Washington. US-Präsident Trump lehnt die juristische Prüfung von Asylanträgen illegaler Eingewanderter ab. Die Verfassung sieht sie aber vor.

Während First Lady Melania Trump am Sonntag vor Schülern in einem Vorort von Washington für „Güte, Barmherzigkeit und eine positive Einstellung“ warb, hatte Ehemann Donald auf dem Weg zum 119. Golf-Ausflug seit Amtsantritt anderes im Sinn.

Zornig über seine nach hinten losgegangene Abschreckungsstrategie an der Grenze zu Mexiko, bei der bislang über 2400 lateinamerikanische Flüchtlingskinder von ihren Eltern getrennt worden waren, verstieg sich der amerikanische Präsident in der Einwanderungspolitik zu seiner bisher extremsten Forderung: „Wir können nicht zulassen, dass all diese Leute in unser Land einfallen. Wenn jemand reinkommt, müssen wir sie sofort, ohne Richter oder Gerichtsverfahren, dahin bringen, wo sie hergekommen sind“, erklärte Trump.

Rechtsstaatliches Verfahren in der Verfassung festgeschrieben

Die amerikanische Verfassung und höchstrichterliche Urteile verbieten diese Praxis, die auf eine Aushöhlung des „due process“-Prinzips hinausliefe. Danach haben alle Menschen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren. In diesem Fall auf die Anhörung ihres Asylgesuchs. Und zwar unabhängig davon, ob ihre „Anwesenheit rechtsmäßig oder unrechtmäßig“ ist.

Demokratische Kongress-Abgeordnete sehen in dem Vorstoß Trumps, der von „Eindringlingen“ sprach, einen erneuten Beleg für die „Alleinherrscher-Allüren“. Zuvor hatte Trump die Medien zu „Feinden des Volkes“ gestempelt, den US-Geheimdiensten „Nazi-Methoden“ vorgeworfen, kritische Richter als „befangen“ abgekanzelt und den eigenen Justizminister zu (für Trump) entlastenden Ermittlungen in der Russland-Affäre gedrängt.

Bürgerrechtler rufen zum Widerstand auf

Die Bürgerrechts-Organisation ACLU rief vor diesem Hintergrund auch die republikanischen Abgeordneten zum Widerstand gegen Trumps Vorschläge im Einwanderungsstreit auf. „Jeder Funktionär, der einen Eid geschworen hat, die Verfassung und Gesetze zu achten, sollte das unmissverständlich zurückweisen.“

Viele Konservative sind insgeheim „entrüstet“ über den Zickzackkurs Trumps. Die Republikaner wollten in dieser Woche ein zunächst von Trump unterstütztes Gesetz verabschieden, das viele „Baustellen“ auf einmal regeln würde; unter anderem den Finanzrahmen von 25 Milliarden Dollar für die von Trump seit drei Jahren versprochene Mauer an der Grenze zu Mexiko. Weil im Senat wegen des absehbaren Widerstands der Demokraten keine Mehrheit in Sicht ist, hat Trump seiner Partei überraschend geraten, das Thema bis nach den Kongresswahlen im November zu verschieben.

Rund 1800 Familien auseinander gerissen

Dabei sind die Probleme an der Grenze ungelöst. Rund 1800 Einwanderfamilien sind weiter auseinandergerissen. Die Zusammenführung gestaltet sich nach Angaben von Hilfsorganisationen als „äußerst langwierig“. Unterdessen haben staatliche Behörden nach Berichten der Zeitung „Texas Tribune“ vereinzelt zu Erpresser-Methoden gegriffen. Väter und Mütter, die ihre Kinder wiedersehen wollen, mussten vorher unterschreiben, dass sie einer unverzüglichen gemeinsamen Abschiebung in ihrer Heimatland zustimmen. „Absolut unzulässig“, erklärten Juristen in Washington.

Analysten rechnen damit, dass Trump bis zum Wahltermin am 6. November den Streit weiter eskalieren lassen wird, weil er seine neuerlich besser werdenden Umfragenwerte als Bestätigung nimmt. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup hat für Trump eine neuen Höchstwert ermittelt. Danach sind 45 Prozent aller Wahlberechtigten mit ihm zufrieden. Vorgänger Obama (46 Prozent), Clinton (46 Prozent), Reagan (45 Prozent) und Carter (43 Prozent) hatten nach rund 17 Monaten Amtszeit ähnliche Werte.