Berlin. Der SPD-Finanzminister lässt zu Beginn der Haushaltswoche die CDU-Verteidigungsministerin auflaufen. Mehr Geld soll es nicht geben.
Horst Seehofer ist als Erster da. Ganz alleine sitzt der Innenminister in seinem blauen Stuhl auf der Regierungsbank. Die Bundestagssitzung beginnt erst in einer halben Stunde. Der Saal unter der mächtigen Glaskuppel ist fast menschenleer.
Der CSU-Chef wirkt tief entspannt. Viele hatten geunkt, der bald 69-Jährige werde sich mit dem neuen Job in Berlin übernehmen. Doch für Seehofer und die CSU läuft es in der GroKo bislang nicht übel. Mit schrillen Tönen dominieren sie die Flüchtlingskrise, ob das der CSU wirklich hilft, wird sich aber erst bei der Landtagswahl im Herbst erweisen.
Dann nähert sich Seehofer von links der Hauptdarsteller, der anders als der Koalitionspartner ein Mann der leisen Töne ist. Olaf Scholz plaudert mit Seehofer, dann schaut der Hanseat aufs Handy. Selbst für einen erfahrenen Politiker wie Scholz ist dieser Tag etwas Besonderes. Zum ersten Mal bringt er als Bundesfinanzminister den Haushalt ein, 341 Milliarden Euro für das laufende Jahr. Was trotz voller Kassen alles andere als ein leichtes politisches Manöver ist.
Merkel stützt von der Leyens Forderung
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will von Scholz mehr Geld für die Bundeswehr. Spätestens seit sich die Kanzlerin nach einem gemeinsamen Auftritt vor Bundeswehrsoldaten hinter ihre Ministerin gestellt hat, hat von der Leyens Forderung mehr Wumms bekommen.
Allerdings schränkte die Ministerin gleich selbst ein, sie wäre schon zufrieden, beim nächsten Nato-Gipfel in Brüssel ankündigen zu können, Deutschland werde seine Verteidigungsausgaben bis 2025 von jetzt 1,3 auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen. US-Präsident Donald Trump verlangt von seinen Nato-Partnern zwei Prozent, was selbst für das boomende Deutschland kaum finanzierbar wäre.
Angela Merkel ist am Dienstag wie Seehofer und Scholz früh dran. In ihrem rosa Blazer stützt sich Merkel fast schon lässig auf der grauen Arbeitsplatte der Regierungsbank ab, mischt sich lächelnd in das Gespräch von Seehofer und Scholz ein.
„Ein Konzept wird nicht dadurch gut, dass es teuer ist“
Wolfgang Schäuble, der acht Jahre lang selbst das Privileg genoss, als „Schatzkanzler“ die Haushaltswoche zu eröffnen, nun aber Bundestagspräsident ist, beendet den schwarz-roten Kaffeeklatsch und eröffnet die Sitzung. Der Badener Schäuble erfüllt seine neue Aufgabe mit preußischem Pflichtbewusstsein.
Als später ein neben ihm sitzender Schriftführer der FDP mit Kreislaufproblemen zusammenbricht, der SPD-Gesundheitspapst und Mediziner Karl Lauterbach zur Soforthilfe herbeieilt und die Debatte für ein paar Minuten unterbrochen werden muss, maßregelt Schäuble die Fotografen, die den Vorfall von der Tribüne aus festhalten.
Aber zurück zum Hauptdarsteller. Bei den Bundeswehr-Milliarden will Scholz sich von der Union nicht treiben lassen. In den nächsten Jahren erhalte die Bundeswehr insgesamt 173 Milliarden Euro. „Ein verteidigungspolitisches Konzept wird nicht schon dadurch gut, dass es teuer ist“, sagt Scholz.
Die FDP kritisiert, Scholz verwalte den Haushalt emotionslos
Schade, dass von der Leyen im Parlament nicht anwesend ist. Ihr Gesicht hätte man bei diesem Satz gerne aus der Nähe studiert. Scholz führt aus, internationale Sicherheitspolitik sei nicht dann erfolgreich, wenn sie ständig mehr koste, sondern wenn sie Sicherheit garantiere.
Die Haushaltsexpertin der Linken, Gesine Lötzsch, kritisiert, Schwarz-Rot liefere aber unverändert Waffen nach Saudi-Arabien und in die Türkei. Das sei schlimmer als das Foto der Fußball-Nationalspieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. „Mehr Fußball und weniger Panzer, das wäre besser für uns alle.“
Sven-Christian Kindler von den Grünen wirft Scholz vor, die Milliarden planlos zu verteilen: „Das ist ein Haushalt ohne Zukunft.“ Der FDP-Chefhaushälter, Otto Fricke, moniert, alles werde mit Geld zugeschüttet, nirgends wolle Scholz unsinnige Subventionen streichen. Er habe selten erlebt, dass ein Finanzminister den Haushalt, der „Schicksalsbuch der Nation“ sei, so emotionslos verwalte.
Das ist das Bundeskabinett
Die drei Schlagworte des Olaf Scholz
Das will der SPD-Experte Johannes Kahrs, der wie Scholz aus Hamburg kommt, nicht stehen lassen. „Die Rede, die Olaf Scholz gehalten hat, war für seine Verhältnisse relativ lebhaft.“ Auch die Union stellt sich vor Scholz. Als der AfD-Mann Peter Boehringer, seit Kurzem Chef des Haushaltsausschusses, versteckte Euro-Milliardenrisiken und fehlende Steuersenkungen anprangert, platzt Eckhardt Rehberg von der CDU der Kragen. Boehringer erzähle hier achtmal die gleiche Soße: „Schaffen Sie sich einen neuen Kopierer an.“
Und Scholz? Würgt er wirklich die Investitionen ab? Ist er wie Schäuble der „schwarzen Null“ verfallen, wie in der SPD stellenweise beklagt wird? „Wir verehren keinen Fetisch“, wehrt sich der Vizekanzler. Die große Koalition werde mehr als 50 Milliarden Euro investieren. Jedes Jahr würden die Investitionen des Bundes steigen, das könne er versprechen. Kleine und mittlere Einkommen würden steuerlich entlastet. Solide, sozial gerecht und zukunftsorientiert sei sein Haushalt.
Gemeinsam mit Frankreich werde Deutschland den Euro und Europas Banken krisenfester machen. Der geplante Europäische Währungsfonds soll auch vom Bundestag kontrolliert werden – damit will Scholz die Skeptiker vor allem in der Union gewinnen. Einer von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger geforderten Ausweitung des EU-Budgets erteilte Scholz aber eine Absage.