Berlin. Horst Seehofer ist nicht mehr länger Schirmherr des Nachbarschaftspreises. Zwei Vereine hatten wegen ihm ihre Nominierungen abgelehnt.

Nach Kritik von Nominierten für den Deutschen Nachbarschaftspreis an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zieht der CSU-Chef seine Schirmherrschaft für die Auszeichnung zurück.

In einem persönlichen Schreiben habe der Minister den Geschäftsführer der „nebenan.de“-Stiftung, Michael Vollmann, über diesen Schritt informiert, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag. Darin macht Seehofer Vollmann für seinen Rückzug verantwortlich. Der Minister wirft ihm vor, ihm Toleranz abzusprechen.

„Ihre Äußerungen, die Sie als Geschäftsführer der nebenan.de-Stiftung im Zusammenhang mit dem Rücktritt zweier nominierter Preisbewerber gegenüber den Kollegen in der Bundesjury und den Medien getroffen haben, sind diskreditierend“, schreibt Seehofer darin. „Da Sie mir Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit absprechen, stehe ich für die Schirmherrschaft ab sofort nicht mehr zur Verfügung“, heißt es nach Angaben des Sprechers in dem Schreiben an Vollmann.

Seehofer betone darin weiter, dass diese drei Werte Grundlage und Richtschnur der Ministeriumspolitik seien. „Ich halte es für wichtig, das Ehrenamt, den Zusammenhalt und ein demokratisches Miteinander in Deutschland voranzubringen“, schreibt der CSU-Politiker.

Seehofer wirft Kritikern eine Kampagne vor

Am Donnerstagabend warf Seehofer seinen Kritikern eine gezielte Kampagne gegen seine Person und eine völlig unangemessene Wortwahl vorgeworfen. „Genau diejenigen, die jeden Tag dafür eintreten, dass man in der Politik Anstand und Stil zu bewahren hat, überschütten mich mit Worten und Eigenschaften und Attributen, die weit unter der Gürtellinie liegen“, sagte Seehofer in einer Bierzelt-Rede im oberbayerischen Töging am Inn.

„Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen – der Mörder, der Terrorist, der Rassist“, sagte er mit Blick auf die Kritik an ihm zu den mehreren hundert Besuchern, betonte aber dann: „Kampagnen, da können sie sich drauf verlassen, die beschäftigen mich nicht.“

Der Berliner Verein „Moabit hilft“ und der Kölner „wielebenwir e.V.“ hatten eine Nominierung für den Preis wegen Äußerungen Seehofers abgelehnt. „Moabit hilft“ verwies beispielhaft auf die Aussage zur Abschiebung von 69 Afghanen, die der CSU-Politiker in einen Zusammenhang stellte mit seinem zeitgleichen 69. Geburtstag. Der Kölner Verein erklärte, Seehofer stehe „für eine Politik, die die Gesellschaft spaltet, die auf Abschottung setzt und die Menschen in Not Hilfe verweigert“. Beide Vereine sehen dies als nicht vereinbar mit ihren Ansichten und Zielen an.

Nach Abschiebe-"Witz": Seehofer weist Rücktrittsforderungen zurück

weitere Videos

    Vollmann hatte nach dem Rückzug der Initiativen unter anderem im Gespräch mit dem epd betont, an einer inhaltlichen Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium festhalten zu wollen. Gleichzeitig sagte er, auch andere Initiativen sähen die Schirmherrschaft Seehofers kritisch. Die Leitung des Ministeriums könne man sich aber nicht aussuchen. Der „Berliner Zeitung“ sagte Vollmann, Seehofer habe zuletzt „verbal Grenzen überschritten“.

    Innenministerium lud Initiativen zum Gespräch

    Am Montag noch erklärte eine Sprecherin Seehofers, dass die betreffenden Initiativen zu einem Gespräch auf Arbeitsebene ins Ministerium eingeladen werden sollen. Von einem möglichen Rückzug Seehofers von der Auszeichnung, für die auch sein Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) als Schirmherr fungierte, war dabei noch nicht die Rede. Für das Gespräch würden derzeit Termine abgestimmt, sagte der Sprecher.

    Der Deutsche Nachbarschaftspreis, für den bundesweit 104 Projekte nominiert wurden, soll am 5. September verliehen werden. Initiiert wurde er von der in Berlin ansässigen Stiftung „nebenan.de“. Gekürt werden drei Bundessieger und 13 Landessieger. Vergeben wird zudem ein mit 5.000 Euro dotierter Publikumspreis. Der Nachbarschaftspreis ist mit insgesamt 50.000 Euro dotiert. Ausgezeichnet werden Projekte, die sich vor Ort für mehr Integration und Inklusion, für die Bewältigung des demografischen Wandels und gegen Abwanderung aus dem ländlichen Raum einsetzen.

    Die Karriere von Horst Seehofer

    Er ist Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV: Der CSU-Politiker Horst Seehofer kann auf eine Jahrzehnte lange politische Karriere zurückblicken. Wir zeigen Bilder des CSU-Politikers.
    Er ist Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV: Der CSU-Politiker Horst Seehofer kann auf eine Jahrzehnte lange politische Karriere zurückblicken. Wir zeigen Bilder des CSU-Politikers. © Reto Klar | Reto Klar
    Seehofer wurde am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geboren. Nach der Mittleren Reife tritt er 1969 in die Junge Union ein, 1971 wird der Diplom-Verwaltungswirt Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU).
    Seehofer wurde am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geboren. Nach der Mittleren Reife tritt er 1969 in die Junge Union ein, 1971 wird der Diplom-Verwaltungswirt Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU). © picture alliance / Andreas Geber | dpa Picture-Alliance / Andreas Gebert
    Am 21. April 1989 wird Seehofer zum Nachfolger des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesarbeitsministerium, Stefan Höpfinger (l.), ernannt.
    Am 21. April 1989 wird Seehofer zum Nachfolger des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesarbeitsministerium, Stefan Höpfinger (l.), ernannt. © Bundesarchiv | Reineke, Engelbert
    Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheitsminister.
    Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheitsminister. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Torsten Silz
    Von 1980 bis 2008 ist er Mitglied des Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 2008 stellvertretender Vorsitzende der CSU und von 1998 bis 2004 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
    Von 1980 bis 2008 ist er Mitglied des Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 2008 stellvertretender Vorsitzende der CSU und von 1998 bis 2004 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. © imago/photothek | Nicole Maskus
    Nach der Bundestagswahl 2005 wird Horst Seehofer in der großen Koalition Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
    Nach der Bundestagswahl 2005 wird Horst Seehofer in der großen Koalition Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. © Getty Images | Andreas Rentz
    Das Amt bekleidet er von 2005 bis 2008.
    Das Amt bekleidet er von 2005 bis 2008. © Getty Images | Miguel Villagran
    Seit 2008 hat er den Parteivorsitz der CSU inne.
    Seit 2008 hat er den Parteivorsitz der CSU inne. © REUTERS | REUTERS / RALPH ORLOWSKI
    Im Oktober 2008 wird er vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt.
    Im Oktober 2008 wird er vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt. © picture-alliance/ dpa/dpaweb | dpa Picture-Alliance / Eva Chloupek
    Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin Seehofer (2 v.l.) und den drei gemeinsamen Kindern Andreas, Ulrike und Susanne beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten 2018 im Kaisersaal der Münchner Residenz. Aus einer außerehelichen Beziehung hat er eine weitere Tochter, die 2007 geboren wurde.
    Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin Seehofer (2 v.l.) und den drei gemeinsamen Kindern Andreas, Ulrike und Susanne beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten 2018 im Kaisersaal der Münchner Residenz. Aus einer außerehelichen Beziehung hat er eine weitere Tochter, die 2007 geboren wurde. © imago | Spöttel Picture
    „Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann“, sagte er einmal.
    „Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann“, sagte er einmal. © dpa | Tobias Hase
    2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Privat habe er kaum Zeit für Freunde, Familie, Hobbys.
    2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Privat habe er kaum Zeit für Freunde, Familie, Hobbys. © dpa | Michael Kappeler
    Am 12. März 2018 präsentierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Seehofer und der damalige kommissarische SPD-Vorsitzende und jetzige Finanzminister Olaf Scholz, den gemeinsam unterzeichneten Koalitionsvertrag in Berlin. Es gibt wieder eine große Koalition.
    Am 12. März 2018 präsentierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Seehofer und der damalige kommissarische SPD-Vorsitzende und jetzige Finanzminister Olaf Scholz, den gemeinsam unterzeichneten Koalitionsvertrag in Berlin. Es gibt wieder eine große Koalition. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Für das Kabinett Merkel IV wird Seehofer am 14. März 2018 zum neuen Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat ernannt. Der Höhepunkt in seiner Karriere.
    Für das Kabinett Merkel IV wird Seehofer am 14. März 2018 zum neuen Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat ernannt. Der Höhepunkt in seiner Karriere. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
    Dieses Foto sorgt kurze Zeit später für Aufsehen. Der Heimatminister präsentiert seine Mannschaft – und es sind ausschließlich Männer zu sehen.
    Dieses Foto sorgt kurze Zeit später für Aufsehen. Der Heimatminister präsentiert seine Mannschaft – und es sind ausschließlich Männer zu sehen. © picture alliance / /Bundesminist | dpa Picture-Alliance / -
    Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze eskaliert Ende Juni. Auch bei einem Krisengespräch im Kanzleramt können die beiden die Wogen zunächst nicht glätten.
    Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze eskaliert Ende Juni. Auch bei einem Krisengespräch im Kanzleramt können die beiden die Wogen zunächst nicht glätten. © dpa | Paul Zinken
    Innenminister Seehofer bleibt in der Fragen nach Abweisungen an der Grenze hart – Merkel auch.
    Innenminister Seehofer bleibt in der Fragen nach Abweisungen an der Grenze hart – Merkel auch. © dpa | Ralf Hirschberger
    Doch nach einem weiteren Krisengespräch wird man sich einig. Die Union will Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten.
    Doch nach einem weiteren Krisengespräch wird man sich einig. Die Union will Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. © Reto Klar | Reto Klar
    1/18

    (epd)