Washington. Es ist ein Duell unter der Gürtellinie: Der von Trump gefeuerte Ex-FBI-Chef Comey und der US-Präsident bekriegen sich immer heftiger.

Der Dramaturgie der Charakterzerstörung nach zu urteilen, die James Comey im ersten TV-Interview vor seiner am Dienstag in Buchform erscheinenden Generalabrechnung mit Donald Trump exerzierte, hätte nach 60 Minuten eigentlich der Appell zur Amtsenthebung stehen müssen. Der im Mai 2017 vom amerikanischen Präsidenten gefeuerte Chef des Inlandsgeheimdienstes FBI hatte dem Fragensteller des Senders ABC, George Stephanopoulos, ein Bild des amtierenden Commander-in-Chief gezeichnet, wie es verheerender kaum hätte ausfallen können.

Der Vorwurf, dass der 71-jährige US-Präsident mit seiner Missachtung der Wahrheit die Fundamente der Demokratie aushöhle, war dabei noch der mildeste. Comey spricht Trump grundsätzlich das Format ab, um das höchste Staatsamt auszuüben. „Wer Frauen behandelt wie ein Stück Fleisch, in kleinen und großen Dingen ständig lügt und darauf besteht, dass das amerikanische Volk das auch noch glaubt, ist nicht geeignet, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein – aus moralischen Gründen.“

Gefeuerter FBI-Chef ist gegen Amtsenthebungsverfahren für Trump

Das Buch von Ex-FBI-Direktor James Comey „A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership“ (deutscher Titel: „Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit – der Ex-FBI-Direktor klagt an“) wird am 17. April veröffentlicht.
Das Buch von Ex-FBI-Direktor James Comey „A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership“ (deutscher Titel: „Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit – der Ex-FBI-Direktor klagt an“) wird am 17. April veröffentlicht. © dpa | Bebeto Matthews

Aber: Trump mit einem „Impeachment“-Verfahren zu unterziehen und ihn so seines Amtes zu entheben, lehnt der frühere oberste Bundespolizist ab. Das würde die Bevölkerung „vom Haken lassen“, die aus seiner Sicht „moralisch verpflichtet“ sei, das Problem auf demokratischem Wege zu lösen: „Die Menschen in diesem Land müssen aufstehen, in die Wahllokale gehen und für ihre Werte stimmen.“

Dass ein Top-Vertreter des für die nationale Sicherheit zuständigen Establishments so unverhohlen für die Nichtwiederwahl eines amtierenden Präsidenten plädiert, ist laut Historikern „einzigartig“. Nicht nur darum werfen viele Trump-Anhänger dem 57-jährigen Comey unverzeihbare Parteilichkeit vor und stellen seine Integrität komplett in Frage – auch auf der Internetseite „lyincomey.com“. Trump selbst nannte den über zwei Meter großen Schlaks einen „Schleimbeutel“, „Durchstecher“ und „Lügner“, der als „schlimmster“ FBI-Chef aller Zeiten in die Geschichte eingehen werde.

Comey ist immer noch gekränkt vom erzwungenen Abgang

Was Comey in der Sache zu sagen hatte, steht fast eins zu eins in seinem am Dienstag erscheinenden Buch mit dem Titel: „Größer als das Amt: Auf der Suche nach Wahrheit – der Ex-FBI-Direktor klagt an“. Im Fernsehen erhalten manche Antworten durch Mimik und Kunstpausen zusätzliches Gewicht. Haben die Russen etwas gegen Trump in der Hand, was ihn erpressbar macht? „Es ist möglich.“ Gab es die ominösen Pinkelspiele mit russischen Prostituierten im Beisein Trumps in Moskau wirklich? „Es ist möglich.“ Hat sich der Präsident der Justizbehinderung schuldig gemacht, als er Comey darum bat, die Untersuchungen gegen den früheren Nationalen Sicherheitsberater Michel Flynn auf sich beruhen zu lassen (was Trump rigoros bestreitet)? „Es ist möglich.“

Dieses Offenhalten, formuliert vom ehemaligen Chef des FBI, der Trumps Verlangen nach uneingeschränkter Loyalität mit dem Gebaren von Mafia-Bossen vergleicht, verfehlt seine Wirkung nicht. Zumal Comey, noch immer erkennbar gekränkt durch seinen von Trump erzwungenen Abgang, mehrfach anmerkt: „Das sind Worte, von denen ich niemals gedacht hätte, sie einmal über einen amerikanischen Präsidenten zu sagen“.

Comeys Rachefeldzug wird noch Wochen andauern

Über sich selbst und seine zwiespältige Rolle bei der Handhabung der E-Mail-Affäre der Demokratin Hillary Clinton, die unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl 2016 hohe Wellen schlug, findet Comey nur wenige selbstkritische Töne. Das macht ihn „anfechtbar“ auch in Wählerschichten, die Trump lieber heute als morgen aus dem Amt gedrängt sähen, sagten Analysten im US-Frühstücksfernsehen.

Gleichwohl wird Comeys Rachefeldzug noch Wochen andauern. Nach der TV-Interviewelle steht eine Lesereie durch Amerika an. Eine Metapher wird sich dabei einprägen: „Ich vergleiche Präsident Trump in meinem Buch mit einem Waldbrand. Er wird enorme Schäden anrichten. Aber aus einem Waldbrand können gesunde Dinge entstehen, die vor diesem Feuer keine Chance gehabt hätten.“