Washington. Trump sieht seine Korea-Politik als Erfolg, doch noch ist nichts erreicht. Beim Treffen mit Kim kann sich Ernüchterung breitmachen.
Es ist erst wenige Tage her, da stand Donald Trump – durch das Prisma von US-Leitmedien betrachtet – wieder einmal mit einem Bein am Abgrund. Die Dauerermittlungen in der Russland- und Pornostar-Affäre um Stormy Daniels waren seinem persönlichen Anwalt Michael Cohen gefährlich nahegekommen.
Dazu sorgte die miserable Vorbereitung des Weißen Hauses dafür, dass die von Trump aus der Hüfte geschossene Nominierung seines Leibarztes Ronnie Jackson zum neuen Veteranenminister in einer wüsten Schlammschlacht und mit dem Rückzug des Kandidaten endete.
Merkel verhinderte beim Iran-Atom-Abkommen Schlimmeres
Trump kämpfte, wie so oft, an mehreren Fronten gleichzeitig, um den Kopf über Wasser zu halten, und suchte nach radikalen Themenwechseln. Dabei halfen ihm die optisch unterschiedlich akzentuierten Besuche von Emmanuel Macron und Angela Merkel.
Merkel zu Besuch bei Donald Trump
Sowohl Frankreichs Präsident als auch die Bundeskanzlerin lernten bei ihrem Bemühen, beim Iran-Atom-Abkommen und dem Handelsstreit mit der EU Schlimmeres zu verhüten, den Unterschied kennen zwischen inszenierter Freundlichkeit und unnachgiebiger No-Politik. Ob es dabei bleibt, weiß man bei Trump aber nie.
Demokraten eroberten eine Kammer des Parlaments zurück
Von Siegern und Verlierern zu sprechen, von Merkels tiefem Fall und Macrons strahlendem Aufstieg, ist darum ebenso fragwürdig wie die Annahme, Trump habe an präsidialer Statur gewonnen und reite mit seiner„Amerika zuerst“-Politik auf der Erfolgswelle.
Wäre es so, dann läge der Präsident im Schnitt aller seriösen Umfragen nicht immer noch unter „ferner liefen“. Wäre es so, dann würde Trump auch nicht aus Sorge vor einem republikanischen Debakel bei den Zwischenwahlen im Kongress im November die Angstkarte spielen. Anhängern in Michigan trichterte er am Samstag ein, auf jeden Fall wählen zu gehen. Denn wenn die Demokraten eine Kammer des Parlaments zurückeroberten, sei ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn besiegelt. Wer so früh so radikal mobilisieren muss, regiert nicht aus einer Position anerkannter Souveränität. Erst recht hat er seinesgleichen im Ausland nicht übertrump(f)t.
„Fahrplan“ für Fortbestand des Iran-Abkommens
Die Chef-Kommentatoren der „Washington Post“ attestierten dem deutsch-französischen Vorauskommando Merkel/Macron am Wochenende wohlwollend, Trump für den Handelskonflikt wie für den Fortbestand des Iran-Abkommens einen „Fahrplan“ präsentiert zu haben, um „potenziell verheerende Fehler“ zu vermeiden. „Selbst wenn ihre Diplomatie sich als vergeblich herausstellen sollte, war es ein bewundernswerter Versuch.“
Wie sehr die Maßstäbe bei der Beurteilung der Trump-Performance ins Rutschen gekommen sind, zeigt das Hyperventilieren nach dem Friedensgipfel in Korea. Obwohl noch rein gar nichts erreicht ist, halten Voreilige Trump bereits des Friedensnobelpreises für würdig. Anstatt die Euphorie zu bremsen und seinen Anteil an den neuen Chancen ins rechte Verhältnis zu den anderen Beteiligten in Nord- wie Südkorea zu setzen, fühlt sich der Präsident nur geschmeichelt.
Präzision, Standhaftigkeit und internationale Einbindung
Dabei kann sich schon nach dem Aufeinandertreffen mit Kim Jong-un schnell Ernüchterung breitmachen. Ein Atom-Deal mit Nordkorea erfordert noch mehr Präzision, Standhaftigkeit und internationale Einbindung als das Abkommen mit dem Iran, das Trump gegen den ausdrücklichen Rat von Macron und Merkel sowie seines eigenen Verteidigungsministers James Mattis aufzukündigen bereit ist.
Die Zuversicht, dass der notorisch ungeduldige und für komplexe Zusammenhänge unempfängliche Trump gerade die schwierige Nordkorea-Materie verantwortungsvoll navigieren kann, ist darum nicht nachvollziehbar.