Berlin. Die Hängepartie um Maaßen zeigt die Schwäche von Merkel, Seehofer und Nahles. Die große Koalition hat sich nicht mit Ruhm bekleckert.

Egal, wann und wie Hans-Georg Maaßen, der mit groben handwerklichen Schnitzern und fragwürdigen AfD-Kontakten seinen Ruf als oberster Verfassungsschützer verspielt hat, zu Recht seinen Chefsessel verlassen muss: Die große Koalition hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Tagelang wurde über diese Personalie gerungen, als gebe es nichts anderes mehr im Land zutun.

CDU, CSU und SPD zeigen so vor den Augen der Bürger einmal mehr, dass sie ein reines Zweckbündnis bilden, wo sich keiner der Partner wirklich über den Weg traut, wo mit Blick auf die Wahlen in Bayern und Hessen taktiert wird, was das Zeug hält.

Angela Merkel ist im Spätherbst ihrer Macht

Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Akteure schwach sind. Die Kanzlerin im Spätherbst ihrer Macht hat kaum noch die Kraft, eine Richtung vorzugeben, geschweige denn eine Personalie von nicht überragender Bedeutung geräuschlos abzuräumen.

Bereits im Sommer hatte Merkel beim verheerenden Streit um Zurückweisungen von Flüchtlingen an den Grenzen zeitweise den Eindruck zugelassen, von der CSU und Horst Seehofer erpressbar zu sein. Nur mit einem Kraftakt auf europäischer Bühne gelang es Merkel in letzter Minute, einen Bruch der Fraktionsgemeinschaft der Union und der Koalition abzuwenden.

Dass Merkel mit ihrer Richtlinienkompetenz Seehofer zur Entlassung Maaßens verdonnert, ist mehr als unwahrscheinlich. Die CSU würde das als Kampfansage werten.

Wenn es nicht Maaßen ist, wird sich ein anderes Problem finden

So oder so kommt diese Regierung nicht mehr aus dem Krisenmodus heraus. Wenn es nicht Maaßen ist, wird sicher bald ein anderes Problem gefunden werden, um den nächsten Streit vom Zaun zu brechen.

Diese Unwucht hat auch Horst Seehofer zu verantworten. Der verkündete kürzlich in einem Interview, er sei als Sicherheits-, Migrations-, Sport-, Bau- und Heimatminister keinesfalls überfordert. Nein, er habe sich eigentlich zu wenig aufgehalst, sagte der 69-Jährige. Der Mann hat Nerven.

Seehofer ist völlig aus dem Tritt

Seehofer, der als Ministerpräsident von Freund und Feind über Jahre für seine Gabe bewundert wurde, dem Volk aufs Maul schauen und nebenbei für Bayern viele Milliarden Bundesgeld herausschlagen zu können, ist völlig aus dem Tritt.

Zu Chemnitz schwieg er lange, bezeichnete Glatzen und Springerstiefel, die Seite an Seite mit AfD­lern­ auf den Straßen marschierten, als „unschön“, um dann in der Haushaltsdebatte plötzlich aufzuwachen, die AfD sei hochgefährlich und staatszersetzend. Angesichts der seehoferschen Amtsführung sehnt man sich geradezu starke Ressortchefs wie Wolfgang Schäuble oder Otto Schily zurück.

Seehofer sollte nun Verantwortungsbewusstsein haben

Die Wurzel aller Probleme liegt im gestörten Verhältnis zwischen Seehofer und Merkel, das auf die Entscheidung der Kanzlerin zurückgeht, vor drei Jahren Hunderttausende Flüchtlinge weitestgehend unkontrolliert ins Land geholt zu haben.

Seehofer sollte nun so viel Verantwortungsbewusstsein haben, den Streit um Maaßen nicht auf die Spitze zu treiben, und den Geheimdienstmann in die Wüste schicken. Wer sich verrannt hat, kann ein Stück Ansehen durch Taten zurückgewinnen.

SPD: Der heimliche Parteivorsitzende heißt Kevin Kühnert

Damit sind wir bei Andrea Nahles. Sie wirkt nicht wie eine, die den eigenen Laden, der am liebsten Opposition in der Regierung spielt, wirklich im Griff hat. Der heimliche Parteivorsitzende heißt Kevin Kühnert.

Der Juso-Chef setzte durch, dass die SPD Maaßens Abgang verlangte, als die Affäre schon am Abklingen war. Diese Koalition und ihre Vorsitzenden stehen auf tönernen Füßen. Man muss kein Prophet sein, um nicht mehr an einen Fortbestand bis 2021 zu glauben.