Washington. Vor 50 Jahren wurde der US-Senator und frühere Justizminister Robert F. Kennedy ermordet. Bis heute halten sich Verschwörungstheorien.

Die Polizei von Indianapolis weigert sich standhaft, den Konvoi mit Robert Kennedy nach „Broadway“ zu begleiten. Der überwiegend schwarze und sozial extrem schwache Stadtteil „ist jetzt viel zu gefährlich“, sagt der Sheriff. Es ist der Abend des 4. April 1968. In Memphis ist wenige Stunden zuvor der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King erschossen worden. Landesweit wird mit Ausschreitungen gerechnet. Kein guter Zeitpunkt, um für einen weißen Demokraten auf Stimmenfang im Präsidentschaftswahlkampf zu gehen.

Aber ein Kennedy kneift nicht. Sein Tross fährt allein zum vereinbarten Treffpunkt. Der Kandidat steigt mit flauem Magen auf die Ladefläche eines Trucks, greift zum Mikrofon und fängt mit tränenerstickter Stimme an zu reden. „Denen unter euch, die schwarz sind und die versucht sind, sich von Hass und Misstrauen über die Ungerechtigkeit dieser Tat gegen alle Weißen übermächtigen zu lassen, denen kann ich nur sagen, dass ich in meinem eigenen Herzen die gleichen Gefühle spüre. Auch ich habe durch Mord ein Familienmitglied verloren – aber er wurde von einem Weißen getötet.“

Robert Kennedy galt für viele als Hoffnungsträger

Wie Robert Kennedy die Linie zu seinem fünf Jahre zuvor ermordeten Bruder und Präsidenten John F. Kennedy zieht, nötigt den fast durchweg afro-amerikanischen Zuhörern Respekt ab. Es herrscht andächtige Ruhe, als er fortfährt: „Was wir in Amerika brauchen, ist nicht Zwietracht Hass, Gewalt und Gesetzlosigkeit. Was wir brauchen, ist Liebe, Weisheit, Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit denen gegenüber, die in unserem Land immer noch leiden, seien es Schwarze oder Weiße“. An jenem kalten Frühlingsabend kommt es in über 100 Städten Amerikas zu Krawallen. Dutzende Menschen sterben.

Nur in Indianapolis blieb es ruhig.

Es waren Momente wieder dieser, aus denen die Vereinigten Staaten vor 50 Jahren die Hoffnung schöpften, dass es vielleicht dem damals 42-jährigen Senator aus New York gelingen könnte, das aufgewühlte Land zu einen, in dem der Kampf zwischen Arm und Reich, Schwarz und Weiß und das Elend des Vietnamkriegs tiefste Gräben ausgehoben hatte. In den frühen Morgenstunden des 5. Juni 1968 sollten diese Hoffnungen brutal zerstört werden.

Kennedy starb 25 Stunden nach den Schüssen

Der damalige US-amerikanische Senator und Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Robert F. Kennedy, von Schüssen niedergestreckt im Ambassador Hotel.
Der damalige US-amerikanische Senator und Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Robert F. Kennedy, von Schüssen niedergestreckt im Ambassador Hotel. © dpa | Ron_Bennett

Nach dem Sieg über den parteiinternen Kontrahenten Hubert Humphrey bei den Vorwahlen in Kalifornien verlässt Kennedy die Feier im Ambassador Hotel in Los Angeles, um kurz nach Mitternacht noch eine Pressekonferenz zu geben. Um Zeit zu sparen, marschieren Kennedy und seine Entourage durch die Hotelküche. Als plötzlich der aus Jordanien stammende Einwanderer Sirhan Bishara Sirhan (24) mit einem Revolver das Feuer eröffnet. Mindestens drei Schüsse, so steht es später im Polizeibericht, treffen den Senator in Kopf und Nacken. Fünf weitere Personen erleiden teils schwere Verletzungen. Sirhan wird überwältigt. Robert „Bobby“ Kennedy, dessen Frau Ethel gerade mit dem elften Kind schwanger ist, erliegt 25 Stunden später im Central Receiving Hospital seinen schweren Verletzungen.

Die zerrissene, verunsicherte und kriegsmüde Nation ist wie paralysiert. Wieder ein Mitglied des (amerikanischen) Hauses „Camelot“ früh aus dem Leben gerissen. Wieder der Traum von guter Führung jäh beendet. Vor der Beerdigung auf dem Heldenfriedhof von Arlington bei Washington am 8. Juni säumen Hunderttausende Amerikaner in stiller Trauer und Hilflosigkeit den Zug, der den Sarg von New York nach Washington bringt. Der Nominierungsparteitag der Demokraten in Chicago endet wenige Wochen danach im Tränengasnebel der Polizei. Humphrey gewinnt das Ticket. Aber der Republikaner Richard Nixon wird am Ende Präsident. Danach kommt Watergate. Und Ronald Reagan. Statt Liberalismus mit „compassion“, mit Leidenschaft für die Schwachen der Gesellschaft, wie ihn Bobby Kennedy propagierte, setzt der Siegeszug der Konservativen ein.

Kennedy lieferte Lehrbuchmaterial für Staatsanwälte

Was Amerika am 5./6. Juni 1968 genommen wurde, hat der Biograf Ronald Steele so formuliert: „Das Beste an Robert Kennedy, war nicht, was er tat. Sondern was er in anderen inspirierte.“ Kennedy, siebtes von neun Kindern und vom strengen Vater Joseph lange als Versager behandelt, startete nach behütetem Aufwachsen, besten Schulen und Studium an der Elit-Uni Harvard seine politische Menschwerdung im Reich des Reaktionären. Als junger Jurist arbeitete er zu Beginn der 50er Jahre im berüchtigten Komitee des Senators Joseph McCarthy gegen „unamerikanische Umtriebe“.

Schon damals fiel der anders als sein strahlender Bruder John F. klein und schmächtig geratene Kennedy als unerschrocken und rauflustig auf. Nach einem Zerwürfnis mit den Gesinnungsschnüfflern profilierte er sich im Kampf gegen Korruption. Seine unbarmherzigen Verhöre des mächtigen Gewerkschaftsbosses Jimmy Hoffa im Senatsausschuss, die damals vor Millionen im Fernsehen übertragen wurden, wurden Lehrbuchmaterial für Staatsanwälte. Kennedy trat so hart auf, dass er 1960 als Chef-Organisator des Präsidentschaftswahlkampfes seines Bruders selbst unter Demokraten Furcht auslöste: „Little Brother is watching you!“, lautete der interne Warnruf – der kleine Bruder hat euch immer im Blick.

Robert war engster Vertrauter für Präsident John Kennedy

Robert Kennedy bei einer Rede in Berlin im Februar 1964.
Robert Kennedy bei einer Rede in Berlin im Februar 1964. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people

Nach der gewonnenen Wahl setzten die Brüder das Good-Cop-Bad-Cop-Spiel fort. JFK umgarnte das Land mit Charme und Zahnpasta-Lächeln. Bobby managte nicht nur das Justizministerium. Er wurde auch zur einzigen Vertrauensperson, auf die sich der gesundheitlich früh angeschlagene Präsident blind verlassen konnte. In der Kubakrise war es vor allem Robert Kennedy, der sich dem Drängen der Militärs entgegenstemmte. Sie legten JFK einen Angriff auf die Karibik-Insel und die dort installierten sowjetischen Mittelstreckenraketen nahe. Risiko 3. Weltkrieg inklusive.

Nach dem Mord von Dallas macht sich Bobby Kennedy monatelang schwerste Vorwürfe. „Was hätte ich tun können, um Jack zu retten?“, fragte er Freund wie Feind. In seiner Trauer tauchte er in die griechische Philosophie Poesie ein. Hier fand er den moralisch-ethischen Überbau für sein Ideal: Benachteiligten Mitgefühl zeigen. Ein Amerika der Mitmenschlichkeit schaffen.

Robert Kennedy wollte den Vietnam-Krieg beenden

Es dauerte Jahre, bis er (zum Leidwesen des damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson) selbst nach dem höchsten Staatsamt griff; auch um das Werk des Bruders gewissermaßen zu vollenden. Bobby Kennedy wollte, als der Krieg bereits verloren war, Vietnam beenden. „Haben wir das Recht, Zehntausende zu töten und Millionen zu Flüchtlingen zu machen? Ich bezweifle das sehr“, konstatierte er.

Auch die Anliegen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und anderer Minderheiten stellte er in seiner Antrittsrede am 16. März 1968 in Washington heraus: „Ich habe die unglaubliche Erniedrigung gesehen, die Kinder in Mississippi verhungern, schwarze Bürger in Watts randalieren und junge Indianer in den Reservaten Selbstmord begehen lässt. Weil sie alle Hoffnung verloren haben und keine Zukunft fühlen.“

Martin Luther King – Kampf für Rechte

Der Baptistenprediger Martin Luther King gilt als Inbegriff der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Am 4. April 1968 wurde King bei einem Attentat ermordet.
Der Baptistenprediger Martin Luther King gilt als Inbegriff der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA. Am 4. April 1968 wurde King bei einem Attentat ermordet. © dpa | -
Martin Luther King Jr. kam am 15. Januar 1929 in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia zur Welt. Seine Mutter war Lehrerin, der Vater Prediger. Als junger Mann studierte er.
Martin Luther King Jr. kam am 15. Januar 1929 in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia zur Welt. Seine Mutter war Lehrerin, der Vater Prediger. Als junger Mann studierte er. © dpa | UPI
King wurde Pfarrer in Montgomery im US-Bundesstaat Alabama und heiratete seine langjährige Freundin Coretta Scott Williams. Sie bekamen vier Kinder.
King wurde Pfarrer in Montgomery im US-Bundesstaat Alabama und heiratete seine langjährige Freundin Coretta Scott Williams. Sie bekamen vier Kinder. © dpa | Handout
Sein Aufstieg zur Ikone der Bürgerrechtsbewegung begann 1955, als sich die Schwarze Rosa Parks in Montgomery weigerte, ihren Platz im Bus für einen Weißen freizumachen. Sie wurde festgenommen. Es kam zu Protesten, King führte die Aktion an. Sie endete ein Jahr später mit einem Erfolg: Der Oberste Gerichtshof erklärte die Trennung der Sitzzonen im Bus nach Hautfarbe in der Stadt für verfassungswidrig.
Sein Aufstieg zur Ikone der Bürgerrechtsbewegung begann 1955, als sich die Schwarze Rosa Parks in Montgomery weigerte, ihren Platz im Bus für einen Weißen freizumachen. Sie wurde festgenommen. Es kam zu Protesten, King führte die Aktion an. Sie endete ein Jahr später mit einem Erfolg: Der Oberste Gerichtshof erklärte die Trennung der Sitzzonen im Bus nach Hautfarbe in der Stadt für verfassungswidrig. © dpa | -
King wurde zu einem landesweit bekannten Mann. Seine Redekunst half ihm, die Proteste durch die ganzen USA zu tragen. Höhepunkt war im August 1963 der Marsch auf Washington mit rund 250.000 Teilnehmern.
King wurde zu einem landesweit bekannten Mann. Seine Redekunst half ihm, die Proteste durch die ganzen USA zu tragen. Höhepunkt war im August 1963 der Marsch auf Washington mit rund 250.000 Teilnehmern. © dpa | Uncredited
„I Have a Dream“, rief King der Menge in seiner Rede zu, in der er die Vision der Gleichheit von Schwarz und Weiß entwarf.
„I Have a Dream“, rief King der Menge in seiner Rede zu, in der er die Vision der Gleichheit von Schwarz und Weiß entwarf. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Martin Luther King Jr. am 28. August 1963 auf der National Mall in Washington.
Martin Luther King Jr. am 28. August 1963 auf der National Mall in Washington. © imago | imago
Bereits im Juni 1963 hatte Präsident John F. Kennedy einen Gesetzentwurf zur Gleichberechtigung vorgelegt (im Bild: ein Treffen von Justizminister Robert F. Kennedy mit Bürgerrechtlern). Kennedy kam aber nicht voran in seinen Bemühungen. Er wurde im November 1963 ermordet, doch sein Nachfolger Lyndon B. Johnson führte den Plan zu Ende. Am 2. Juli 1964 wurde der Civil Rights Act verabschiedet.
Bereits im Juni 1963 hatte Präsident John F. Kennedy einen Gesetzentwurf zur Gleichberechtigung vorgelegt (im Bild: ein Treffen von Justizminister Robert F. Kennedy mit Bürgerrechtlern). Kennedy kam aber nicht voran in seinen Bemühungen. Er wurde im November 1963 ermordet, doch sein Nachfolger Lyndon B. Johnson führte den Plan zu Ende. Am 2. Juli 1964 wurde der Civil Rights Act verabschiedet. © REUTERS | HANDOUT
Im September 1964 war Martin Luther King in West-Berlin zu Gast und wollte auch in die DDR. Seine Einreise nach Ost-Berlin löste fast eine diplomatische Krise aus. Er war im Westteil (hier mit Bischof Otto Dibelius und dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt, r.)und entschied sich zu einem Besuch auf der anderen Seite der Mauer. Die Vertretung des US-Außenministeriums versuchte noch, dies zu verhindern. Vergeblich. King überbrachte seinen Ost-Berliner Zuhörern Grüße aus West-Berlin und Amerika und prangerte die Mauer als Symbol der Teilung an.
Im September 1964 war Martin Luther King in West-Berlin zu Gast und wollte auch in die DDR. Seine Einreise nach Ost-Berlin löste fast eine diplomatische Krise aus. Er war im Westteil (hier mit Bischof Otto Dibelius und dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt, r.)und entschied sich zu einem Besuch auf der anderen Seite der Mauer. Die Vertretung des US-Außenministeriums versuchte noch, dies zu verhindern. Vergeblich. King überbrachte seinen Ost-Berliner Zuhörern Grüße aus West-Berlin und Amerika und prangerte die Mauer als Symbol der Teilung an. © dpa | dpa
Ende des Jahres nahm King in Oslo den Friedensnobelpreis entgegen.
Ende des Jahres nahm King in Oslo den Friedensnobelpreis entgegen. © imago | imago
Sein Kampf war damit aber längst nicht abgeschlossen. Die Gleichheit der Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben existierte nur auf dem Papier.
Sein Kampf war damit aber längst nicht abgeschlossen. Die Gleichheit der Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben existierte nur auf dem Papier. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Im März 1965 kam es in Selma (US-Bundesstaat Alabama) zu Protestmärschen. King organisierte eine große Demonstration, die bis ins nicht weit entfernte Montgomery führen sollte. Bei den ersten beiden Versuchen hielten Polizisten den Zug auf. Beim dritten Anlauf kamen die Demonstranten ans Ziel.
Im März 1965 kam es in Selma (US-Bundesstaat Alabama) zu Protestmärschen. King organisierte eine große Demonstration, die bis ins nicht weit entfernte Montgomery führen sollte. Bei den ersten beiden Versuchen hielten Polizisten den Zug auf. Beim dritten Anlauf kamen die Demonstranten ans Ziel. © imago/United Archives International | imago stock&people
Im selben Jahr wurde der Voting Rights Act verabschiedet, nach dem Minderheiten bei Wahlen nicht mehr benachteiligt werden dürfen. King erhielt während der Jahre regelmäßig Todesdrohungen.
Im selben Jahr wurde der Voting Rights Act verabschiedet, nach dem Minderheiten bei Wahlen nicht mehr benachteiligt werden dürfen. King erhielt während der Jahre regelmäßig Todesdrohungen. © imago/Cinema Publishers Collection | White House/Yoichi Robert Okamot
Am Abend des 4. April 1968 wurde er auf dem Balkon eines Motels in Memphis erschossen. Das Lorraine, benannt angeblich nach Nat King Coles Liebeslied „Sweet Lorraine“, war eine bekannte Übernachtungsstätte schwarzer Künstler. Der Hergang des Attentats ist oft erzählt: Es war kurz nach 18 Uhr. King stand auf dem Balkon, scherzte mit Freunden und Bekannten. Man wollte zum Abendessen gehen. Die Todeskugel traf ihn an Hals und Kinn.
Am Abend des 4. April 1968 wurde er auf dem Balkon eines Motels in Memphis erschossen. Das Lorraine, benannt angeblich nach Nat King Coles Liebeslied „Sweet Lorraine“, war eine bekannte Übernachtungsstätte schwarzer Künstler. Der Hergang des Attentats ist oft erzählt: Es war kurz nach 18 Uhr. King stand auf dem Balkon, scherzte mit Freunden und Bekannten. Man wollte zum Abendessen gehen. Die Todeskugel traf ihn an Hals und Kinn. © dpa | Michael Donhauser
Nicht einmal 100 Meter entfernt fand die Polizei die mutmaßliche Mordwaffe, ein Remington-Gewehr, mit einem Fingerabdruck, der zum Täter führen sollte. Zwei Monate später wurde James Earl Ray als Tatverdächtiger festgenommen, ein Gewohnheitskrimineller. Er wurde zu 99 Jahren Haft verurteilt. Viele meinen, er habe nicht allein gehandelt. Ein Kongressausschuss kam 1979 zu der Vermutung, Ray habe Helfer gehabt. Wer das gewesen sein könnte, bleibt unbeantwortet.
Nicht einmal 100 Meter entfernt fand die Polizei die mutmaßliche Mordwaffe, ein Remington-Gewehr, mit einem Fingerabdruck, der zum Täter führen sollte. Zwei Monate später wurde James Earl Ray als Tatverdächtiger festgenommen, ein Gewohnheitskrimineller. Er wurde zu 99 Jahren Haft verurteilt. Viele meinen, er habe nicht allein gehandelt. Ein Kongressausschuss kam 1979 zu der Vermutung, Ray habe Helfer gehabt. Wer das gewesen sein könnte, bleibt unbeantwortet. © imago/United Archives International | Personalities
King starb mit nur 39 Jahren.
King starb mit nur 39 Jahren. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Beigesetzt sind Martin Luther King Jr. und seine Frau Coretta Scott King in Atlanta.
Beigesetzt sind Martin Luther King Jr. und seine Frau Coretta Scott King in Atlanta. © dpa | Erik S. Lesser
Touristen am Ort des Attentats, dem „Lorraine Motel“ in Memphis.
Touristen am Ort des Attentats, dem „Lorraine Motel“ in Memphis. © dpa | Christina Horsten
Das Vermächtnis Martin Luther Kings spielt für Afro-Amerikaner weiter eine nicht zu überschätzende Rolle.
Das Vermächtnis Martin Luther Kings spielt für Afro-Amerikaner weiter eine nicht zu überschätzende Rolle. © dpa | Mike Brown
In Memphis wird der Ikone nicht nur bei der jährlichen Parade zum Martin Luther King Day gedacht.
In Memphis wird der Ikone nicht nur bei der jährlichen Parade zum Martin Luther King Day gedacht. © dpa | Mike Brown
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Der reiche Weiße reiste durchs Amerika der armen Schwarzen

Kritiker sahen darin taktische Lippenbekenntnisse. Dabei hatte Kennedy schon als Justizminister die Armee in den von weißen Überlegenheitsgefühlen geprägten Südstaat Mississippi geschickt, um mit James Meredith dem ersten Schwarzen den Zugang zur Universität zu ermöglichen.

Vor der Kandidatur 1968 reiste er durch ein Amerika, das reiche Neuengland-Söhne nie sehen. „Er ging in das dreckigste, verkommenste, ärmste Haus, und er nahm diese Babys auf den Arm, mit ihren offenen Geschwüren und ihren von Unterernährung aufgedunsenen Bäuchen“, dokumentierte eine Reporterin Kennedys Bildungsreisen durch die Südstaaten.

Verschwörungstheorien zum Attentat halten sich hartnäckig

Der Attentäter Sirhan Bishara Sirhan sitzt weiter in Haft.
Der Attentäter Sirhan Bishara Sirhan sitzt weiter in Haft. © dpa | dpa

Kennedys Mörder Sirhan Sirhan sitzt, nachdem die gegen ihn verhängte Todesstrafe 1972 in lebenslänglich umgewandelt wurde, im Richard J. Donovan Correctional Center bei San Diego. Und schreibt auch ein halbes Jahrhundert nach der Tat weiter Schlagzeilen. Trotz der gerichtsfest festgehaltenen Motive - Sirhan war fanatischer Antizionist, der sich zur Tat entschlossen haben soll, nachdem Kennedy Israel Kampfjets versprochen hatten - halten sich hartnäckig Verschwörungstheorien. Danach soll mindestens ein zweiter Schütze beteiligt gewesen sein.

Robert F. Kennedy (64), drittältestes Kind des Ermordeten, sprach sich erst gerade nach einem dreistündigen Gefängnis-Besuch bei Sirhan gegenüber der „Washington Post“ für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen aus. Seine Indizien sind bekannt: Bobby Kennedy wurde laut Autopsiebericht aus nächster Nähe von hinten erschossen - aber Sirhan stand nachweisbar direkt vor ihm. In der Munitionskammer seiner Waffe war Platz für acht Kugeln - aber Tonaufnahmen legen 13 Schüsse nahe.

Vertuschungsvorwürfe gegenüber Behörden

Paul Schrade, damals Chef der örtlichen Automobilarbeitergewerkschaft, erlitt bei dem Attentat einen Kopfschuss, überlebte mit viel Glück. Der heute 93-Jährige setzt sich seit langem für die Rehabilitation Sirhans ein. Er ist überzeugt, dass ein anderer Täter den tödlichen Schuss auf Kennedy abgegeben hat und macht den Behörden Vertuschungsvorwürfe: „Sie wussten sofort, wer es wahr.“ Schrade erinnert daran, dass Kennedy auf der politischen Rechten als Sozialreformer und Kriegsgegner Feinde bis hoch in den Sicherheitsapparat hatte. „Ich hoffe, jemand erschießt und tötet diesen Hurensohn“, soll der damalige FBI-Vizedirektor Clyde Tolson gesagt haben.

Robert Kennedys letzte Worte an seine Anhänger kurz vor den tödlichen Schüssen in Los Angeles klingen gerade heute in den giftigen Zeiten Donald Trumps wie nicht eingelöstes Vermächtnis: „Ich denke, wir können die Spaltung der Vereinigten Staaten überwinden.“ Politikwissenschaftler glauben, dass die demokratische Partei aus der nur 80 Tage währenden Kandidatur Bobby Kennedys 1968 lernen kann. Dessen Botschaft habe eine verbindende Klammer, die bis heute nicht glaubwürdig besetzt worden sei: „Wir müssen Schwarze und arme Weiße davon überzeugen, dass sie die gleichen Interessen haben.“