Berlin. US-Verteidigungsminister Mattis will eine Eskalation vermeiden und sich im Falle eines Syrien-Angriffs mit Paris und London abstimmen.

In der aufgeheizten Debatte über einen möglichen Militärschlag des Westens gegen Syrien bemühen sich die Akteure derzeit zumindest verbal um Zurückhaltung. Ermittler der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) trafen am Freitag in Syrien ein, um in der Stadt Duma den mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz vom vergangenen Sonnabend zu untersuchen.

US-Präsident Donald Trump hatte den syrischen Machthaber Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich gemacht, bei dem nach unterschiedlichen Angaben zwischen 42 und 85 Menschen getötet wurden.

Chemiewaffen-Experten entnehmen Proben in Syrien

Ab diesem Sonnabend will das OPCW-Team Boden- und Gewebeproben sammeln und analysieren. Der Verdacht besteht, dass in Duma Chlorgas oder das Nervengift Sarin eingesetzt wurde. Die Gruppe ist unter Zeitdruck, da die Spuren von einer möglichen Giftgasattacke mit der Zeit verblassen. Die Untersuchung der Proben in OPCW-Labors dauert ein bis zwei Wochen.

US-Verteidigungsminister James Mattis.
US-Verteidigungsminister James Mattis. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS

Nicht ermitteln lässt sich allerdings, wer die Substanzen eingesetzt hat. Der poli­tische Streit dürfte also weitergehen. In Syrien bereitet man sich unterdessen auf einen Militärschlag vor. Aus re­gierungsnahen Kreisen hieß es, zahlreiche staatliche und militärische Einrichtungen in der Hauptstadt Damaskus seien in Alarmbereitschaft versetzt worden. Bereits in den vergangenen Tagen hatten die syrischen Streitkräfte begonnen, sich von Stützpunkten zurückzuziehen.

US-Verteidigungsminister James Mattis versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass seine Regierung nicht übereilt vorgehe. Seine Regierung prüfe eine Reaktion, die sowohl eine Eskalation in der Region verhindere als auch wegen des angeblichen Giftgasangriffs eine deutliche Botschaft an Assad sende, erklärte der Pentagonchef.

Mattis will den Partnern schlüssige Indizien vorlegen

Die „New York Times“ berichtete, dass Mattis in einer vertraulichen Runde im Weißen Haus für die Vorlage schlüssiger Indizien geworben habe, um die internationale Gemeinschaft von der Notwendigkeit einer Militäraktion zu überzeugen.

Im Gegensatz zu diesem eher moderaten Ton hatte Präsident Trump Assads Schutzmacht Moskau am Mittwoch offen per Tweet gedroht: „Mach dich bereit, Russland. Die Raketen werden kommen.“ Am Donnerstag folgte eine leichte Abschwächung: „Ich habe niemals gesagt, wann der Angriff auf Syrien stattfinden wird.“ Zur Unterstützung der US-Kräfte vor Ort wurde der Flugzeugträger „USS Harry S. Truman“ ins östliche Mittelmeer gesendet.

Maas: Chemiewaffenangriff darf nicht ohne Folgen bleiben

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    Russland spricht indirekt von einer amerikanischen Intrige

    Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies die Anschuldigungen zurück. „Wir haben unwiderlegbare Informationen, dass dies eine neuerliche Inszenierung von Geheimdiensten eines Staates war, der sich darum reißt, in der ersten Reihe der russophoben Kampagne zu stehen“, sagte er.

    Russland wirft vor allem den USA vor, antirussische Stimmung zu schüren. Russische Spezialisten hätten bei ersten Untersuchungen in Duma keine Hinweise auf Chemiewaffen gefunden, teilte die russische Botschaft in London mit. Mit Blick auf die US-Drohungen betonte Lawrow Russlands Willen zur Deeskalation. Die militärischen Kommunikationskanäle zwischen Moskau und Washington seien intakt.

    Experten warnen: Kein Muster wie im Irakkrieg

    Nach amerikanischen Medienberichten haben Militärexperten bei einem Treffen im Weißen Haus davor gewarnt, dass sich das Muster vom Krieg gegen den Irak nicht wiederholen dürfe. Im März 2003 hatten die USA das Regime des irakischen Diktators Saddam Hussein unter dem Vorwand angegriffen, dass dieser im Besitz von Massenvernichtungswaffen sei. Dies stellte sich später als falsch heraus.

    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstrich, dass ihre Regierung bei einer Militäraktion nicht mitmachen werde. Zugleich deutete sie an, dass Berlin einen solchen Schritt aber politisch mittragen werde. Merkel hatte zuvor von „schweren Indizien“ gesprochen, die auf Assad als Urheber des mutmaßlichen Giftgasanschlags hinweisen.

    Die Kanzlerin wird sich am kommenden Donnerstag mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Abendessen in Berlin treffen. Neben europapolitischen Themen geht es dabei auch um die Krise in Syrien sowie Spannungen mit Russland nach dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien. Macron hatte zuvor betont, es gebe „Beweise“ für den Chemiewaffeneinsatz Assads – „zumindest Chlor“.

    Paris und London prüfen den Militäreinsatz

    Im Gegensatz zu Merkel haben Macron und die britische Premierministerin Theresa May ihre Bereitschaft hervorgehoben, sich an einer Militäraktion der Amerikaner gegen Syrien zu beteiligen. Washington, Paris und London stünden in dieser Frage in sehr engem Kontakt. Derzeit werde ein derartiger Einsatz geprüft. Nach Einschätzung von Außenminister Heiko Maas (SPD) weist dieses Vorgehen darauf hin, dass die Verbündeten keine Eskalationsspirale in Gang setzen wollen.

    Der stellvertretende FDP-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, rügte Merkels Nein zu einer militärischen Beteiligung. „Ich finde es bedauerlich, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Äußerung sofort jede Unterstützung an dieser Stelle ausgeschlossen hat“, so Lambsdorff.

    Nach dem ZDF-Politbarometer sind nur 18 Prozent der Deutschen für eine Beteiligung an einem möglichen Militäreinsatz in Syrien, 78 Prozent lehnen dies ab. 90 Prozent sprachen sich generell gegen eine Intervention der USA in Syrien aus. Sechs Prozent fänden einen solchen Angriff richtig.