Istanbul . Die vierte Tarifanhebung in vier Monaten, die Automobilproduktion geht zurück. Doch Erdogan wettert gegen „Verschwörer und Erpresser“.

Der Oktober hat für die türkische Wirtschaft nicht gut begonnen. Am Mittwoch gab das staatliche Statistikamt die neuesten Inflationsdaten bekannt: Im September stiegt die Teuerung auf 24,52 Prozent. Das ist die höchste Preissteigerungsrate seit 15 Jahren.

Die Lira reagierte auf die Inflationszahlen mit einem Kursverlust von einem Prozent. Das Barometer für das Geschäftsklima fiel im September auf 71 Punkte. Das war das niedrigste Niveau seit der globalen Finanzkrise von 2009.

Nicht nur die Stimmung ist schlecht. Im August ging die Automobilproduktion gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent zurück. Die Neuzulassungen fielen sogar um massive 51 Prozent. Die steigenden Preise zehren an der Kaufkraft der Menschen. Nicht nur Lebensmittel und Konsumgüter werden ständig teurer.

Vier Tarifanhebungen in vier Monaten

Jetzt verfügte die staatliche Regulierungsbehörde eine Erhöhung der Strom- und Gastarife. Sie steigen für Privathaushalte um neun, für gewerbliche Kunden sogar um 18,6 Prozent. Es war bereits die vierte Tarifanhebung in ebenso vielen Monaten.

Jahrelang feuerte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan das Wirtschaftswachstum mit Infrastrukturprojekten, staatlichen Kreditbürgschaften und Steuervergünstigungen an. Nach dem künstlichen Boom droht jetzt eine harte Landung. Jason Turvey, Türkei-Experte des Wirtschaftsberatungsunternehmens Capital Economics, erwartet für das vierte Quartal einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um zwei bis vier Prozent.

Größtes Problem der türkischen Wirtschaft heißt Erdogan

Die Krise hat mehrere Ursachen. Wie die meisten Schwellenländer leidet die Türkei darunter, dass ausländisches Kapital in Erwartung höherer Renditen in den Dollarraum zurückfließt. Die Türkei trifft dieser Trend besonders, weil sie mehr als jedes andere große Schwellenland für die Finanzierung ihres Wachstums auf ausländische Kapitalzuflüsse angewiesen ist. Die Folge der Kapitalflucht: Die Lira hat seit Jahresbeginn 40 Prozent ihres Außenwerts verloren.

Das größte Problem der türkischen Wirtschaft heißt aber Erdogan. Er zieht immer mehr Kompetenzen in der Wirtschafts- und Geldpolitik an sich, machte seinen Schwiegersohn zum Finanzminister. Statt endlich die überfälligen Strukturreformen anzugehen, wettert er gegen „Verschwörer“, „Erpresser“ und die „Finanzlobby“.

Derweil nimmt die Krise ihren Lauf: Wegen des Lira-Verfalls können immer mehr Unternehmen ihre Fremdwährungskredite nicht mehr bedienen. Aus der Währungskrise könnte schnell eine Bankenkrise werden. Kommt es zu einem Zahlungsausfall, könnte der türkischen Wirtschaft der Kollaps drohen.