Berlin. Ein Gesetz für schnellere Termine beim Arzt wird wohl Entlastung in Praxen bringen. Das Problem: Es hilft bei weitem nicht überall.

Die Patientin traute ihren Ohren nicht. Sie hatte den Brustkrebs erfolgreich bekämpft und musste nun hören, dass die Ärzte bei der Kontrolluntersuchung eine Veränderung an der Leber entdeckt hatten. Der Schrecken war groß: Metastasen oder bloß eine harmlose Zyste? Um das zu klären, sollte die Patientin eine zweite Untersuchung machen. Der nächste freie Termin beim Radiologen? In sieben Wochen.

Niemand wartet gerne. Doch es gibt Fälle, in denen das Warten nicht nur zur Qual wird, sondern schlicht unerträglich ist. Das betrifft Menschen, die psychische Hilfe brauchen, aber auch Patienten, die mit einem lebensbedrohlichen Verdacht nicht anderthalb Monate auf eine klare Diagnose warten können. Die Krebspatientin bekam am Ende bereits nach wenigen Tagen einen Termin – weil sie privat jemanden kannte, der jemanden kannte, dessen Freund Radiologe ist. Ein Glück für die Wartende – aber ein bitteres Zeugnis für die medizinische Versorgung in Deutschland.

Terminmangel hat viele Ursachen

Gesundheitsminister Jens Spahn will nun per Gesetz dafür sorgen, dass Kassenpatienten schneller einen Arzttermin bekommen. Niedergelassene Mediziner sollen deswegen ihre Sprechstundenzeit für gesetzlich Versicherte ausdehnen; Augenärzte, Frauenärzte und HNO-Ärzte sollen auch Sprechzeiten ohne Terminvergabe anbieten. Dazu werden die Terminservicestellen ausgebaut und Hausärzte dafür honoriert, wenn sie Kassen­patienten an Fachärzte vermitteln.

Es ist gut, dass dieses Gesetz kommt, weil es jene Ärzte, die die Versorgung von Kassenpatienten bislang lieber ihren Kollegen überlassen, stärker in die Pflicht nimmt. Doch wer nun hofft, dass deswegen das Warten auf Facharzttermine für alle ein Ende hat, irrt. Denn der Terminmangel hat viele Ursachen – und nicht alle lassen sich mit gesetzlich verlängerten Sprechzeiten und mehr Honorar lösen.

Spahns Gesetz geht in vielen Arztpraxen an der Lebenswirklichkeit vorbei. Denn viele Ärzte versorgen bereits jetzt deutlich länger als 20 Stunden pro Woche ihre Kassenpatienten. Mancher Hausarzt und etliche Kinderärzte arbeiten längst am Limit. Hinzu kommt: In Deutschland gibt es die freie Arztwahl und damit per se eine ungleiche Verteilung der Patienten auf die Praxen. Auch in Zukunft wird es bei beliebten Ärzten, bei verkehrsgünstigen Praxen, bei oft empfohlenen Experten einen Patientenüberhang geben – auch dann, wenn der Kollege drei Straßen weiter ein leeres Wartezimmer hat.

Effekte des Gesetzes sind schwer kalkulierbar

Und schließlich: Je älter die Bevölkerung wird, desto größer wird der Bedarf an fachärztlicher Versorgung. Und: Je mündiger die Patienten werden, desto eher konsultieren sie zwei oder drei Fachärzte, bevor sie sich für eine Behandlung entscheiden. Auch diese beiden Faktoren füllen zunehmend die Wartezimmer. Die Effekte, die Spahns Gesetz mit Blick auf die Wartezeiten hat, werden deswegen schwer kalkulierbar, in jedem Fall aber längst nicht so groß, wie viele hoffen. Klar kalkulierbar dagegen ist der Effekt für die Ärzte: Sie können sich ausrechnen, welches Honorarplus ihnen winkt, wenn sie Zusatzangebote zum Abbau des Terminstaus abrechnen.

Jens Spahn hat sich vorgenommen, ein sichtbarer Gesundheitsminister zu sein. Einer, der das Leben der Patienten und Beschäftigten im Gesundheitssystem spürbar verbessert. Bei seinem ersten Gesetz zur Reform der Kassenbeiträge gilt das: Ab Januar zahlen die gesetzlich Versicherten nur noch die Hälfte des Zusatzbeitrags – die andere Hälfte übernehmen wieder die Arbeitgeber. Das Gesetz zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung dagegen muss (im wörtlichen Sinn!) erst in der Praxis beweisen, was es kann.