Berlin. Merkel und Seehofer können bei ihrem Streit von Kohl und Strauß lernen. Denn sie spürten die Verantwortung für das große Ganze.

Jetzt ist er also da, der Showdown zwischen der Kanzlerin und dem CSU-Chef. Gut so, möchte man sagen. Denn das Schauspiel, das CDU und CSU in den vergangenen vierzehn Tagen abgeliefert haben, ist keinen Tag länger zu ertragen. Eine Entscheidung muss jetzt her und es geht um viel mehr als nur um Rechthaberei zwischen CDU-Chefin und CSU-Chef.

Es geht um die Fragen, die unsere Zukunft betreffen: Behält Europas wichtigste Industrienation einen handlungsfähige Regierung? Hält Europa trotz aller Schwierigkeiten zusammen? Und bleibt die Union eine starke politische Kraft – oder marschiert sie Richtung Untergang? Das wäre keine Schwarzmalerei.

Die Konservativen in Italien und Frankreich haben es schon hinter sich – mit dramatischen Folgen. In Frankreich hängt das Schicksal einer bürgerlichen Regierung ausschließlich an der Person Emanuelle Macrons. Und in Italien hat das Verschwinden der Democrazia Cristiana eine historische Lücke gerissen.

Strauß dachte nicht nur an Bayern

Es war bislang eine große Stärke der deutschen Nachkriegspolitik, dass bei den Schicksalsfragen der Nation in den Parteien das Verantwortungsbewusstsein über egoistische Einzelinteressen gesiegt hat. Sogar historische Dickschädel wie Franz Josef Strauß und Helmut Kohl spürten im entscheidenden Moment die Verantwortung für das große Ganze. Auch sie hatten die Macht das Gemeinsame zu zerstören – aber entschieden sich anders. Angela Merkel und Horst Seehofer sollten sie sich die beiden als Vorbild nehmen.

Besonders die erste Reihe der CSU kann vom legendären Strauß in diesen Tagen viel lernen. Der kraftvollste CSU-Politiker aller Zeiten hatte nie „nur Bayern“ im Blick. Strauß dachte größer. Realpolitik mit der DDR, europäische Industriepolitik und immer auf Augenhöhe mit den mächtigsten Führern der Welt. Genau aus diesem Anspruch hat Bayern viel Kraft und Selbstbewusstsein geschöpft. „FJS“ würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das Kleinklein seiner Nachfolger noch erleben müsste.

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    Jeder muss einen Schritt tun

    Und die Kanzlerin kann von Helmut Kohl lernen, dass man seine Partner weder in Deutschland noch in Europa mit einsamen Entscheidungen überfordern darf. Angela Merkels Sonderweg in der Flüchtlingspolitik war großherzig. Aber er hat sie von der Schwesterpartei CSU und den europäischen Nachbarn entfernt. Das war ein hoher Preis und macht die Suche nach der großen, gemeinsamen Lösung jetzt so schwer.

    Trotz der absurden Hürden, die beide Seiten jetzt aufgebaut haben, müssen sich Angela Merkel und Horst Seehofer einigen. Jeder muss einen Schritt tun – egal wie schwer er fällt und wie zerrüttet ihr persönliches Verhältnis auch sein mag. Die Kanzlerin muss den Wunsch nach mehr Grenzschutz ernster nehmen.

    Das erwarten auch die vielen Unzufriedenen in ihrer Partei, die sich nur aus Loyalität aber gegen die eigene Überzeugung hinter Angela Merkel gestellt haben. Horst Seehofer muss im Gegenzug die Ultimaten einsammeln und wahre Führungsstärke zeigen. Der CSU-Chef darf nicht länger der Getriebene von Männern sein, die alles sind – nur nicht seine „Parteifreunde“. Diejenigen, die ihn rückhaltlos im Kurs gegen die Kanzlerin unterstützen, wollten ihn noch vor kurzem eiskalt los sein.

    Mit seinem Gang nach Berlin hat sich Horst Seehofer vor wenigen Monaten entschieden. Er schwor - wie die Kanzlerin - mit Hand auf der Bibel und bei Gott den Eid, seine „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes“ zu widmen. Vom „bayerischen Volke“ allein war dabei nicht die Rede.