Peking. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un trifft den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in. Es ist eine Begegnung, die Geschichte machen wird.

Es sind Bilder, die Geschichte machen werden: Bei strahlend blauem Himmel stehen sich die Staatschefs beider koreanischer Staaten zwischen den frisch gestrichenen Baracken des Grenzdorfs Panmunjom gegenüber. Sie schütteln sich lachend die Hände, es regnet Komplimente. „Schön, Sie zu sehen“, sagt Südkoreas Präsident Moon Jae-in. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, antwortet der sehr viel jüngere nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un.

Freundliche Worte zu Beginn des Spitzentreffens, die Intonierung ist gesetzt. Überraschende Ergebnisse sollten an diesem Freitag folgen.

Seit 1953 gibt es nur einen Waffenstillstand

Es ist ein Tag, an dem Jahrzehnte lang geltende Tabus geknackt werden. Moon und Kim einigen sich auf dem ersten gesamtkoreanischen Gipfel seit mehr als zehn Jahren darauf, den Kriegszustand zwischen beiden Ländern noch in diesem Jahr offiziell zu beenden.

Sie würden zudem eine „vollständige nukleare Abrüstung“ anstreben, verkünden sie in einer gemeinsamen Erklärung. Bei seiner Zusage, eine Beseitigung seiner Atomwaffen anzustreben, nennt Kim allerdings keine spezifischen Maßnahmen. Auch wird sein Raketenprogramm nicht erwähnt.

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Sehen © REUTERS | HANDOUT

Moon betont jedoch, dass er noch in diesem Herbst in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang reisen werde. Kim habe ihn dazu eingeladen.

Erstmals seit Ende des Koreakriegs 1953 könnte nun für Millionen Menschen in der Region ein Friedenstraum wahr werden. Bislang gibt es lediglich einen Waffenstillstand zwischen Nord- und Südkorea. Ein Friedensvertrag wurde nie geschlossen.

Raketen könnten Hauptstädte binnen Minuten komplett zerstören

Bis heute stehen sich an der demilitarisierten Zone mehr als eine Million Soldaten gegenüber. Die USA haben weitere 30.000 Soldaten in Südkorea stationiert. Beide Seiten haben Zehntausende Raketen aufeinander gerichtet, die die Hauptstädte Seoul und Pjöngjang binnen weniger Minuten in Schutt und Asche legen könnten.

Nur einmal in diesen sechseinhalb Jahrzehnten gab es die Chance auf einen Friedensprozess. Im Zuge der sogenannten „Sonnenscheinpolitik“ unter dem liberalen südkoreanischen Präsidenten Roh Moo-hyun kam es 2007 zum letzten Gipfel der beiden Koreas, damals noch mit Kim Jong-il, dem Vater und Vorgänger des jetzigen nordkoreanischen Machthabers.

Beide Seiten unterzeichneten damals eine Friedenserklärung, in der zu internationalen Verhandlungen aufgerufen wurde. Sie nahmen sich zudem vor, das Waffenstillstandsabkommen durch einen permanenten Friedensvertrag zu ersetzen. Dazu kam es aber nicht. Entgegen seiner Zusagen hat Nordkorea sein Atomprogramm fortgeführt.

Von den historischen Spannungen war an diesem Freitag nichts mehr zu spüren. Die Regie sah Versöhnungsgesten vor. Nach dem ersten Handschlag schlug Kim dem südkoreanischen Präsidenten vor, für einen kurzen Moment auch nordkoreanischen Boden zu betreten.

Moon und Kim laufen Hand in Hand über die Grenze

Lachend folgte Moon dieser Bitte, und beide überschritten sich an den Händen haltend die Grenze zum Norden, um gemeinsam wieder Richtung Süden zu gehen.

Nebeneinander liefen Kim und Moon auf dem roten Teppich die südkoreanische Ehrengarde ab zum sogenannten Friedenshaus, wo die ersten Beratungen stattfanden. Bei der Eintragung in das Gästebuch schrieb Kim: Jetzt beginne eine neue Ära, „ein Zeitalter des Friedens“.

Weitere Gespräche nach dem Mittagessen folgten: In Sichtweite der Fernsehkameras, aber dennoch so weit entfernt, dass die beiden unter sich sind, unterhielten sie sich ohne Unterhändler auf einem knallblau angestrichenen Laufsteg inmitten des entmilitarisierten Grenzstreifens. Die Farbe Blau steht für Wiedervereinigung. Sie soll Vertrauen aufbauen, heißt es von südkoreanischer Seite.

Zusammenführung von Familien geplant

Am späten Nachmittag unterzeichneten Moon und Kim feierlich die gemeinsame Erklärung. „Einen Krieg auf der Halbinsel wird es nicht mehr geben“, heißt es darin. Bis zum Ende des Jahres werde das Waffenstillstandsabkommen von 1953 zu einem Friedensabkommen weiterentwickelt.

In der nordkoreanischen Stadt Kaesong soll ein ständiges Verbindungsbüro eingerichtet werden. Ab dem 1. Mai wollen beide Seiten ihre Lautsprecher-Propaganda entlang der entmilitarisierten Zone beenden. Weitere Maßnahmen sollen die Militärführungen nach der Wiederaufnahme ihrer Gespräche auf ranghoher Ebene im Mai aushandeln.

Am 15. August soll es erstmals seit über drei Jahren wieder eine Zusammenführung von Familien geben, die der Krieg vor 65 Jahren auseinander gerissen hatte. Weitere zivile Kontakte sollen ausgeweitet werden, ebenso gemeinsame Sport- und Kulturveranstaltungen.

Auf der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz erklärte Moon: „Wir erklären hiermit gemeinsam den Anbruch des Friedens.“ Und weiter: „Wir haben den ersten Schritt für eine Wiedervereinigung getan.“

Ein Tag voller Symbolik

Kim ergänzte: „Nord- und Südkorea sind ein Volk, und wir können nicht getrennt leben.“ Die Gespräche und die Ergebnisse seien ein „Wendepunkt in der koreanischen Geschichte.“ Und er verspricht, einen „freien Verkehr“ zwischen Nord- und Südkorea.

Und als hätte es für einen Tag nicht schon genug an Symbolik gegeben, pflanzten Moon und Kim zwischendurch gemeinsam eine Kiefer an der schwer gesicherten Grenze und enthüllen einen Gedenkstein mit der Aufschrift: „Frieden und Wohlstand pflanzen“. Beide Staatschefs reichten sich anschließend die Hände und umarmten sich.

Selbst Trump spricht vom „Ende“ des Korea-Kriegs

Von Peking über Moskau bis nach Berlin gab es positive Reaktionen. „Der Koreakrieg ist dabei, zu Ende zu gehen!“, schrieb US-Präsident Donald Trump auf Twitter. „Nach einem furiosen Jahr mit Raketen- und Atomtests findet nun ein historisches Treffen zwischen Nord- und Südkorea statt.“ Er will sich Ende Mai oder Anfang Juni mit Kim treffen.

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Später berichteten südkoreanische Regierungskreise: Moon und Kim hätten sich nicht nur „ernsthaft und offen“ über die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel unterhalten. Der nordkoreanische Machthaber haben zugegeben, dass die Straßen in seinem Land marode und in einem schlechten Zustand seien. Ein Bekenntnis?

Beobachter interpretieren diese Äußerung als den Auftakt eines langen Wunschzettels, mit dem Nordkorea sich in den nächsten Monaten noch häufig an den Süden wenden wird. „Die Liste ist lang“, sagt der japanische Korea-Experte Kan Kimura. „Südkorea muss zahlen.“