Berlin. Die Europäer kämpfen zu Recht für die Einhaltung des Atomvertrags mit dem Iran. Blinde Solidarität mit Trump wäre kontraproduktiv.

Wieder einmal begehen die USA den Irrtum, den Nahen Osten mit einer Frontal-Aktion auf Kurs bringen zu wollen. 2003 ließ US-Präsident George W. Bush seine Truppen im Irak einmarschieren. Zum einen, um die angeblichen „Massenvernichtungswaffen“ von Diktator Saddam Hussein zu vernichten – später stellte sich heraus, dass er keine hatte. Zum anderen, um einen per Knopfdruck demokratisierten Irak zu einem Leuchtfeuer der Rechtsstaatlichkeit in der Region zu machen. Eine Fehlkalkulation, deren Folgen die Welt noch heute ausbaden muss.

Der Irak war in gewisser Weise eine Blaupause für Donald Trumps aktuellen Feldzug gegen den Iran. Wie sein Vor-Vorgänger will der US-Präsident der politischen Führung in Teheran die „Massenvernichtungswaffe“ Atombombe – die sie angeblich anstrebt – für immer aus der Hand schlagen. Darüber hinaus sollen die Iraner endlich in Freiheit leben. Trump hat sich vorgenommen, das Mullah-Regime durch knallharte Sanktionen in die Knie zu zwingen.

Trump scheint Obamas Erfolge pulverisieren zu wollen

Der Chef des Weißen Hauses will ohne Not einen Alleingang durchziehen. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) hat dem Iran bescheinigt, bislang alle Auflagen aus dem Nuklearabkommen von 2015 erfüllt zu haben. Selbst Israels Generalstabschef Gadi Eizenkot räumte ein, dass der Vertrag bei allen Fehlern Teherans Atomvision für zehn bis 15 Jahre verhindere. Darüber hinaus hätte die mühsam ausgehandelte Vereinbarung eine Art Testfall werden können, um Länder mit nuklearen Ambitionen an die Kandare zu nehmen.

Doch Trump schlug alle Warnungen in den Wind. Er scheint vom Ehrgeiz getrieben, die Errungenschaften seines Amtsvorgängers Barack Obama zu pulverisieren. Das von den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, China und Russland unterzeichnete Atom-Papier gehört dazu. Damit soll die Rolle des Irans im Nahen Osten nicht verharmlost werden.

Internationale Gemeinschaft muss auch Grenzen setzen

Teherans finanzielle und militärische Unterstützung für schiitische Milizen in Syrien, im Libanon und im Jemen sorgt für Unruhe. Hier muss die internationale Gemeinschaft Grenzen setzen. Das ist auch Syriens Schutzmacht und Irans Verbündetem Russland nicht entgangen. Moskau hat kürzlich angeboten, zumindest eine Pufferzone vor der syrisch-israelischen Grenze zu errichten, in der iranische Kräfte nichts zu suchen haben.

Nur: Die regionalpolitischen Aktivitäten Teherans müssen unabhängig vom Atomabkommen verhandelt werden. Deutschland, Frankreich und Großbritannien tun gut daran, dem US-Präsidenten die Stirn zu bieten und weiter für die Einhaltung des Nuklearvertrags zu kämpfen. Dass es hier Schnittmengen mit China und Russland gibt, passt in die aus den Fugen geratene Welt der Ära Trump. Blinde Solidarität mit dem testosterongesteuerten Kurs des Amerikaners wäre kontraproduktiv.

EU-Firmen werden wohl nicht dauerhaft im Iran bleiben

Unabhängig von dem Leid, das eine harte US-Sanktionskeule in der iranischen Bevölkerung anrichten würde: Warum sollen deutsche Unternehmen, die zum Teil über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsbeziehungen mit dem Iran verfügen, für die Lieferung ziviler Güter bestraft werden? Dennoch darf bezweifelt werden, ob europäische Firmen dauerhaft im Iran bleiben.

Das reaktivierte Blockade-Statut der EU spricht Betrieben zwar Entschädigung zu, wenn sie von den USA mit Strafmaßnahmen belegt werden. Doch dürfte die Mehrzahl freiwillig die Zelte im Iran abbrechen – zu wichtig sind Handel und Investitionen mit und in der immer noch größten Volkswirtschaft der Welt.