsidenten gewählt worden. Die SPD-Ikone Willy Brandt gab, wie bei so vielen, auch bei Frank-Walter Steinmeier in den 70er-Jahren den Anstoß, sich in der SPD zu engagieren. „Die Neugier auf Politik wurde geboren im Streit um Ostpolitik und Misstrauensvotum gegen Willy Brandt“, so Steinmeier.
Er ist der Ruhige und Besonnene, kein Polterer. Es ist da nur folgerichtig, dass Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck antritt. Am 12. Februar ist der 61-Jährige zum zwölften Bundespräsidenten gewählt worden. Die SPD-Ikone Willy Brandt gab, wie bei so vielen, auch bei Frank-Walter Steinmeier in den 70er-Jahren den Anstoß, sich in der SPD zu engagieren. „Die Neugier auf Politik wurde geboren im Streit um Ostpolitik und Misstrauensvotum gegen Willy Brandt“, so Steinmeier. © Funke foto Service | Gero Breloer
Ein Bild aus rot-grünen Regierungszeiten: Steinmeier im Juli 2009 mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem er als Kanzleramtsminister diente.
Ein Bild aus rot-grünen Regierungszeiten: Steinmeier im Juli 2009 mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem er als Kanzleramtsminister diente. © imago | sepp spiegl
Machtübergabe: Der abgewählte Bundeskanzler Helmut Kohl (m.) übergab nach der Wahl im Oktober 1998 an seinen Nachfolger Gerhard Schröder (r.). Im Hintergrund mit dabei: Frank-Walter Steinmeier (l.).
Machtübergabe: Der abgewählte Bundeskanzler Helmut Kohl (m.) übergab nach der Wahl im Oktober 1998 an seinen Nachfolger Gerhard Schröder (r.). Im Hintergrund mit dabei: Frank-Walter Steinmeier (l.). © imago | sepp spiegl
Schwierige Tage: Bei einer Anhörung zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Kriegs musste Steinmeier im Dezember 2008 als Zeuge aussagen.
Schwierige Tage: Bei einer Anhörung zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Kriegs musste Steinmeier im Dezember 2008 als Zeuge aussagen. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
22.11.2005: Frank-Walter Steinmeier legt als Bundesaußenminister gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert den Amtseid ab. Die SPD regiert als Juniorpartner in der Koalition mit der Union.
22.11.2005: Frank-Walter Steinmeier legt als Bundesaußenminister gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert den Amtseid ab. Die SPD regiert als Juniorpartner in der Koalition mit der Union. © imago | Sven Simon
Gute Laune auf der Regierungsbank im Bundestag: Steinmeier mit Parteifreundin Brigitte Zypries, damals Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Zypries wurde Anfang 2017 Nachfolgerin von Sigmar Gabriel und damit die erste Wirtschaftsministerin der Bundesrepublik.
Gute Laune auf der Regierungsbank im Bundestag: Steinmeier mit Parteifreundin Brigitte Zypries, damals Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Zypries wurde Anfang 2017 Nachfolgerin von Sigmar Gabriel und damit die erste Wirtschaftsministerin der Bundesrepublik. © imago | Metodi Popow
Zu Bundeskanzlerin Angela Merkel pflegte Steinmeier stets ein gutes Verhältnis. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er bei der Bundestagswahl 2009 als Kanzlerkandidat der SPD gegen Merkel antrat. Steinmeier fuhr damals das bis dahin schlechteste Bundestagswahlergebnis für die SPD ein.
Zu Bundeskanzlerin Angela Merkel pflegte Steinmeier stets ein gutes Verhältnis. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er bei der Bundestagswahl 2009 als Kanzlerkandidat der SPD gegen Merkel antrat. Steinmeier fuhr damals das bis dahin schlechteste Bundestagswahlergebnis für die SPD ein. © Getty Images | Andreas Rentz
Frank-Walter Steinmeier genießt nicht nur in der SPD große Sympathien. Über Parteigrenzen hinweg wird seine Fähigkeit zum Ausgleich gelobt.
Frank-Walter Steinmeier genießt nicht nur in der SPD große Sympathien. Über Parteigrenzen hinweg wird seine Fähigkeit zum Ausgleich gelobt. © REUTERS | REUTERS / MICHAEL DALDER
Wahlkampf unter Tage: Als Kanzlerkandidat der SPD 2009 besuchte Steinmeier die Zeche „Prosper-Haniel“ in Bottrop im Ruhrgebiet.
Wahlkampf unter Tage: Als Kanzlerkandidat der SPD 2009 besuchte Steinmeier die Zeche „Prosper-Haniel“ in Bottrop im Ruhrgebiet. © REUTERS | REUTERS / INA FASSBENDER
Der Kanzlerkandidat Steinmeier im August 2009, am Abend der Landtagswahlen in mehreren Bundesländern.
Der Kanzlerkandidat Steinmeier im August 2009, am Abend der Landtagswahlen in mehreren Bundesländern. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
So war es im Oktober 2008: Steinmeier als Kanzlerkandidat und Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender wollten die Partei bei der Wahl 2009 gemeinsam an die Macht führen – und scheiterten deutlich. Von 2009 bis 2013 regierte in Berlin Schwarz-Gelb.
So war es im Oktober 2008: Steinmeier als Kanzlerkandidat und Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender wollten die Partei bei der Wahl 2009 gemeinsam an die Macht führen – und scheiterten deutlich. Von 2009 bis 2013 regierte in Berlin Schwarz-Gelb. © Getty Images | Sean Gallup
Als Bundesaußenminister war Frank-Walter Steinmeier auf internationalem Parkett ein wichtiger Ansprechpartner, auch für seine amerikanische Amtskollegin Condoleezza Rice. Hier ein Bild aus dem Jahr 2008.
Als Bundesaußenminister war Frank-Walter Steinmeier auf internationalem Parkett ein wichtiger Ansprechpartner, auch für seine amerikanische Amtskollegin Condoleezza Rice. Hier ein Bild aus dem Jahr 2008. © REUTERS | REUTERS / TOBIAS SCHWARZ
17. Dezember 2013: Wieder wird Frank-Walter Steinmeier Außenminister. Die Ernennungsurkunde überreicht ihm der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, zu dessen Nachfolger Steinmeier gewählt wurde.
17. Dezember 2013: Wieder wird Frank-Walter Steinmeier Außenminister. Die Ernennungsurkunde überreicht ihm der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, zu dessen Nachfolger Steinmeier gewählt wurde. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
Steinmeier warb stets für die Integration von Flüchtlingen, hier bei einem gemeinsamen Fastenbrechen mit syrischen Flüchtlingen in Berlin während des Ramadan im Juli 2014.
Steinmeier warb stets für die Integration von Flüchtlingen, hier bei einem gemeinsamen Fastenbrechen mit syrischen Flüchtlingen in Berlin während des Ramadan im Juli 2014. © REUTERS | REUTERS / AXEL SCHMIDT
Ein bodenständiger Westfale, der als Außenminister Deutschland in der Welt vertrat: Frank-Walter Steinmeier 2015 in Berlin.
Ein bodenständiger Westfale, der als Außenminister Deutschland in der Welt vertrat: Frank-Walter Steinmeier 2015 in Berlin. © Getty Images | Adam Berry
Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender bei einer Operngala der Deutschen Aids-Stiftung in der Deutschen Oper in Berlin im Jahr 2011. Als seine Frau 2010 schwer erkrankte, spendete Frank-Walter Steinmeier ihr eine Niere und nahm dafür eine Auszeit von der Politik.
Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender bei einer Operngala der Deutschen Aids-Stiftung in der Deutschen Oper in Berlin im Jahr 2011. Als seine Frau 2010 schwer erkrankte, spendete Frank-Walter Steinmeier ihr eine Niere und nahm dafür eine Auszeit von der Politik. © imago | eventfoto54
Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2014 mit seinem legendären Vorgänger Hans-Dietrich Genscher. Anlass war der 25. Jahrestag der Ereignisse in der bundesdeutschen Botschaft in Prag, als Genscher dafür sorgte, dass Tausende DDR-Flüchtlinge, die 1989 dort Zuflucht gesucht hatten, in die Bundesrepublik ausreisen durften. Genscher starb im März 2016.
Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2014 mit seinem legendären Vorgänger Hans-Dietrich Genscher. Anlass war der 25. Jahrestag der Ereignisse in der bundesdeutschen Botschaft in Prag, als Genscher dafür sorgte, dass Tausende DDR-Flüchtlinge, die 1989 dort Zuflucht gesucht hatten, in die Bundesrepublik ausreisen durften. Genscher starb im März 2016. © Getty Images | Matej Divizna
Das Verhältnis zu den USA liegt Steinmeier besonders am Herzen. Hier berät er sich im September 2015 mit US-Außenminister John Kerry in Berlin.
Das Verhältnis zu den USA liegt Steinmeier besonders am Herzen. Hier berät er sich im September 2015 mit US-Außenminister John Kerry in Berlin. © Getty Images | Pool
Fußball gehört für Steinmeier zum Leben. Zehn Jahre lang spielte er für den TuS 08 Brakelsiek – anfangs in der Abwehr, dann als Libero, später im rechten Mittelfeld. „Nicht der begnadete Filigrantechniker, dafür großes Kämpferherz und langer Atem“, wie er selbst sagt. Das Foto zeigt den Außenminister mit seinem slowakischen Amtskollegen Miroslav Lajcak vor einem Spiel der beiden Nationalmannschaften bei der Euro 2016.
Fußball gehört für Steinmeier zum Leben. Zehn Jahre lang spielte er für den TuS 08 Brakelsiek – anfangs in der Abwehr, dann als Libero, später im rechten Mittelfeld. „Nicht der begnadete Filigrantechniker, dafür großes Kämpferherz und langer Atem“, wie er selbst sagt. Das Foto zeigt den Außenminister mit seinem slowakischen Amtskollegen Miroslav Lajcak vor einem Spiel der beiden Nationalmannschaften bei der Euro 2016. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
Nein, hier geht es nicht um Fußball, der Schal täuscht: Das Bild zeigt Steinmeier im Juni 2015 beim evangelischen Kirchentag in Stuttgart.
Nein, hier geht es nicht um Fußball, der Schal täuscht: Das Bild zeigt Steinmeier im Juni 2015 beim evangelischen Kirchentag in Stuttgart. © Thomas Lohnes
Frank-Walter Steinmeier bei einer Rede anlässlich einer OSCE-Konferenz im September 2016 in Potsdam.
Frank-Walter Steinmeier bei einer Rede anlässlich einer OSCE-Konferenz im September 2016 in Potsdam. © REUTERS | REUTERS / STEFANIE LOOS
Kraftvoll – das ist das Stichwort auch für den designierten Bundespräsidenten Steinmeier.
Kraftvoll – das ist das Stichwort auch für den designierten Bundespräsidenten Steinmeier. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
Er hat es geschafft: Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht dem designierten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 12. Februar im Reichstag in Berlin nach der Wahl zum zwölften Staatsoberhaupt einen Strauß Blumen.
Er hat es geschafft: Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht dem designierten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 12. Februar im Reichstag in Berlin nach der Wahl zum zwölften Staatsoberhaupt einen Strauß Blumen. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Die Bundesversammlung wählte den 61-Jährigen mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Joachim Gauck (r.).
Die Bundesversammlung wählte den 61-Jährigen mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Joachim Gauck (r.). © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
Steinmeier kennt zahlreiche Staatschefs noch aus seiner Zeit als Außenminister. So gilt er nun als Diplomat im Präsidentenamt. Anfang Juni empfing er den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin.
Steinmeier kennt zahlreiche Staatschefs noch aus seiner Zeit als Außenminister. So gilt er nun als Diplomat im Präsidentenamt. Anfang Juni empfing er den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin. © dpa | Rainer Jensen
Auch wenn Steinmeier nicht als charismatischer Menschenfänger wie sein Vorgänger Joachim Gauck bekannt ist, den Kontakt zu den Bürgern sucht er immer wieder. So etwa bei einem Besuch an seiner ehemaligen Universität in Gießen  am 12. Juni.
Auch wenn Steinmeier nicht als charismatischer Menschenfänger wie sein Vorgänger Joachim Gauck bekannt ist, den Kontakt zu den Bürgern sucht er immer wieder. So etwa bei einem Besuch an seiner ehemaligen Universität in Gießen am 12. Juni. © dpa | Frank Rumpenhorst
Dem Fußball kann Steinmeier auch treu bleiben. Nach dem DFB-Pokal-Finale überreichte er „seinem“ BVB den Pokal.
Dem Fußball kann Steinmeier auch treu bleiben. Nach dem DFB-Pokal-Finale überreichte er „seinem“ BVB den Pokal. © dpa | Jan Woitas
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Der von Steinmeier bewusst gesetzte Auftakt seines Staatsbesuchs zeigt, dass der angestrebte Neustart im deutsch-griechischen Verhältnis nicht ganz so leicht zu haben ist. In der Euro-Schuldenkrise wurden in beiden Ländern kräftig Vorurteile gepflegt, alte Wunden rissen auf.

Tage vor Steinmeiers Ankunft geistern wieder gigantische Zahlen durch die Medien, die Griechenland als Reparationen von Deutschland für NS-Kriegsverbrechen eintreiben wolle. Mehr als drei Jahre alt ist eine Studie, in der Experten des griechischen Finanzministeriums und der Zentralbank Forderungen von bis zu 330 Milliarden Euro auflisteten.

Ruf nach Reparationen wohl dem Wahlkampf geschuldet

Deutschland will sich darauf nicht einlassen. Die Reparationsfragen seien abschließend geklärt, Griechenland habe völkerrechtlich keinen Anspruch. Die Griechen kennen diese Position. Aber Ende Mai nächsten Jahres könnte es vorgezogene Neuwahlen geben, parallel zur Europa- und Kommunalwahl. Ob danach der Ministerpräsident noch Tsipras (der sich vom Revoluzzer zum Pragmatiker gewandelt hat) heißt, ist ungewiss.

Steinmeier trifft vorsorglich den konservativen Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis, der in Umfragen deutlich führt. Auf deutscher Seite glaubt man, dass der Ruf nach Wiedergutmachung vor allem dem Wahlkampf geschuldet ist. So mahnen Tsipras und Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos, der sich blendend mit seinem Duzfreund Steinmeier versteht und diesem am Freitag seine Heimatstadt Kalamata zeigen wird, eher sanft eine Lösung an, verweisen auf internationales Recht.

Gut bezahlte Jobs sind in Griechenland Mangelware

Wirtschaftlich gesehen geht es dem griechischen Patienten etwas besser. Mitte August verließ das Land den Euro-Rettungsschirm. Die Wirtschaft wächst, deutsche Touristen kommen in Scharen. Das täuscht nicht über die Armut hinweg. Vernünftig bezahlte Jobs bleiben Mangelware. Auch die Flüchtlingszahlen steigen wieder, die Lage in Notunterkünften auf Lesbos und anderswo ist teils dramatisch.

Die EU ist besorgt, dass ein Teil der 1,6 Milliarden Euro an Flüchtlingshilfe in dunklen Kanälen versickert sein könnte. Präsident Pavlopoulos fordert mehr europäische Solidarität, Steinmeier kritisiert die EU-Spitzen, die in der Migrationspolitik zu zaghaft agierten.

Deutschland verlangt Rentenkürzung von Griechenland

Innenpolitisch für Unruhe sorgt der ungelöste Namensstreit mit Mazedonien. Dazu riskiert Tsipras neuen Streit mit den Geldgebern. Er wirbt dafür, eine für 2019 vereinbarte Rentenkürzung zu streichen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gilt bei diesem Punkt als hartleibig. Das erzürnt Gregor Gysi.

Der populäre Linke, der wie die deutsch-griechische Sängerin Vicky Leandros und „Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis in Steinmeiers Reisegruppe dabei ist, hat kein Verständnis für Scholz: „Ein Sozialdemokrat muss doch nicht auf einer Rentenkürzung bestehen, oder bin ich völlig bekloppt?“

Giffey gründet deutsch-griechisches Jugendwerk

Leandros, die mal kurz in Piräus Vize-Bürgermeisterin für die marginalisierten Sozialisten von Pasok war, erzählt, eine ältere Frau habe sie gebeten, Frau Merkel auszurichten, dass ihre Rente so mickrig sei, dass da nichts mehr zu holen sei. Steinmeier, einst hinter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) Architekt der Hartz-Reformen, würdigt den harten Reformweg der Griechen.

Nun gibt es auch Erfolgsgeschichten. Eine verkündet Franziska Giffey, die dafür dem Bundespräsidenten extra hinterhergeflogen ist. Die Familienministerin unterzeichnet den Gründungsvertrag für das deutsch-griechische Jugendwerk.

Jugendaustausch gegen Populismus und Hetze

Jugendliche sollen Lehren aus den Schrecken der Vergangenheit ziehen, Fundamente für neue Freundschaften legen. Seit 1963 wird diese Aussöhnung mit Frankreich gepflegt, seit 1991 mit Polen. Beide Jugendwerke erreichen mehr als 300.000 junge Menschen, in Griechenland startet der Austausch auf einem bescheidenen Niveau von 2000. Hauptsitze sollen in Thessaloniki und in Leipzig sein.

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Die Entscheidung für Leipzig ist ein bewusstes Signal, um die Zivilgesellschaft im Osten durch internationale Organisationen zu stärken. Giffey glaubt, dass aus Jugendwerken starke Bollwerke gegen Demokratie-Verachtung werden können: „Jeder, der an einem Austausch teilgenommen hat, wird nicht so empfänglich für Populismus und Hetze sein.“ Diesen Kampf wollen Griechen und Deutsche gemeinsam gewinnen.