Brüssel. Nach Plänen der Kommission sollen EU-Mitgliedstaaten Wegwerfgeschirr verbieten. Bis zur Umsetzung der Pläne wird es aber noch dauern.

Seit Jahren ist das Pro­blem Plastikmüll in der EU akut. Alle Bemühungen, es zu verringern, waren bisher vergebens. Von 2005 bis 2015 stieg die Menge an Plastikmüll in der Gemeinschaft um zwölf Prozent – in Deutschland liegt der Zuwachs sogar bei 29 Prozent. Die EU-Kommission will nun dem Plastikmüll den Kampf ansagen.

Das soll mit finanziellem Druck, dem Verbot bestimmter Einweg-Plastikprodukte, mehr Recycling und verstärkter Verbraucheraufklärung geschehen. Das sieht nach Informationen dieser Redaktion ein Maßnahmenpaket vor, welches die EU-Kommission am Montag vorlegen will. Plastikgeschirr, -besteck, Strohhalme aus Plastik, Wattestäbchen für den privaten Gebrauch und die Plastikhalterungen von Luftballons sollen von den Mitgliedstaaten verboten werden.

Abgabe für nicht recycelten Plastikmüll

Nach Angaben von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger ist in dem Maßnahmenpaket der Kommission auch eine Plastikmüllabgabe vorgesehen, die aber nicht direkt die Verbraucher belasten würde: „Unser Vorschlag ist, dass jeder Mitgliedstaat pro Kilogramm nicht recyceltem Plastikmüll einen bestimmten Betrag an den EU-Haushalt abführt“, sagte Oettinger dieser Redaktion.

Nach der mehrjährigen Finanzplanung der Kommission wären es 80 Cent pro Kilo, erklärte der Kommissar. „Damit entsteht ein Anreiz für die nationale Politik zu prüfen, wie Plastikmüll reduziert werden kann – über Verbote, Aufklärung, eine nationale Steuer oder eine Gebühr, etwa auf Plastik-Tragetaschen“, fügte Oettinger hinzu. Es gehe also nicht um eine europäische Steuer, sondern darum, dass die Mitgliedstaaten einen Anreiz haben, die Plastikmüll-Mengen zu verringern. Eine Plastiksteuer wird von mehreren Mitgliedstaaten abgelehnt, in Deutschland hat sich Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dagegen ausgesprochen.

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    Oettinger warnte: „Plastikmüll ist das neue Umweltproblem, auf den Weltmeeren ebenso wie in unseren Städten; über die Weltmeere gelangt es in die Nahrungskette, so nehmen wir täglich kleinste Plastikpartikel zu uns.“ Europa und Deutschland produzierten zu viel nicht recycelbare Kunststoffmengen.

    Das Verbot von Einwegprodukten, das die Mitgliedstaaten umsetzen müssten, soll gezielt solche Produkte betreffen, für die bezahlbare Alternativen leicht verfügbar seien, heißt es in dem entsprechenden Richtlinienentwurf. Vorbild ist unter anderem Frankreich, wo ein Verbot von Plastikgeschirr bereits beschlossen ist und 2020 in Kraft tritt.

    Plastikmüll-Strategie vorgelegt

    Für andere Plastikprodukte wie Luftballons sollen auffällige Warnhinweise vorgeschrieben werden, die die Verbraucher über die Umweltrisiken aufklären. Eingeschränkt werden sollen die Plastikverpackungen, wie sie Imbissbuden zum Mitnehmen verwenden. Die Hersteller solcher Fast-Food-Verpackungen sollen die Kosten für die Müllentsorgung – auch auf den Meeren – tragen und Umwelt-Aufklärungskampagnen finanzieren; auch die Hersteller etwa von Zigarettenfiltern, ausgewählten Sanitärartikeln oder Leicht-Plastiktaschen sollen auf diese Weise herangezogen werden.

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      Wie die Kostenübernahme in der Praxis aussehen könnte, ist aber unklar. Plastikflaschen sollen zu 90 Prozent recycelt werden. Die Mitgliedstaaten hätten den Kommissionsplänen zufolge in eigener Regie weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Menge solcher Plastikprodukte zu reduzieren.

      Anfang des Jahres hatte die EU-Kommission bereits eine Plastikmüll-Strategie vorgelegt, nach der ab 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein sollen und der Verbrauch von Einwegkunststoffen reduziert werden soll. Die Kommission verweist darauf, dass 85 Prozent des gesamten Mülls in den Meeren weltweit aus Plastik bestehe; dieser Müll belaste die Ökosysteme und sei kaum biologisch abbaubar.

      Allein im Pazifik nimmt der größte Müllstrudel zwischen Hawaii und Kalifornien eine Fläche von rund 1,6 Millionen Quadratkilometern ein. Das ist mehr als viermal die Fläche Deutschlands. Der Strudel enthält nach den neuen Erkenntnissen mindestens 79.000 Tonnen Plastik. Weltweit wird inzwischen nach Lösungen für das Plastikproblem gesucht. Ziel der EU soll es jetzt sein, dass zehn Millionen Tonnen Plastikabfälle in neuen Produkten wiederverwertet werden. Derzeit sind es nur zwei bis drei Millionen Tonnen jährlich.

      Verbraucherschützer loben die Pläne

      Bis die neuen Vorgaben umgesetzt sind, dürften aber noch Jahre vergehen: Der Vorschlag muss vom EU-Parlament und im Rat von den Mitgliedstaaten angenommen werden; anschließend müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Gesetze entsprechend ändern.

      Verbraucherschützer loben die Brüsseler Pläne. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, fordert die Bundesregierung bereits auf, den Kommissionsvorstoß zu unterstützen: „Statt Müll teuer beseitigen zu müssen, ist es besser, den Müll gar nicht erst zu produzieren“, sagte Müller.

      Die Mehrheit der Verbraucher wünsche sich weniger und umweltfreundlichere Verpackungen. „Deshalb ist es richtig, über Verbote bestimmter Einwegplastikprodukte zu sprechen, wenn es gute und preiswerte Alternativen gibt.“ Dies müsse aber in eine Strategie eingebunden sein, die einen Systemwandel zur Kreislaufwirtschaft ermögliche. Auch auf nationaler Ebene könne die Politik dem Wegwerftrend Grenzen setzen: durch verpflichtende Mehrwegquoten, eine verbraucherfreundliche Ausweitung des Pfandsystems und Mehrwegpflicht bei Großveranstaltungen.