Berlin. Der Unions-Konflikt über die Asylpolitik ist vertagt, nicht gelöst. Der Streit zwischen Merkel und Seehofer geht in die Verlängerung.

CDU und CSU werden weiter gemeinsam Verantwortung tragen und die Große Koalition nicht zerbrechen lassen. Das ist die gute Nachricht nach dem Kompromiss in der Flüchtlingsfrage, den die beiden Streithähne jetzt gefunden haben.

Kaum ein Bürger hätte verstanden, dass er nach schwierigsten Koalitionsverhandlungen schon wieder an die Wahlurne muss. Viel mehr Positives bleibt nach dem Streit leider nicht übrig. Der Konflikt ist vertagt – aber nicht gelöst.

Riss zwischen Merkel und Seehofer

Der CSU-Chef und die Kanzlerin haben in den vergangenen Tagen öffentlich dokumentiert, dass ihre politische Beziehung zerrüttet ist. Das kann kein Kompromiss mehr verdecken. Und wie meist in schlimmen Beziehungsdramen tragen beide Schuld daran.

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    Horst Seehofer hat mit seiner CSU drei Jahre lang die Migrationspolitik der Kanzlerin mitgetragen. Dass er jetzt vier Monate vor der Bayernwahl im Oktober die Keule auspackt und den starken Mann gibt, ist politisch durchsichtig und wenig geschickt.

    Merkel hat Problem schleifen lassen

    Die CSU hat Gewicht in der Union und gute Argumente einzubringen. Wenn sie in das Thema Flüchtlingspolitik nur halb so viel Energie gesteckt hätte, wie in die Entwicklung einer überflüssigen Autobahnmaut, wäre man bei diesem schwierigen Thema heute weiter. Man hätte die gemeinsame Regierung nicht an den Abgrund führen müssen.

    Angela Merkel wiederum muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ein Problem hat schleifen lassen, das nicht nur die CSU sondern auch viele ihrer Wähler schon lange empört. Dabei geht es nicht um „Ja“ oder „Nein“ zu Flüchtlingen. So platt darf die Debatte nicht geführt werden.

    Mehr Konsequenz wäre gut gewesen

    Es geht darum, wer eigentlich ein Flüchtling ist. Es geht um den Wert des geltenden Rechts und auch darum, wie ernst Politik das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nehmen muss. Und da hat der Kanzlerin das richtige Gespür gefehlt.

    Die Abweisung bereits abgelehnter Asylbewerber oder Krimineller wäre zum Beispiel kein Angriff auf unser großherziges Grundrecht auf Asyl gewesen. Im Gegenteil – mehr Konsequenz hätte die Akzeptanz der wirklich Verfolgten eher erhöht.

    So steht die Regierung durch die Dickschädeligkeit der Kontrahenten schwer beschädigt da und Deutschlands größte Kritiker in Europa wittern Endzeitstimmung. Das ist weder gut für das Land, noch hilft es jetzt bei der versprochenen europäischen Lösung mit Partnern, die immer schwieriger werden.