Berlin. Die Energiewende in Deutschland droht am schleppenden Netzausbau zu scheitern. Auch Wirtschaftsminister Altmaier hat keine Lösung.

Große Projekte erfordern mitunter auch große Worte. Ein Vorbild für die Welt wolle Deutschland bei der Energiewende sein, verkündete jetzt Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Für viele geht es dabei um nicht weniger als um die Rettung derselben – Stichworte Klimawandel und Kohlendioxid. Klingt ein wenig nach Kaiser Wilhelm II., der am deutschen Wesen die Welt genesen lassen wollte – nur halt im modernen sozio-ökologischen Gewand.

Und dumm nur, dass sich die tatsächlichen Leistungen umgekehrt proportional zu den verbalen Großtaten verhalten. Das beginnt schon bei der Rolle rückwärts in Sachen Energiewende nach Fukushima 2011.

Erst ein Jahr hatte die große Koalition unter Angela Merkel den von Rot-Grün konzipierten Zeitplan des Atomausstiegs verlängert. Nun wurde noch mehr als ursprünglich vorgesehen verkürzt – weil am anderen Ende der Welt ein Kernkraftwerk nach Erdbeben und Tsunami havarierte.

Windstrom nicht ins Netz eingespeist

Hektisch wurden nun Windkraftanlagen gebaut. Vor allem dort, wo der Wind am beständigsten weht – im Norden, am meisten offshore. Um dann festzustellen, was wohl jeder von zu Hause kennt: Dort, wo man den Strom manchmal braucht, ist gerade keine Steckdose vorhanden.

Was im Haushalt ärgerlich ist und mit einem Verlängerungskabel leicht behoben werden kann, wächst sich beim Mega-Projekt Energiewende zum Mega-Problem aus. Schon heute kann Windstrom mitunter nicht ins Netz eingespeist werden, weil dafür dessen bisherige Leitungen nicht ausreichen – darum drehen sich manchmal Windräder nicht, selbst wenn es starken Wind gibt. Die Netzbetreiber lassen dann im Norden die Einspeisung von Strom aus konventionellen Kraftwerken senken und im Süden erhöhen.

Von 7700 Kilometern nur 1750 genehmigt

Diese Noteingriffe verursachen Milliardenkosten, die am Ende auch beim Verbraucher landen. Einer der Gründe dafür, dass die privaten Haushalte in Deutschland europaweit mit durchschnittlich 30 Cent pro Kilowattstunde den höchsten Strompreis zahlen – neben EEG-Umlage, Netzentgelten, Entschädigungen für die Energiekonzerne und sonstiger Steuern und Abgaben. Die Stromerzeugung selbst macht nur 20 Prozent des Preises aus.

Zweitens fehlen die großen Trassen, die den sogenannten Ökostrom aus dem Norden in die wirtschaftlichen Zentren des Südens transportieren können. Nach aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur sind von erforderlichen 7700 Kilometern derzeit 1750 Kilometer genehmigt und nur 950 realisiert.

Konnte ja auch niemand ahnen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland kompliziert und langwierig sind, betroffene Anwohner von neuen Hochspannungsmasten vor ihrer Haustür und Erdkabeln, die den Boden erwärmen, wenig begeistert sein könnten und klagen würden. Sei es nun, weil sie diffuse Ängste vor Strahlungen plagen oder die schlichte Sorge um den Wert des Eigenheims.

Widerstand im Bundesrat ist garantiert

Immerhin, Altmaier erklärt nun, die Probleme erkannt zu haben und sie bannen zu wollen. Mit seinem „Aktionsplan Stromnetz“ verspricht er Besserung. Die Bundesländer sollen bei alternativen Trassenvarianten nicht mehr viel mitreden können – Widerstand im Bundesrat ist garantiert.

Planungsverfahren sollen beschleunigt werden – die Bürgerinitiativen gegen den Netzausbau bekommen ein neues Feindbild. Und irgendwie geistern da im Hinterkopf ständig die mittlerweile auch Jahre alten Versprechungen der Regierung vom Ausbau des schnellen Internets, von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und Renovierung von Schulen herum.

Deutschland ein Vorbild für die Welt? Manchmal wohl eher ein abschreckendes Beispiel.