Berlin. Sorgsam Müll zu trennen reicht bei weitem nicht aus. Denn der Müllberg der Deutschen wächst seit Jahren. Das Problem ist hausgemacht.

Zuerst eine Nachricht fürs gute Gewissen: Die Deutschen sind Europameister im Mülltrennen. Im Durchschnitt gelingt es jedem Bundesbürger, pro Jahr 415 Kilogramm an Wertstoffen der Wiederverwertung zuzuführen. Das schafft keine andere Nation auf diesem Kontinent.

Nun die Nachricht fürs schlechte Gewissen: Der Müllberg der Deutschen wächst trotzdem seit Jahren, während er in anderen EU-Ländern zurückgeht. Deutschland liegt auf Platz vier der größten Müllproduzenten in Europa. Schlagartig verliert die gut gemeinte Sortiererei in gelbe, grüne, blaue Tonnen ihren ethischen Glanz. Die Deutschen produzieren mit ihrem Lebensstil und Konsumverhalten unverantwortlich viel Abfall – vor allem Verpackungsmüll. Es beginnt mit dem Coffee-to-go-Becher mit Plastikdeckel und endet noch lange nicht bei der in Folie eingeschweißten Gurke.

Wenn nun die EU-Kommission dem Plastikmüll den Kampf ansagt und dabei sogar finanziellen Druck auf die Mitliedstaaten ausübt, dürfen sich die Deutschen und ihre Bundesregierung nicht beschweren. Das Müllproblem ist auch hausgemacht. Es findet eben nicht nur irgendwo da draußen auf den Weltmeeren und in asiatischen Flüssen statt.

Weitertransport nach China

Es zeigt sich genauso an unseren Stränden von Nord- und Ostsee, wo täglich Essens- und Trinkverpackungen angespült werden. Es wird sichtbar an den Mengen von Mikroplastik, die unseren Waschmitteln und Kosmetika beigemischt werden. Und es offenbart seine Dramatik in der Entscheidung Chinas, seit Anfang dieses Jahres keinen Müll mehr aus aller Welt zu importieren.

Viele Jahre konnte Deutschland Hunderttausende Tonnen seines Abfalls und Schrotts für wenig Geld nach China zur Weiterverwertung transportieren, bis Peking die Folgen sah. Das Land weiß angesichts verseuchter Böden und verdreckter Flüsse selbst nicht mehr weiter.

„Wir werden im Plastik ersticken, wenn wir nichts tun.“ Das sagen nicht radikale Anti-Plastik-Aktivisten, sondern Brüsseler Bürokraten. Auch die Wirtschaft sollte auf sie hören. Noch argumentieren etliche Unternehmen, die etwa kleine Gummibärchentüten in einer großen Gummibärchentüte verkaufen oder Kaffeekapseln mit doppelter Verpackung aus Plastik und Aluminium „wegen des Aromas“ herstellen, mit dem Kundenwillen.

Verpackungsgesetz ab 2019

Sie machen es sich damit zu leicht. Wenn es allein danach gehen dürfte, was der Kunde angeblich alles so verlangt, würden die Deutschen nach wie vor Bierdosen in Massen kaufen und das geliebte Auto noch selbst am Straßenrand waschen. Dass sie die Einkäufe aus dem Supermarkt auch mit Stoff- und Papiertüten – und ohne Plastikbeutel – nach Hause schleppen können, lernen sie seit einiger Zeit schließlich auch.

Die Deutschen reagieren allergisch, wenn die Politik sie erziehen will. Aber sie lernen freiwillig dazu, wenn sie die Notwendigkeit zu handeln verstehen. Auch beim Plastikmüll, diesem Jahrhundertproblem, wird es so sein. Die Bundesregierung begeht daher einen unnötigen Fehler, wenn sie von vornherein die Debatte über eine Plastiksteuer für Wegwerfprodukte aus Kunststoff im Keim zu ersticken versucht.

Das Umweltministerium glaubt, mit einem eigenen Verpackungsgesetz ab 2019 für mehr Recycling und umweltfreundlichere Verpackungen sorgen zu können. Das Gesetz zielt auf die Hersteller ab, die ökologischere Standards einhalten sollen. Auch auf die Einzelhändler, die Mehrweg- und Einweggetränke deutlicher kennzeichnen sollen. Aber wo erreicht das Gesetz das Gewissen der Bürger? Wo ist die Reform, die den Konsum beeinflusst? Eine Plastiksteuer hätte zumindest einen lenkenden Effekt.