London. Donald Trump war beim Besuch der Queen um positive Bilder bemüht. Doch der US-Präsident hat in England auch eine andere Seite gezeigt.
Queen Elizabeth II. hat US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania auf Schloss Windsor empfangen. Die 92 Jahre alte Monarchin begrüßte die beiden am späten Freitagnachmittag mit militärischen Ehren im Innenhof des Palasts. Die Queen lächelte, als sie dem US-Präsidenten und der First Lady die Hände schüttelte. Rotuniformierte Gardisten spielten die amerikanische Nationalhymne.
Trump hält sich derzeit für mehrere Tage in Großbritannien auf. Ursprünglich hatte Premierministerin Theresa May ihn zu einem Staatsbesuch im Namen der Queen eingeladen. Das stieß aber auf heftigen Widerstand in Großbritannien. Knapp 1,9 Millionen Menschen unterzeichneten eine Petition, um den Besuch herabzustufen, weil er „die Queen in Verlegenheit bringen würde“, wie es hieß.
„Die Briten können mich mächtig gern leiden“, verkündet der Präsident der Vereinigten Staaten noch vor der Landung im Vereinigten Königreich. Doch Hunderttausende von Demonstranten auf den Straßen Londons und anderer britischer Städte protestieren gegen den umstrittenen Besuch Donald Trumps. Und mehr als 70 Prozent bekunden in einer Meinungsumfrage, dass sie mit dem Herrn des Weißen Hauses nichts am Hut haben.
Queen empfängt US-Präsident Donald Trump
Trump bezeichnet eigene Aussagen über May als „Fake News“
In einem Interview, das er noch vor seiner Ankunft dem britischen Massenblatt „Sun“ gibt, lässt Trump eine Bombe nach der anderen hochgehen. Er erzählt, dass er Premierministerin Theresa May vergeblich vor der Aufweichung des Brexit gewarnt hätte, aber sie nicht auf ihn hören wollte. Es grenzt schon an eine Aufforderung zum „Regimewechsel“, als er Mays Widersacher, den zurückgetretenen Außenminister Boris Johnson, in den höchsten Tönen lobt und ihn als „ausgezeichneten Premierminister“ empfiehlt.
Bei der Pressekonferenz mit May gleicht der breit lachende Präsident aber nicht mehr dem nörgelnden Riesenbaby, das als Ballon in London zu seiner Begrüßung aufgelassen wird. Wohl beeindruckt von dem Pomp und Bombast, den die britische Regierungschefin als Ersatz für den immer wieder aufgeschobenen offiziellen Staatsbesuch beim Festmahl in Schloss Blenheim entfaltet, macht Trump nun eine drastische Kehrtwendung.
Er spielt die Dramatik seiner Worte herunter, nennt sein eigenes Interview „Fake News“ und behauptet, seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er versichert, die USA wollten Handel treiben mit Großbritannien, egal, wie die Brexit-Verhandlungen mit Brüssel ausgingen. „Was auch immer Sie tun werden, ist für uns in Ordnung, stellen Sie nur sicher, dass wir zusammen Handel treiben können, das ist das Einzige, was zählt“, sagt der Präsident.
Beide kritisieren Merkels Russland-Politik
May kämpft mit den Tränen. So richtig zu sich findet sie erst, als die beiden Deutschlands Gasgeschäfte mit Russland kritisieren. Eine „furchtbare, furchtbare Sache“ sei das, schimpft Trump, eine „Tragödie“. May verspricht, das Thema in der EU anzusprechen – solange man noch dazugehöre.
Auch die Einwanderungspolitik in Europa und insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert Trump erneut scharf. „Ich denke, es ist eine sehr negative Sache für Europa“, sagt er. Die Migration verändere die Kultur in Europa. „Ich habe eine großartige Beziehung zu Angela Merkel“, meint Trump weiter. „Aber ich denke, es ist sehr stark ihr Deutschland, es ist sehr ihr ...“ Er lässt den Satz unvollendet und fährt fort, dass die Aussage politisch vielleicht nicht korrekt sei. Er sage es aber und er sage es laut. Er rate den Europäern, auf sich aufzupassen. Viele Länder hätten nun durch Einwanderung Probleme, die sie zuvor nicht gehabt hätten.
Die viel beschworene „besondere Beziehung“ zwischen London und Washington hat einen historischen Tiefpunkt erreicht. May steckt mitten in einer Regierungskrise und steht am Rande des Abgrunds. War Trump bei seinem „Sun“-Interview wirklich nur gedankenlos? Spekuliert wird in britischen Medien auch, er habe sich vor den Karren der Brexit-Hardliner spannen lassen, die May dazu zwingen wollen, ihren Kurs auf einen „weicheren“ EU-Austritt aufzugeben. Trump sät Zwietracht. Um die Konsequenzen, die seine Worte für May haben, schert er sich augenscheinlich nicht.
Trump zieht mit der Abrissbirne durch Europa
Dabei hat Trump mit seiner Intervention nicht einmal Unrecht. Eines der wichtigsten Argumente der Brexit-Befürworter ist, dass Großbritannien als Mitglied der EU auf eigene Faust keine Abkommen mit Drittstaaten wie den USA, China oder Indien schließen kann. Die Gegner des EU-Austritts halten dagegen, dass London außerhalb der EU mehr zu verlieren als zu gewinnen hat. Die EU steht für mehr als 50 Prozent der britischen Importe und für knapp 50 Prozent der Exporte. Die USA machen im Vergleich rund zehn Prozent der Importe aus. Bei den Exporten ist der Anteil etwas höher.
Trump zieht derzeit aber mit der Abrissbirne durch Europa. Erst trieb er die Nato bei ihrem Gipfel an den Rand des Abgrunds, nun befeuert er die Regierungskrise in London. Erst war es Bundeskanzlerin Angela Merkel, die er ins Visier nahm, dann May, nun wieder Merkel. Beides geht letztendlich gegen die EU, an deren Schwächung Trump bei seiner „America First“-Politik ein Interesse hat. Er begreift sie nicht als Verbündeten, sondern als Konkurrenten.
Von den Demonstrationen gegen ihn sieht Trump praktisch nichts, weil er einen weiten Bogen um London macht. Er liebe zwar London, sagt der Präsident „aber ich komme nicht in eine Stadt, in der ich nicht willkommen bin“. 10.000 Polizisten und britische und amerikanische Spezialeinheiten sorgen außerdem dafür, dass das Volk ihm nicht zu nahe kommt. Selbst sein Hubschrauber macht weite Umwege, damit der Präsident nicht die Protestmärsche auf britischem Boden sehen muss.