Berlin. Der Koalitionsstreit über den Familiennachzug für Flüchtlinge verschärft sich. CSU-Politiker Dobrindt attackiert SPD-Kritiker frontal.

Lange hat der Frieden nicht gehalten: Erst Ende Januar einigten sich Union und SPD mit Mühe auf einen Kompromiss zum Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Jetzt streitet die Koalition erneut darüber, wer wann zu welchen Bedingungen Familienmitglieder ins Land holen darf.

Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe, wies Kritik aus der SPD am Kurs von Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag scharf zurück: „Gerade diejenigen, die ständig nach Familiennachzug schreien, sind oft unfähig, notwendige Maßnahmen zur Integration ausreichend zu erbringen oder für Sicherheit zu sorgen“, sagte Dobrindt unserer Redaktion. „Die Integrationsfähigkeit unseres Landes hat doch inzwischen für jedermann ersichtlich eine Grenze.“

Kein Familiennachzug für Geschwister von Flüchtlingen

Anlass des Streits ist ein Gesetzentwurf aus Seehofers Ministerium, der für die Gruppe der Flüchtlinge mit subsidiärem, also eingeschränktem Schutz, den Familiennachzug ab August regeln soll. Nach dem Papier, das derzeit zur Abstimmung bei den anderen Ministerien der Regierung liegt, sollen künftig nur noch Ehepartner, minderjährige Kinder und Eltern minderjähriger Flüchtlinge nach Deutschland nachziehen dürfen.

Ausgeschlossen bleiben dagegen andere Familienmitglieder wie Geschwister und Ehepartner, wenn die Ehe nicht im Herkunftsland geschlossen wurde. Berichte, nach denen auch Verwandte von Flüchtlingen, die Hartz IV beziehen, vom Familiennachzug ausgeschlossen sein sollen, bestritt das Ministerium am Donnerstag.

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    SPD will beschlossenes Kontingent ausschöpfen

    Die SPD warnte, eine Verschärfung, die über das hinausgehe, was im Koalitionsvertrag steht, werde man nicht mittragen. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner hatte bereits am Mittwoch erklärt, „Wahlkampfgetöse für die CSU in Bayern“ werde die SPD nicht mitmachen.

    Außenminister Heiko Maas (SPD) ergänzte am Donnerstag, das beschlossene Kontingent von 1000 Menschen pro Monat ausschöpfen zu wollen. „Wir werden ganz sicherlich keinen Entwürfen zustimmen, von denen wir der Auffassung sind, dass sie in erster Linie gedacht sind, das Kontingent eher zu verringern“, so Maas.

    Dobrindt befürchtet Zuwanderung in Sozialsysteme

    Dobrindt betonte, dass der „restriktive Gesetzentwurf“ Seehofers das richtige Signal sei. „Wer jetzt danach ruft, das Kontingent zwingend auszuschöpfen, versucht eine humanitäre Sonderregelung für mehr Zuwanderung in unsere Sozialsysteme zu missbrauchen“, erklärte er.

    Auch Mike Mohring, CDU-Landeschef in Thüringen, stellte sich hinter Seehofers Entwurf. „Subsidiär Schutzbedürftigen, die eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland darstellen, Terror unterstützen oder mit solchen Taten sympathisieren, muss der Familiennachzug verwehrt bleiben“, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“. Das müsse das Engagement in verbotenen Vereinigungen genauso umfassen wie den Einsatz von oder den Aufruf zu politischer oder religiös motivierter Gewalt.

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      Kompromiss war nur Übergangslösung

      Dass das Thema so bald nach den Koalitionsverhandlungen erneut für Ärger sorgt, liegt daran, dass sich die Koalitionspartner damals nur auf eine Übergangslösung einigten. Die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte, die die vergangene große Koalition beschlossen hatte, wurde bis Ende Juli 2018 verlängert.

      Für die Zeit danach wurde im Koalitionsvertrag ein Rahmen abgesteckt: 1000 Menschen pro Monat sollen kommen dürfen, außerdem Angehörige, deren Fälle als Härtefälle gelten. Keinen Nachzug soll es geben für Gefährder, Menschen, die schwere Straftaten begangen haben, sowie für Ehepartner, wenn die Ehen nicht vor der Flucht geschlossen wurden. Über diese Leitplanken hinaus liegt die Ausgestaltung der Neuregelung bei den Koalitionsparteien. Ein genereller Anspruch auf Familiennachzug wird damit aber nicht hergestellt.

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        Wohlfahrtsverband sieht „massive Verschärfung“

        Sozialverbände kritisierten den Gesetzentwurf aus dem Innenministerium. Nach Einschätzung von Pro Asyl geht das Papier über das im Koalitionsvertrag Vereinbarte „weit hinaus“. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht darin eine „massive Verschärfung des ohnehin schon restriktiven Koalitionskompromisses“.