Ankara. Der türkische Präsident Erdogan könnte theoretisch bis 2033 regieren. Dabei hat er seine Befugnisse nun noch einmal deutlich ausgebaut.

Recep Tayyip Erdogan steht im Zenit seiner Macht: Zwei Wochen nach der gewonnenen Wahl legte der 64-Jährige am Montagnachmittag vor dem Parlament in Ankara seinen Amtseid als Staatsoberhaupt ab. Erdogan steht zwar schon seit 2014 an der Staatsspitze, künftig aber mit erheblich erweiterten Befugnissen. Bei der Wahl am 24. Juni hatte sich Erdogan mit 52,5 Prozent durchgesetzt.

Während der kurzen Zeremonie sagte Erdogan, er schwöre, dem Rechtsstaat gegenüber loyal zu bleiben, die demokratische und säkulare Republik zu schützen und sein Amt unparteiisch auszuüben. Er werde nicht abweichen von dem „Ideal, wonach jedermann im Land grundlegende Freiheiten und Menschenrechte“ genieße.

Seit dem Putschversuch 2016 wurden in der Türkei allerdings mehr als 150.000 Mitarbeiter aus dem Staatsdienst entlassen, 77.000 davon wurden zeitweise eingesperrt oder sitzen noch in Haft, kritische Medien wurden geschlossen und Oppositionelle behindert.

Erdogan ist Präsident, Regierungschef und Parteivorsitzender

Nach der Vereidigung im Parlament begab sich Erdogan zum Anitkabir, dem Mausoleum des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk. Es hat Tradition, dass neu gewählte Präsidenten zu ihrer Amtseinführung dem Staatsgründer mit einer Kranzniederlegung Referenz erweisen.

Diesmal bekam der Besuch am Grabmal Atatürks eine ganz besondere Bedeutung, denn Erdogans Wahl besiegelte den tiefsten Einschnitt in der Verfassungsordnung der Türkei seit Einführung des Mehrparteiensystems 1946: den Übergang von der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialsystem. Unter der neuen Verfassung bekommt Erdogan als Staatschef eine Machtfülle, wie sie vor ihm nur Atatürk hatte.

Erdogan baut seine Macht aus

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    Der Präsident ist künftig Staatsoberhaupt, Regierungschef und Parteivorsitzender in einer Person. Er beruft ohne Mitwirkung des Parlaments seine Vizepräsidenten und Minister, stellt den Haushalt auf und kann ohne Zustimmung des Parlaments Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen.

    Der türkische Präsident hat seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum neuen Finanzminister ernannt. Nur wenige Stunden nach seiner eigenen Vereidigung gab Erdogan am Montagabend sein Kabinett bekannt. Als Reaktion auf die Personalentscheidung verlor die türkische Lira an den Finanzmärkten an Wert. Im Wahlkampf hatte Erdogan angekündigt, dass er als Präsident eine stärkere Kontrolle über die Zentralbank ausüben wolle. Außenminister bleibt Mevlüt Cavusoglu.

    Erdogan könnte theoretisch 2033 regieren

    Der Staatschef bekommt mehr Einfluss auf die Berufung von Richtern und Staatsanwälten, ernennt die Universitätsrektoren und alle hohen Beamten des Landes. Er kann den Notstand ausrufen, das Parlament nach Gutdünken auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Erdogan erwartet sich von dem neuen System mehr „Effizienz“ und spricht vom Beginn einer „neuen Ära“, Kritiker fürchten eine „Diktatur“. Erdogan tritt nun die erste von zwei möglichen fünfjährigen Amtsperioden an. Er könnte aber bei vorzeitigen Wahlen in seiner zweiten Amtszeit noch einmal kandidieren und so theoretisch bis 2033 an der Macht bleiben.

    Nach der Zeremonie am Atatürk-Mausoleum war für den Abend eine festliche Amtseinführung im prunkvollen Präsidentenpalast in Ankara geplant. Zu den rund 10.000 geladenen Gästen gehörten etwa 50 Staats- und Regierungschefs.

    Gerhard Schröder nahm an Zeremonie teil

    Altkanzler Gerhard Schröder war zu Erdogans Amtseinführung gekommen.
    Altkanzler Gerhard Schröder war zu Erdogans Amtseinführung gekommen. © dpa | Burhan Ozbilici

    Als „besonderer Freund“ Erdogans nehme an der pompösen Party auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder teil, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Schröder sei als „besonderer Freund“ des Präsidenten eingeladen worden. Erdogan und er kennen sich seit Langem. Einmal reiste Erdogan Medienberichten zufolge sogar zu einer Geburtstagparty von Schröder an.

    Der Altkanzler wiederum hat nach Angaben von Diplomaten bei Türkei-Besuchen im vergangenen Jahr bei der Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel und des Menschenrechtlers Peter Steudtner geholfen. Die Affäre hatte die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei schwer belastet.

    Am späten Abend wollte Erdogan die Zusammensetzung seiner neuen Regierungsmannschaft bekannt geben. Um die Regierungsarbeit zu straffen, werde die Zahl der Ministerien von bisher 27 auf 16 reduziert.