Brüssel. Jean-Claude Juncker ist mit dem Vorhaben nach Washington gereist, US-Präsident Trump Zugeständnisse abzuringen. Es ist ihm gelungen.

Es hat seinen guten Grund, dass die Bundesregierung die Abrüstung im Handelskrieg zwischen Amerika und der EU jetzt besonders lautstark lobt. Noch vor wenigen Tagen sah es so aus, als würde US-Präsident Donald Trump in vier oder sechs Wochen Autoimporte aus Europa mit horrenden Strafzöllen belegen – das hätte Deutschland mit seiner starken Autoindustrie besonders hart getroffen.

Dass diese Autozölle nun erst mal vom Tisch sind, eine weitere Eskalation zunächst vermieden wird, ist der größte greifbare Erfolg des Treffens zwischen Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Was immer man an den Absprachen aussetzen kann: Es ist gut, dass im Handelskrieg nun eine Atempause eingelegt wird. Man redet endlich wieder miteinander – und teilt sogar wieder große Ziele zum Abbau von Handelshemmnissen und einer Reform des globalen Handelssystems.

Das ist mehr, als man von dem Treffen im Weißen Haus erwarten konnte. Es ist ein glücklicher Zufall, dass ausgerechnet der fintenreiche wie charmante Kommissionspräsident nach Washington gereist ist – und den richtigen Augenblick erwischte: Trump steht in den USA wegen des von ihm provozierten Zollkonflikts zunehmend auch bei seinen Republikanern in der Kritik.

Jean-Claude Juncker hat seine Chance ergriffen

Die Verlierer eines Handelskrieges, von den Bauern bis zu großen Autoherstellern, melden sich immer lauter zu Wort. Zugleich verfolgen die Amerikaner verblüfft, wie Europa rund um den Globus mit anderen Ländern im Eiltempo neue Handelsabkommen schließt und die USA zum Außenseiter zu werden drohen. Trumps Gesprächspartner erlebten einen ungewohnt freundlichen, nachdenklichen Präsidenten, der vitales Interesse an einer Frontbegradigung hat – und deshalb bereit war, seinen schroffen Konfrontationskurs gegenüber den Europäern aufzugeben.

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    Juncker hat die Chance geschickt ergriffen und den Handelskrieger gezähmt, indem er ihm mit vagen Zusagen zum Import von amerikanischen Sojabohnen und Flüssiggas einen Triumph bei seinen Anhängern gönnte. Doch hat die EU, nicht zuletzt auf deutsches Drängen hin, auch ein großes Zugeständnis gemacht: Juncker gab die Forderung auf, dass erst die Strafzölle auf europäischen Stahl zurückgenommen werden müssten, bevor über neue Handelsabkommen verhandelt werden könnte. Bislang hieß es, man rede nicht mit der Pistole am Kopf – jetzt plötzlich stört sie nicht mehr. Jean-Claude Juncker wird sich da noch auf einigen Protest etwa aus Frankreich oder dem EU-Parlament einstellen müssen.

    Der Preis ist nicht gering: Donald Trump behält die schon verhängten und die angedrohten Strafzölle als Druckmittel. Doch ohne den Verzicht hätte es keine Bewegung gegeben. Von einem Durchbruch im Handelskonflikt kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein, genau betrachtet nicht einmal von Waffenstillstand. Nur die Eskalation ist abgewendet. Ob die Atempause lang genug währt, um einem dauerhaften Handelsfrieden näherzukommen, ist ungewiss: Zölle und andere Handelshemmnisse im verabredeten Umfang zu senken, ist kein Spaziergang. Im Grunde geht es um die abgespeckte Version jenes umstrittenen TTIP-Freihandelsabkommens, dessen Verhandlungen sich über Jahre hinzogen – und dann doch scheiterten.

    Es ist also mit zähen Gesprächen zu rechnen. Wenn es überhaupt so weit kommt und Trump nicht mit dem übernächsten Tweet alles über den Haufen wirft. Europa muss also auf der Hut sein. Die USA bleiben mit diesem Präsidenten ein unsicherer Partner – für die Verteidigung eines fairen, globalen Handelssystems braucht die EU andere Verbündete als Trump.