Washington. In den USA sollten Pläne veröffentlicht werden, mit denen man Schusswaffen im 3D-Drucker herstellen kann. Ein Gericht stoppte das.

Wo und wann ein Todesschütze seine Waffe(n) inklusive Munition gekauft hat, ist nach jedem Massenmord in Amerika fester Bestandteil der Medien-Berichterstattung. Konsternierte Besitzer von einschlägigen „gun stores“ beteuern dann regelmäßig vor laufender Kamera, sie hätte nichts Auffälliges bemerkt und sich im übrigen an die Gesetze gehalten.

Dieses bizarre Ritual wäre an diesem Mittwoch beinahe überflüssig geworden. Mit Genehmigung der Regierung von Donald Trump hätte sich jeder Amerikaner im Internet legal Bausätze für todbringende Waffen herunterladen können, die mit Hilfe eines 3D-Druckers im Heimwerker-Keller aus Hartplastik gebastelt werden können. Ohne Registrierung bei den Behörden. Ohne Hintergrund-Check. Ohne Rücksicht auf Alter oder kriminelle Vergangenheit. Und ohne Serien-Nummer. In einem Land, in dem jährlich rund 40.000 Menschen durch Schusswaffen-Gewalt sterben.

US-Gericht stoppt Veröffentlichung von Waffenplänen für 3D-Drucker

In letzter Minute wollten mehr 20 Bundesstaaten Trump auf dem Gerichtsweg stoppen, einer davon war erfolgreich: Ein Bundesgericht im US-Bundesstaat Washington hat die Veröffentlichung der Pläne für die Herstellung von Schusswaffen mittels 3D-Druckern gestoppt. Das Gericht in Seattle erließ am Dienstagabend (Ortszeit) eine einstweilige Verfügung. Das Büro des Generalstaatsanwalts im Bundesstaat Washington, Bob Ferguson, teilte auf Twitter mit, dem Antrag sei stattgegeben worden.

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Ferguson hatte die Verfügung beantragt und zugleich Klage gegen die Regierung von Präsident Donald Trump erhoben. Er argumentierte, durch die Pläne erhielten „Kriminelle und Terroristen Zugang zu herunterladbaren, nicht verfolgbaren und nicht aufspürbaren 3D-gedruckten Waffen“.

Sieben Bundesstaaten und der Hauptstadtdistrikt Washington schlossen sich der Klage an. Der Anwalt der Organisation Defense Distributed hatte das Gericht in Seattle erfolglos aufgefordert, den Antrag auf einstweilige Verfügung „in seiner Gesamtheit“ abzulehnen.

Auch Trump hatte das Projekt plötzlich angezweifelt

Auch Trump hatte am Dienstag plötzlich kalte Füße bekommen und sein Projekt selbst in Zweifel gezogen: „Scheint nicht sehr sinnvoll zu sein“, sinnierte er auf Twitter. „Ich werde es überprüfen.“

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Cody Wilson mit einer Kunststoff-Pistole aus einem 3D-Drucker im Jahr 2013: Der Texaner kämpft seit Jahren dafür, seine Waffenpläne veröffentlichen zu können.
Cody Wilson mit einer Kunststoff-Pistole aus einem 3D-Drucker im Jahr 2013: Der Texaner kämpft seit Jahren dafür, seine Waffenpläne veröffentlichen zu können. © dpa | Jay Janner

Hinter allem steckt ein junger Texaner, der in radikal-libertärer Tradition seit Jahren mit dem Staat im Clinch liegt und sich auf zwei Eckpfeiler der amerikanischen Verfassung beruft – das Recht auf Waffenbesitz und die (fast noch höher angesiedelte) Meinungsfreiheit. Cody Wilson aus Austin hatte 2013 zum ersten Mal den Bausatz für eine 3D-Drucker fähige Waffe, den „Liberator“, ins Netz gestellt. Binnen Tagen wurde die digitale Blaupause über 100.000 Mal heruntergeladen.

Waffen-Pläne binnen Tagen 100.000-mal heruntergeladen

Die Waffen-Lobby der „National Rifle Association“ (NRA), die sich herkömmlichen Waffenschmieden verpflichtet fühlt, tat das Spektakel als Kinderei ab. Die Demokraten im Kongress dagegen witterten Gefahr. Schließlich schob die Obama-Regierung dem Unterfangen einen Riegel vor. Begründung: Verstoß gegen die Waffengesetz-Richtlinie Itar (International Traffic in Arms Regulations).

Der frühere Jura-Student beugte sich murrend, startete aber sofort die Gegenattacke. Mit Hilfe der Organisation „Defense Distributed“ sammelte er Spenden ein und überzog die Regierung mit einem Rechtsstreit. Überraschendes Resultat: Washington, seit 2017 von Donald Trump dirigiert, knickte ein, gab Wilson grünes Licht für die Fortsetzung seines Treibens und beglich sogar dessen Auslagen für die Rechtsanwälte: 40.000 Dollar. Der Sieger erging sich in Jubel-Arien. „Jetzt beginnt das Zeitalter von Waffen zum Herunterladen“, sagte Wilson und versprach neben herkömmlichen Klein-Pistolen vom Typ Beretta auch die Bau-Skizze für das bei Amokläufen beliebte Schnellfeuergewehr AR-15 zur Verfügung zu stellen – ab 1. August.

Letztlich stellte die Organisation dann schon am Dienstag Pläne für die weitgehend aus Plastik bestehende Pistole vom Typ „Liberator“ („Befreier“) ins Netz. Mehr als 5000 Nutzer luden die Daten für den 3D-Druck der einzelnen Teile und die Anleitung für den Zusammenbau der Waffe herunter. Nach der Verfügung zeigte die Download-Seite eine Fehlermeldung an.

Mühelos am Metall-Detektor am Flughafen vorbei

Das Konzept ist für Bob Ferguson ein Unding. Der Justizminister des Westküsten-Bundesstaates Washington hatte am Montag Klage eingereicht. Unterstützt von Massachusetts, Connecticut, New Jersey, Pennsylvania, Oregon, Maryland, New York und dem Hauptstadtbezirk DC will Ferguson verhindern, dass „gefährlichen Mensche der Zugang zu Waffen noch leichter gemacht wird“. Auch republikanisch regierte Bundesstaaten wie Iowa, Maine, New Mexico und Vermont schlossen sich an. Ihr Standard-Argument:

Schon heute habe die Polizei Probleme beim Zurückverfolgen von Pistolen und Gewehren. Plastik-Waffen aus der 3D-Schmiede, die mühelos jeden Metall-Detektor an Flughäfen und anderen sicherheitssensiblen Orten unerkannt passieren können, „haben keine Serien-Nummern und keine zertifizierten Werkstätten“. Jeder, auch Drogen-Kartelle, Straßengangs, Vorbestrafte, Wiederholungstäter, psychisch Kranke und andere, denen der legale Zugang zu Schusswaffen versperrt ist, könne sich mit Hilfe der technisch immer besser und erschwinglicher gewordenen 3D-Drucker seine tödliche Waffe maßgeschneidert bauen lassen.

Vorwürfe gegen US-Außenminister Mike Pompeo

Dass ausgerechnet das Außenministerium dafür den Weg frei gemacht und das Justizministerium beharrlich schweigt, halten Praktiker für fatal. „Das ist eine rücksichtlose und gefährliche Entscheidung, die der unkontrollierten Verbreitung von selbst gebastelten Waffen Vorschub leistet“, sagt Paul Penzone. Der Sheriff von Maricopa County im Bundesstaat Arizona wirft Minister Mike Pompeo vor, alle Anstrengungen der Strafverfolger zu „unterlaufen“, um Waffen und damit Täter zu identifizieren. Dadurch würden Ermittlungen „zerstört“ und zusätzliche Waffengewalt provoziert.

Organisation, die aus Amokläufen und Massenmorden hervorgegangen sind wie das „Gifford Law Center to Prevent Gun Violence“, „Everytown for Gun Safety“ oder das bekannte „Brady-Zentrum“, empfinden die Zugeständnisse der Regierung an Waffen-Fetischisten als Schlag ins Gesicht. Befürworter halten die Kritik für übertrieben. Im 3D-Drucker gefräste Plastikwaffen seien nicht lange haltbar und letztlich wenig treffsicher. Darum müsse niemand eine massenhafte Verbreitung befürchten. „Weder Terroristen noch Straßengangs werden sich damit abgeben“, sagte ein Waffen-Experte im TV-Sender MSNBC, „sondern im Zweifelsfall auf dem Schwarzmarkt kaufen.“

Was aber, wenn sich Technik wie in fast allen Bereichen rasant weiterentwickelt und die perfekte Waffe zum Selberbauen nur noch eine Frage der Zeit ist? Als Minister Mike Pompeo bei einer Anhörung im Senat kürzlich damit konfrontiert wurde, gab sich der sonst für forsche Konter bekannte Chef-Diplomat kleinlaut. „Ich werde mir die Sache noch einmal anschauen.“ (mit dpa)