Zahlreiche Demonstranten hatten die NRW-Landesvertretung in Berlin blockiert. Nun hat die Polizei damit begonnen, sie wegzutragen.

Die Polizei in Berlin hat mit der Räumung einer Blockade von Braunkohlegegnern an der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen begonnen. Einsatzkräfte trugen Demonstranten am Freitagmittag vom Eingang des Gebäudes weg. Zuvor wurden die Personalien der Aktivisten aufgenommen, die gegen die umstrittene Räumung des Hambacher Forstes in NRW protestiert hatten. Die Landesvertretung hatte Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt.

Aktivisten hatten am Morgen die Landesvertretung in Berlin blockiert. Eine kleine Personengruppe war in dem Gebäude und habe die Besetzung erklärt. Laut Mitteilung der Initiative „Ende Gelände“ sollte mit der Aktion in Berlin gegen den Großeinsatz der Polizei im Hambacher Forst protestiert werden. Die Initiative wolle die Landesvertretung so lange besetzt halten, bis die Landesregierung den Polizeieinsatz im Wald beendet.

Baumhäuser im Hambacher Forst werden weiter geräumt

Derweil ist die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst am Freitagmorgen fortgesetzt worden. Am Donnerstagabend hatte die Polizei bis zum Einbruch der Dunkelheit vier Baumhäuser und diverse Hindernisse aus dem Weg geräumt. Mehreren Dutzend Braunkohlegegnern war es gelungen, trotz des massiven Polizeiaufgebots in den Wald zu kommen. Schätzungsweise 40 bis 50 Braunkohlegegner scherten nach Polizeiangaben aus einer Demonstration aus und rannten los.

Warum der Hambacher Forst so umkämpft ist, lesen Sie hier.

Sie wurden lautstark von den in Baumhäusern lebenden Aktivisten begrüßt, wie eine dpa-Reporterin berichtete. An der genehmigten Demonstration gegen die Räumung und für den Erhalt des Hambacher Forstes hätten mehr als 1.000 Menschen teilgenommen, darunter Familien mit Kindern.

Fehlender Brandschutz bemängelt

Als Grund für die Räumung führten die Behörden nicht etwa den geplanten Braunkohleabbau an. Vielmehr argumentiert das NRW-Bauministerium mit dem fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern - unter anderem fehlten Rettungsleitern.

Umweltaktivisten hatten sich der Polizei in den Weg gestellt.
Umweltaktivisten hatten sich der Polizei in den Weg gestellt. © REUTERS | THILO SCHMUELGEN

Die Umweltaktivisten, etwa von der Organisation Ende Gelände, halten das für ein vorgeschobenes Argument.

Das Verwaltungsgericht Köln gab den Behörden Recht und lehnte am Abend einen Eilantrag gegen die Räumung eines Baumhauses ab. Es sei davon auszugehen, dass bei den noch ausstehenden Eilanträgen ähnlich entschieden werde, sagte eine Gerichtssprecherin.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter in NRW nannte die Räumung der Baumhäuser „eine krasse politische Fehlentscheidung“. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Kohlekommission in Berlin noch über einen endgültigen Ausstieg aus der Kohleverstromung verhandele, stelle Landesbauministerin Ina Scharrenbach (CDU) plötzlich fest, „dass der Brandschutz der Baumhäuser nicht gewährleistet sei - nach einem der trockensten Sommer der Nachkriegsgeschichte“. Sie revidiere damit eine Wertung des NRW-Bauministeriums aus dem Jahr 2014 und stelle sich gegen die rechtliche Einordnung der betroffenen Kommunen.

Polizei: Räumung im Hambacher Forst bisher weitgehend friedlich

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    Bei dem Einsatz kam es zwischen Polizei und Aktivisten am Donnerstag zu Auseinandersetzungen. Beamte seien mit Zwillen beschossen und mit Molotow-Cocktails beworfen worden, warf die Polizei den Aktivisten vor. Ein Beamter sei dabei leicht verletzt und ein Dienstwagen beschädigt worden.

    An mehreren Stellen hätten friedliche Demonstranten sich auf Zufahrtswege gesetzt und diese blockiert. Eine Sprecherin des Aktionsbündnisses Ende Gelände machte hingegen die Polizei verantwortlich: „Die Polizei eskaliert, die Polizei greift an, die Menschen setzen sich zur Wehr“, sagte Karolina Drzewo.

    Die Polizei stellt sich im Hambacher Forst noch auf einen langen und schwierigen Einsatz ein. Die 50 bis 60 Baumhäuser liegen in bis zu 25 Metern Höhe - entsprechend kompliziert ist es, sie zu räumen.

    Streit spaltet die Kohlekommission

    Unterdessen entzweit der Streit um den Hambacher Forst die von der Bundesregierung eingesetzte sogenannte Kohlekommission. „Der Tagebau Hambach ist genehmigt und bisher in allen Instanzen bei gerichtlichen Überprüfungen bestätigt worden“, sagte Kommissionsmitglied Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem „Handelsblatt“. „Deshalb ist es in einem Rechtsstaat nur konsequent, dass RWE dann auch den Tagebau weiterführen kann.“

    Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und Mitglied der Kohlekommission, kritisierte die Proteste gegen die geplante Rodung: „Der Hambacher Forst steht schon länger nicht mehr nur für friedlichen Protest und eine offene Streitkultur.“

    Dagegen sagte Kommissionsmitglied Martin Kaiser, der zugleich Geschäftsführer von Greenpeace ist, die „unverantwortliche Räumung unter vorgeschobenen Gründen“ belaste „die bislang vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit in der Kohlekommission massiv“. Auch der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) und der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, beide ebenfalls in der Kohlekommission vertreten, bewerteten die Räumung als kontraproduktiv.

    Die Kohlekommission soll bis Ende des Jahres eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten und Vorschläge für die Finanzierung und Gestaltung des Strukturwandels in Tagebau-Regionen wie dem Rheinischen Revier vorlegen. (dpa/jb)