Berlin. Der Skandal in Bremen zeigt: Das Bundesamt für Migration ist extrem fehleranfällig. Probleme gibt es allerdings noch viele weitere.

Man kennt den Asylmissbrauch, das Vorspielen falscher Tatsachen. Der aktuelle Verdachtsfall in Bremen beweist, dass auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) selbst anfällig ist: In der Hansestadt wurden die Asylanträge von Jesiden regelmäßig durchgewunken. Mit Vorsatz, systematisch, im großen Stil, mutmaßlich rechtswidrig.

Man muss die juristische, politische und ethische Aufarbeitung trennen. Möglicherweise haben wir es mit einem untypischen Korruptionsfall zu tun – und es floss nicht mal Geld. Dann hätte die Bamf-Leiterin bloß vor lauter Gutmenschentum Distanz und Professionalität verloren. Dann wäre sie zwar voreingenommen, aber nicht auf den eigenen Vorteil aus gewesen. Das Motiv spielt bei der moralischen Beurteilung wie beim Strafmaß eine Rolle, sollte es je zu einem Urteil kommen.

Alarmglocken schrillten beim Land Niedersachsen

Juristisch ist das Ergebnis entscheidend: Ob Gesetze verletzt wurden oder nicht, ob es korrekt zuging oder nicht. Legal oder illegal, das ist nicht egal. Politisch gibt es schon zu denken, dass der Missbrauch jahrelang nicht bemerkt wurde.

Offenbar steht es mit der Revision beim Bamf nicht zum Besten. Fakt ist: Die Alarmglocken schrillten nicht in Bremen oder in Nürnberg, sondern beim Land Niedersachsen. Womöglich war es Zufall, dass die Praxis in Bremen aufflog. Möglicherweise können sich solche oder ähnliche Vorgänge woanders wiederholen. Wer will das ausschließen, wo doch schon der Bundeswehr-Offizier Franco A. ein Ding der Unmöglichkeit war?

Total-Überprüfung der internen Abläufe beim Bamf

Der Mann hatte sich fälschlicherweise als Syrer ausgegeben und war als Flüchtling anerkannt worden, obwohl er kein Wort Arabisch sprach. Im konkreten Einzelfall war der Schaden gering, und wenn die weiteren Umstände bei Franco A. nicht so unappetitlich und kriminell gewesen wären, hätte man über die Köpenickiade sogar noch gelacht.

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    Der Fall hat vieles beim Bamf ausgelöst, eine Total-Überprüfung der internen Abläufe, auch der Kontrollen. Es gab das Versprechen eines Neuanfangs, also aus Fehlern zu lernen. Und nun stellt man ein Jahr später anlässlich des Bremer Verdachtsfalls fest: Dieses Versprechen wurde noch nicht eingelöst.

    Man kann das Bamf nicht neu backen

    Das Bamf ist eine Anstalt am Rande des Nervenzusammenbruchs. Es ist extrem fehleranfällig. Das liegt erstens in der Natur der Sache – die Mitarbeiter treffen Entscheidungen von hoher Tragweite und stehen unter großem Druck – und ist zweitens eine Folge der Dauerbelastung. Monatlich werden in Deutschland durchschnittlich 15.000 Asylanträge gestellt, bis Ende März 2018 waren es allein für das erste Quartal fast 39.000 Schutzersuchen. Hinzu kommen die Altfälle und die vielen Tausende Klagen, die vor den Verwaltungsgerichten verhandelt werden.

    Man fragt sich nebenbei, ob die Koalition politisch so gut beraten war, auch noch den Aufbau von sogenannten Ankerzentren für Flüchtlinge zu beschließen. Für ihr Management, ihre Aufsicht hat sich das Bamf nicht gerade empfohlen. Aber es ist die einzige dafür infrage kommende Behörde; man kann sie sich nicht neu backen.

    Systemversagen wiegt schwerer als Pflichtvergessenheit

    Neben allem anderen wünscht man sich vom Bamf ein besseres Krisenmanagement. Denn am Freitag hat sich das Amt hinter der Staatsanwaltschaft versteckt. Offenheit, Transparenz, Klärung und Aufklärung sehen anders aus.

    Davon unabhängig: Die Frage, ob ein Asylbewerber – rechtmäßig – als Flüchtling anerkannt wird, hängt seit Jahren nicht nur von seinen Fluchtgründen ab, sondern in erheblichem Ausmaß davon, wo in Deutschland er seinen Antrag stellt. Dieses Systemversagen wiegt am Ende schwerer als die Pflichtvergessenheit einer Beamtin.